Steuerrecht: Wo bleibt endlich der Merz’sche Bierdeckel?

Foto: Udo Heimann Tax Network
Udo Heimann

Warum der Koalitionsvertrag in Sachen Steuergerechtigkeit wieder mal eine Enttäuschung ist und was das deutsche Steuersystem eigentlich braucht, das weiß Udo Heimann, Steuerexperte und Unternehmer

Wer den aktuellen Koalitionsvertrag aufschlägt, reibt sich die Augen: wieder kein Durchbruch bei der Steuervereinfachung, wieder keine Vision, wieder nur heiße Luft. Die berühmte einfache Steuererklärung auf dem Bierdeckel? Ein Relikt politischer Märchenstunden, das längst im Museum für gescheiterte Reformversprechen verstaubt – und das, obwohl dessen Urheber nun der neue Bundeskanzler ist. Die Vision damals: eine Steuererklärung, die auf eine Bierdeckelrückseite passt. Einfach, fair, verständlich – für jeden. Doch der Bierdeckel ist längst vergessen, die Idee offenbar auch. Heute herrscht im Steuerrecht nicht Klarheit, sondern Kleinteiligkeit. Und der neue Regierungspartner macht dabei klaglos mit. Deutschland bleibt das Land der Steuerakrobatik, in dem nur derjenige gewinnt, der sich einen teuren Berater leisten kann oder genug Zeit hat, sich durch ein Dickicht aus Ausnahmen, Sonderabschreibungen und Belegpflichten zu kämpfen. Der Rest? Bleibt auf der Strecke – und zahlt brav, was der Staat verlangt, während die eigentlichen Gewinner weiter munter durch die Schlupflöcher rutschen.


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Das deutsche Steuersystem ist ein Paradebeispiel dafür, wie man mit maximaler Komplexität jede unternehmerische Initiative im Keim ersticken kann. Wer sich als kleiner Dienstleister, Gründer oder Mittelständler durch die Bürokratie kämpfen will, braucht mehr als nur Mut – er braucht Nerven wie Drahtseile. Die Flut an Nachweisen, Belegen und Sonderregelungen ist so absurd, dass selbst erfahrene Steuerexperten regelmäßig kapitulieren. Wer glaubt, das sei übertrieben, sollte sich einmal anschauen, wie viele Ausnahmetatbestände, Pauschalierungen und Sonderabschreibungen inzwischen existieren. Für jede neue Idee im Steuerrecht werden drei neue Schlupflöcher geschaffen – und das alles im Namen der ‚Gerechtigkeit‘. Dabei wäre die Lösung so einfach wie radikal: Ein hoher Grundfreibetrag, der wirklich entlastet, ein pauschaler Werbungskostenabzug, der das Sammeln von Tankquittungen und Bahntickets überflüssig macht, und ein einheitlicher Steuersatz, der die Steuergestaltungstricks der Besserverdienenden aushebelt. Warum nicht 10 Prozent Pauschale für Werbungskosten – und nur wer darüber liegt, muss nachweisen? Warum nicht für kleine Unternehmen ein echtes Pauschalmodell, das Bürokratie abbaut und Gründergeist fördert? In anderen Ländern geht das längst – nur Deutschland hält an der Zettelwirtschaft fest, als wäre sie ein nationales Kulturgut.

Und dann die Unternehmensbesteuerung: Während Kapitalgesellschaften Gewinne thesaurieren und damit von niedrigen Steuersätzen profitieren, werden Personengesellschaften behandelt, als ob jeder Cent sofort verkonsumiert würde. Die Folge: Ein Flickenteppich aus Rechtsformen, Holdingmodellen und Familienstiftungen, der nur noch von Spezialisten durchschaut wird. Wer weiß schon, dass auch Einzelunternehmer ihre Gewinne wie eine Kapitalgesellschaft besteuern lassen könnten? Kaum jemand – und das ist kein Zufall, sondern System. Wer keinen Berater hat, zahlt drauf. Wer einen hat, spart Millionen. Diese Ungerechtigkeit zieht sich durch alle Ebenen: Während Spitzenverdiener mit Immobilien und Abschreibungsmodellen jonglieren, bleibt dem Durchschnittsverdiener nur das Prinzip Hoffnung. Die kalte Progression frisst die Lohnerhöhungen, die Steuerlast klettert in schwindelerregende Höhen, und der Staat verteilt großzügig neue Ausnahmen an die, die ohnehin schon genug haben. Die Diskussion um Spitzensteuersätze ist dabei nur das Feigenblatt für eine Politik, die es nicht wagt, die eigentlichen Probleme anzupacken. Warum nicht einen klaren, maximalen Steuersatz von 35 Prozent – und Schluss mit allen Sonderabschreibungen, steuerfreien Veräußerungen und Ausnahmen? Wer wirklich viel verdient, soll auch zahlen. Aber eben transparent, planbar und ohne Hintertürchen.

Während andere Länder Forschung, Digitalisierung und ökologische Investitionen steuerlich fördern, werden in Deutschland weiterhin vor allem Immobilien und Abschreibungsmodelle subventioniert. Wer wirklich in die Zukunft investieren will, muss sich auf den Kanaren oder in Irland umsehen – dort gibt es niedrige Steuersätze und echte Förderprogramme. In Deutschland dagegen wird diskutiert, verwaltet und blockiert. Der Unternehmer als Melkkuh des Staates – aber wehe, er will wachsen oder international mithalten. Das alles ist kein Naturgesetz, sondern das Ergebnis jahrzehntelanger Mutlosigkeit. Ein modernes Steuersystem müsste einfach, transparent und digital sein. Keine Zettelwirtschaft, keine Einzelfallprüfungen, keine steuerpolitische Lotterie. Planbarkeit statt Flickenteppich. Wer investiert, wer Arbeitsplätze schafft, wer innovativ ist, sollte belohnt werden – nicht mit neuen Formularen, sondern mit echten steuerlichen Vorteilen. Und wer wenig hat, sollte nicht noch durch absurde Steuersätze und Abgaben belastet werden.

Die Debatte um Vermögenssteuer, Umverteilung und Gerechtigkeit ist dabei nur die nächste Nebelkerze. Wer wirklich für Fairness sorgen will, schafft die Ausnahmen ab, senkt die Steuersätze und hebt die Freibeträge an. Dann bleibt mehr für alle – und der Staat muss nicht mehr mit immer neuen Sonderregeln die eigenen Versäumnisse kaschieren. Deutschland braucht einen steuerlichen Neuanfang, keine weiteren Ausflüchte. Es wird Zeit, den Mut aufzubringen und das System vom Kopf auf die Füße zu stellen.“ 

Weitere Informationen unter https://taxnetwork.de/  

Autor Udo Heimann ist Steuerexperte, Unternehmer, Visionär und Stratege mit über 30 Jahren Erfahrung in der unternehmerischen Beratung. Als Mitinitiator und Headcoach des ersten Steuercoachings in Deutschland (gemeinsam mit Alex Düsseldorf Fischer) hat er seit 2018 neue Maßstäbe in der Steueroptimierung gesetzt. Im Rahmen des „Next Level Steuercoachings“ hat er Tausende von Unternehmern und Beratern inspiriert und geprägt. Sein Ansatz kombiniert Steuerrecht mit Gesellschafts-, Stiftungs- und Vertragsrecht sowie Finanzstrategien – denn für ihn besteht echte Steuergestaltung nur zu 20 Prozent aus Steuerrecht und zu 80 Prozent aus anderen Rechtsgebieten.

Mit der Gründung der Tax Network GmbH hat Heimann eine Plattform geschaffen, auf der Wissen, Erfahrung und Umsetzungskraft zusammenfließen. Er hilft Unternehmern, ihre Steuerlast strategisch zu gestalten, Vermögen aufzubauen und langfristig zu sichern. Dabei ist ihm das deutsche Steuersystem ein Dorn im Auge: „Es ist ungerecht und bedarf einer grundlegenden Neugestaltung. Ein einfacheres und gerechteres System ist längst überfällig.“  

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