Welche Faktoren treiben derzeit die Kosten in der Kfz-Versicherung am stärksten – Schadenshäufigkeit, Reparaturkosten oder externe Einflüsse wie Inflation?
Will: Die Schadenskosten in der Kfz-Versicherung steigen seit Jahren deutlich schneller als die allgemeinen Verbraucherpreise. Treiber sind vor allem die Ersatzteil- und Reparaturkosten, die unter anderem durch die zunehmende technische Aufrüstung der Fahrzeuge – etwa mit Sensorik oder Assistenzsystemen – spürbar teurer geworden sind. Hinzu kommen gestiegene Löhne und Materialpreise, die Werkstattleistungen zusätzlich verteuern. Wir beobachten, dass die Schadenhäufigkeit nach den pandemiebedingten Sondereffekten wieder zunimmt und sich wieder dem Normalniveau annähert. Im Zusammengenommen führen diese Entwicklungen zu weiterhin dynamisch ansteigenden Schadenkosten.
Wie gut sind die Versicherer auf die zunehmende Elektrifizierung des Fahrzeugmarktes vorbereitet, gerade im Hinblick auf Reparaturkosten und Schadenquoten bei E-Autos?
Will: Die Versicherer haben die Besonderheiten von E-Autos klar im Blick und passen ihre Kalkulationsmodelle entsprechend an. Herausfordernd ist vor allem, dass einzelne Schäden – etwa bei der Batterie oder an Hochvoltsystemen – extrem teuer ausfallen und im Einzelfall sogar zu Totalschäden führen können. Erschwerend kommt hinzu, dass die Datenbasis für E-Fahrzeuge noch nicht so belastbar ist wie bei Verbrennern, was die Risikobewertung erschwert.
Um damit umzugehen, entwickeln die Gesellschaften spezielle Tarife und Schadenmanagement-Konzepte, um den Umgang mit dieser neuen Fahrzeugtechnologie Schritt für Schritt zu verbessern. Gleichzeitig zeigt sich jedoch, dass sich die Schadenbedarfe von Elektrofahrzeugen zunehmend denen klassischer Verbrenner annähern. Ein Indiz dafür ist, dass viele Versicherer die anfänglichen Rabatte für E-Fahrzeuge inzwischen zurückfahren oder ganz gestrichen haben.
Die Branche steht seit Jahren unter Preisdruck. Welche Strategien können Versicherer entwickeln, um trotz steigender Kosten profitabel zu bleiben und wie bewerten Sie die aktuellen Ansätze der Gesellschaften?
Will: Die Versicherer können die steigenden Schadenaufwendungen nicht allein durch Effizienzsteigerungen auffangen, sondern müssen weiterhin auch über höhere Beiträge reagieren. Viele Gesellschaften haben daher ihre Tarife angepasst und werden dies auch weiterhin tun müssen. Parallel dazu investieren die Unternehmen massiv in die Digitalisierung, um Prozesse zu beschleunigen und Kosten zu senken. Auch ein konsequentes Schadenmanagement, zum Beispiel durch Werkstattsteuerung, gewinnt zunehmend an Bedeutung. Am Ende bleibt es jedoch ein Balanceakt zwischen preislicher Wettbewerbsfähigkeit und nachhaltiger Ertragskraft.
Wie verändert der technische Fortschritt – etwa Fahrerassistenzsysteme oder vernetzte Fahrzeuge – die Risikobewertung und damit die Kalkulation von Prämien?
Will: Technische Innovationen tragen einerseits dazu bei, Unfälle zu vermeiden und die Schadenhäufigkeit langfristig zu senken. Andererseits steigen im Schadenfall die Kosten erheblich, weil moderne Fahrzeuge mit komplexen Systemen ausgestattet sind, die aufwendig repariert und kalibriert werden müssen. Für die Risikobewertung verschiebt sich der Fokus daher zunehmend von der Häufigkeit hin zur Schwere einzelner Schäden. Von einer breiten Nutzung vernetzter oder gar autonomer Fahrzeuge sind wir zwar noch ein gutes Stück entfernt, doch absehbar ist schon heute, dass für diese Technologien künftig neue Formen der Absicherung erforderlich sein werden, die über die heutigen Marktstandards hinausgehen.
Welche langfristigen Trends sehen Sie für den Kfz-Versicherungsmarkt in Deutschland, und wo liegen die größten Risiken für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie für die Versicherer selbst?
Will: Langfristig wird die Kfz-Versicherung durch drei zentrale Entwicklungen geprägt: dem weiteren Hochlauf der Elektromobilität, den technischen Fortschritten rund um die Automatisierung und Vernetzung sowie der digitalen Transformation der Geschäftsmodelle. Für Verbraucherinnen und Verbraucher stellt sich dabei vor allem die Frage, wie sich ein verlässlicher Versicherungsschutz bezahlbar halten lässt, wenn Reparaturen immer teurer werden. Für die Versicherer wiederum liegt die größte Herausforderung in der hohen Unsicherheit künftiger Schadenverläufe und der Notwendigkeit, ihre Kalkulationsmodelle kontinuierlich anzupassen. Nur wer diese Flexibilität mitbringt, wird im hart umkämpften Kfz-Markt langfristig profitabel bleiben können.
Die Fragen stellte Jörg Droste, Ressorleiter Versicherungen, Cash.