Eine wachsende Skepsis gegenüber digitalen Finanzanbietern gefährdet zunehmend das Fundament der privaten Vorsorge in Deutschland. Das zeigt das aktuelle Edelman Trust Barometer 2025. Die Ergebnisse zeigen unter anderem eine beunruhigende Entwicklung vor allem für Versicherer, Finanzberater und Insurtechs. Während weltweit das Vertrauen in die Finanzbranche im Aufwärtstrend liegt, bleibt Deutschland ein Ausreißer nach unten.
Mit lediglich 46 Prozent Vertrauensquote landet die deutsche Finanzbranche im internationalen Vergleich klar im Bereich des Misstrauens. Laut Skala der Studie beginnt dieser bei unter 50 Prozent. „Innovation allein genügt nicht – sie muss auch erklärt und gesellschaftlich verankert werden“, sagt Holger Nacken, Managing Director bei Edelman Smithfield. Genau daran mangele es offenbar, vor allem bei digitalen Akteuren.
Digitale Finanzanbieter im Vertrauenskeller
Besonders deutlich zeigt sich das Misstrauen bei den sogenannten Zukunftstreibern der Branche. Nur 22 Prozent der Befragten in Deutschland schenken Kryptowährungen und digitalen Vermögenswerten ihr Vertrauen. Auch Fintechs und digitale Zahlungsdienstleister kommen mit 33 Prozent kaum besser weg. Damit verfehlen sie deutlich die Schwelle zum Vertrauensbereich, die Edelman bei 60 Prozent verortet. Die Skepsis gegenüber Insurtechs, die ähnliche Mechanismen und Geschäftsmodelle nutzen, dürfte damit ebenso groß sein – auch wenn sie nicht gesondert ausgewiesen sind.
Noch deutlich abgeschlagen ist das Vertrauen in klassische Finanzberatung und Vermögensverwaltung: Gerade einmal 36 Prozent der deutschen Verbraucher halten diese Berufsgruppen für vertrauenswürdig. Auch international betrachtet genießen Finanzberater nur begrenzten Rückhalt – insbesondere bei älteren Menschen ab 55 Jahren.
Klassische Versicherer halten sich – noch
Im Vergleich dazu kommen etablierte Akteure wie Sachversicherer (56 Prozent) und Banken (55 Prozent) zumindest auf neutrale Vertrauenswerte. Lebens- und Krankenversicherer landen mit 52 Prozent ebenfalls in dieser Kategorie, doch auch hier hinkt Deutschland deutlich hinter dem weltweiten Durchschnitt hinterher, der bei 63 Prozent liegt. Für Versicherer, die stark auf Kapitalmarktprodukte und digitale Vertriebswege setzen, ist diese Ausgangslage ein Alarmsignal. Wer Menschen nicht überzeugen kann, verliert sie als Kunden und als Beitragszahler für die kollektive Vorsorge.
Vertrauen bleibt Frage des sozialen Status
Auffällig ist auch die starke Korrelation zwischen wirtschaftlicher Lage und Vertrauen in Finanzakteure. Laut Studie beträgt die Vertrauenslücke zwischen dem einkommensstärksten und -schwächsten Viertel der Befragten weltweit zwölf Prozentpunkte. Diese Kluft spiegelt sich auch in der Akzeptanz für private Altersvorsorgeangebote wider.
„Wenn die Menschen digitalen Angeboten, der Vermögensverwaltung oder Kapitalmarktprodukten nicht vertrauen, verzichten sie auf private Altersvorsorge – mit langfristigen Folgen für die allgemeine Alterssicherung und die soziale Stabilität“, warnt Holger Nacken. Gerade für wirtschaftlich benachteiligte Gruppen sei dieser Vertrauensverlust riskant. Dabei wäre das Vertrauen in moderne Vorsorgemodelle dringend nötig, um auf die Herausforderungen einer alternden Bevölkerung zu reagieren.
Fazit: Vertrauensarbeit statt Produktversprechen
Die Branche steht vor einem doppelten Dilemma: Einerseits fehlen vielen Insurtechs, FinTechs und digitalen Versicherern noch immer die Glaubwürdigkeit, um Vertrauen aufzubauen. Andererseits gelingt es auch traditionellen Anbietern nicht ausreichend, neue Technologien und Vertriebskanäle so zu kommunizieren, dass sie als vertrauenswürdig wahrgenommen werden. Die Studie zeigt damit nicht nur einen Vertrauensbruch – sondern einen Weckruf.