ESG-Abfrage: Die Branche scheint nichts gelernt zu haben

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Klaus Möller

Der äußerst lasche Umgang der Finanzbranche mit der vorgeschriebenen ESG-Umfrage zeigt: Offenbar will sie aus den vielen staatlichen Regulierungen der Vergangenheit nichts lernen. Dann darf sie sich über unangenehme Verschärfungen nicht wundern. Ein Kommentar von Dr. Klaus Möller, Defino

Umfragen haben ergeben, dass eine klare Mehrheit der Finanzberater die vom Gesetzgeber geforderte Nachhaltigkeitspräferenzabfrage (ESG-Abfrage) gar nicht oder in höchst ungenügendem Maße umsetzt. Makler, Vermittler und Berater lassen damit sowohl die hilfreichen, von Initiativen wie dem Arbeitskreis Beratungsprozesse oder dem Forum Nachhaltige Geldanlage entwickelten Leitlinien als auch die Systematik der ESG-Abfrage innerhalb der DIN-Norm 77230 „Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte“ unbeachtet.

Stattdessen bedient sich der überwiegende Teil der Finanzberater der sehr viel einfacheren ESG-Abfragetechniken der Produktanbieter und Vergleicher. Mit deren Hilfe wiederum verleiten viele Berater Verbraucher dazu, ganz auf Nachhaltigkeitskriterien zu verzichten, im Klartext die Frage nach der Berücksichtigung von Nachhaltigkeit in ihren Anlagen mit „nein“ zu beantworten.

Daraus können sich für die Finanzdienstleister ernsthafte Haftungsprobleme ergeben, sobald nämlich ein erstes Gericht feststellt, dass sich eine angewandte Fragetechnik eines Produktanbieters nicht mit den Gesetzesvorgaben zur Nachhaltigkeitspräferenz-Abfrage deckt.

Passiv und defensiv

Weiterhin ist zu befürchten, dass – und die Signale seitens der EU-Kommission als auch der Bafin sind kaum zu übersehen – der Gesetzgeber von sich aus die Vorgaben zur ESG-Abfrage verbindlich verschärfen wird, so dass diese die tägliche Arbeit  der Vermittler zusätzlich erheblich belasten wird. Die bestehenden Leitlinien und das ESG-Modul in der DIN-Norm dagegen können klug eingesetzt klare Arbeitserleichterungen bei Erfüllung der europarechtlichen Anforderungen darstellen.

Der passive und defensive Umgang der Finanzindustrie mit Verbraucherschutz hat seit jeher den Gesetzgeber in der Weise herausgefordert, dass sich Berater und Vermittler heute mit einem Übermaß an zuweilen praxisfernen Regularien konfrontiert sehen. Im Handling der ESG-Abfrage zeigt sich, dass die Branche daraus nichts gelernt zu haben scheint. Dabei ist es höchste Zeit, dem Gesetzgeber mit von der Branche entwickelten, praxisnahen, gesetzeskonformen und verbindlichen Regelwerken – eben DIN-Normen – zu begegnen, um weiteren Schaden für die Finanzbranche abzuwenden.

Klaus Möller ist Vorstand der Defino Institut für Finanznorm AG.

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