Quo vadis, Altersvorsorge?

Jörg Kintzel
Foto: Valuniq
Jörg Kintzel

Betriebe sollten sich im Bereich Benefits breiter aufstellen, um sich als attraktive Arbeitgeber zu positionieren und von der Konkurrenz abzusetzen. Gastbeitrag von Jörg Kintzel und Pascal Baumüller, Valuniq

Es ist spürbar, dass unsere Bevölkerung besorgt in die Zukunft blickt, denn eine Krise jagt die nächste: Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und schließlich die andauernde Inflation. Der Blick auf den jährlichen Rentenbescheid macht für viele Menschen diese Sorge nicht kleiner. Wird im Alter genug Geld zum Leben bleiben?

Diese Bedenken sind nicht unberechtigt: Beispielsweise bleiben mit einem monatlichen Bruttogehalt von 3.000 Euro bei einer Einzahlung in die Rentenkasse über einen Zeitraum von 40 Jahren nach heutiger Berechnung rund 1.200 Euro monatliche Rente. Das kann für viele Menschen eine erhebliche Einschränkung des Lebensstandards bedeuten und unter Umständen sogar existenzgefährdend sein. Es ist also wichtig, sich frühzeitig um die Aufstockung des Rentenbetrags zu kümmern.

Beim Thema Altersvorsorge sollten allerdings nicht nur Arbeitnehmer handeln: Es ist auch die Aufgabe des Arbeitgebers, die betriebliche Altersvorsorge als Hygienefaktor zu sehen und an den richtigen Stellen zu investieren. Das schafft Entlastung für ihre Mitarbeiter und kann bestenfalls dazu noch die Mitarbeiterbindung erhöhen – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist das bares Geld wert. Hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten und darunter auch bisher kaum genutzte Chancen.

Der klassische Weg der betrieblichen Altersvorsorge ist die Entgeltumwandlung, bei der Teile des Lohns oder Gehalts für eine spätere Betriebsrente zur Seite gelegt werden. Für Arbeitnehmer fällt die betriebliche Altersvorsorge dabei finanziell nicht erheblich ins Gewicht, da die Beiträge noch vor Gehaltsauszahlung vom Bruttolohn abgezogen werden.

Das Gesetz gibt aktuell eine Mindestbeteiligung des Arbeitgebers von 15 Prozent des umgewandelten Gehalts vor. Während viele Unternehmen freiwillig bereits 20 Prozent oder manche Top-Unternehmen sogar 50 Prozent beisteuern, ist es hier die Aufgabe des Gesetzgebers, die rechtlichen Rahmenbedingen anzupassen und den Mindestbeitragssatz zu erhöhen. Auf diese Weise habe alle Arbeitnehmer ein Recht auf bessere Sparmöglichkeiten für die Betriebsrente – auch wenn keine weiteren entsprechenden Benefits seitens des Unternehmens angeboten werden. Es ist also an der Zeit, einfachere und transparente Lösungen zu schaffen, die an heutige Bedürfnisse angepasst sind.

Das Angebot einer betrieblichen Krankenzusatzversicherung lohnt sich für beide Seiten: Der Mitarbeiter erhält Top-Konditionen wie beispielsweise einen Facharztterminservice ohne lange Wartezeiten und muss sich, anders als bei einer Privatversicherung, in vielen Fällen vorab keiner Gesundheitsprüfung unterziehen. Unternehmen wiederum machen sich mit diesem Angebot nicht nur attraktiver für den Arbeitsmarkt. Die Beitragszahlungen können als Betriebsausgaben steuerlich geltend gemacht werden und der gesamte Verwaltungsaufwand liegt bei den Versicherungsunternehmen.

Ähnlich verhält es sich bei einer betrieblichen Berufsunfähigkeitsversicherung (BU). Auch hier fällt die Gesundheitsprüfung weg und fällt für Arbeitnehmende finanziell in der Regel günstiger aus als eine private Versicherung. Das heißt nicht, dass die betriebliche BU keine Nachteile hätte, dennoch können Betriebe dieses Angebot ebenfalls als starkes Argument nutzen, um für sich zu werben.

Pascal Baumüller (Foto: Valuniq)

Mit den vorgegangenen Maßnahmen ist das Potenzial allerdings noch bei weitem nicht ausgeschöpft, denn Altersvorsorge kann weitaus mehr als Beitragszahlungen sein: Wir müssen in der modernen Zeit ankommen und die Benefits an heutige Bedürfnisse anpassen. Denn das wiederum kann präventiv für gesundheitliche Leiden im Alter wirken und dafür sorgen, dass Menschen später weniger auf das Gesundheitssystem angewiesen sind.

Ein großer Risikofaktor für die Entstehung von Krankheiten ist beispielsweise das tägliche stundenlange Sitzen. Laut Ergebnissen der Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell“ sitzen etwa ein Fünftel der Erwachsenen in Deutschland mindestens vier Stunden am Tag und üben keine körperliche Aktivität in der Freizeit aus. Diese Ergebnisse machen deutlich, dass präventive Maßnahmen notwendig sind, um Sitzzeiten zu reduzieren und die körperliche Aktivität zu steigern. Hier kann der Arbeitgeber ansetzen: Durch das Angebot von kostenlosen oder vergünstigten Sportprogrammen hält er nicht nur seine Mitarbeiter fit, sondern kann damit bestenfalls auch noch Fehlzeiten und Krankheitsausfälle reduzieren.

Auch die psychische Gesundheit ist ein riesiges Thema, was der aktuelle Psychreport der DAK-Gesundheit erschreckend deutlich macht: Im Jahr 2022 erreichte der Arbeitsausfall aufgrund psychischer Erkrankungen auf Basis der Krankschreibungen von 2,4 Millionen DAK-versicherten Beschäftigten mit 301 Fehltagen je 100 Versicherte einen neuen Höchststand. Körperliche Betätigung kann auch hier unterstützend wirken und die mentale Gesundheit stärken. Darüber hinaus bieten bereits einige Arbeitgeber eine psychologische Betreuung für Mitarbeiter an. Hier sollten allerdings noch viel mehr Unternehmen nachziehen und das Thema mentale Gesundheit zur Priorität machen. Das schafft Vertrauen und spiegelt ein verantwortungsbewusste Firmenkultur wider. Und ganz nebenbei sind die Menschen belastbarer und haben weniger Fehltage.

Benefits hören allerdings bei der eigenen Person nicht auf. Immer mehr Menschen stehen vor der Situation, Verantwortung für pflegebedürftige Angehörige tragen zu müssen. Laut Statista wurden bereits Ende 2021 4,17 Millionen Pflegebedürftige zuhause versorgt – davon 3,12 Millionen überwiegend durch Angehörige.

Viele Angehörige können aus Kostengründen die zu versorgenden Personen nicht in einem Heim unterbringen oder möchten die Betreuung schlichtweg lieber selbst übernehmen. Allerdings stehen dadurch viele Arbeiternehmer oft vor einer Doppelbelastung und können die Situation langfristig ohne Unterstützung nicht bewältigen. Auch mental sind Umstände wie diese eine große Herausforderung.

Wir sind der Meinung, dass Pflegeunterstützung durch Arbeitgeber nach der Alters- und Gesundheitsvorsorge das nächste große Thema auf dem Arbeitsmarkt sein wird. Ein Ansatz kann sein, dass der Arbeitgeber dem Mitarbeiter beispielsweise die Organisation der Bürokratie oder die Suche einer Pflegestelle abnimmt oder ihn finanziell bei der Pflege eines Angehörigen unterstützt. Angebote wie diese können perspektivisch ein entscheidendes Kriterium für die Arbeitgeberwahl sein.

Gesundheitsvorsorge – in welcher Form auch immer – wird in ein paar Jahren zum Standard. Betriebe sollten sich im Bereich Benefits allerdings jetzt schon breiter aufstellen, um sich als attraktive Arbeitgeber zu positionieren und von der Konkurrenz abzusetzen. Das ist gerade im Hinblick auf den Fachkräftemangel wichtig, der sich durch den zeitnahen Eintritt der Babyboomer in das Rentenalter so schnell nicht entspannen wird.

Jörg Kintzel ist Vorstand der Valuniq AG, Pascal Baumüller ist Geschäftsführer der Valuniq Pension Consulting.

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