EXKLUSIV

Transformation in der Flottenversicherung

Foto: AFC Auto Fleet Control
Daniele Baldino

Steigende Kosten, neue Mobilitätsformen und wachsende regulatorische Anforderungen setzen Firmenflotten zunehmend unter Druck. Versicherer und Unternehmen suchen nach Wegen, Prämien, Ausfallzeiten und Emissionen dauerhaft zu senken. Kontrollierte Eigentragung und integriertes Risiko- und Schadenmanagement gewinnen dabei an Bedeutung. Von Daniele Baldino.

Unternehmensinterne Versicherer, Vermittler sowie mittelständische Betriebe stehen derzeit vor vielfältigen Herausforderungen. Faktoren wie Inflation, steigende Ausgaben, zunehmende E-Mobilität, Lieferkettenprobleme, Klimawandel und CO₂-Reduktionsziele wirken sich unmittelbar auf Fuhrparks aus. Durch die Übernahme häufig auftretender Schäden in die Eigentragung und durch Reparaturen statt Austausch lassen sich Kosten, Ausfallzeiten und CO₂-Emissionen senken. Voraussetzung hierfür ist jedoch eine strategisch aufgestellte, effiziente Schaden- und Risiko­steuerung im Bereich der Firmenfahrzeuge.

Ausgangssituation aus Sicht der Versicherungsnehmer

Nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sind die Kosten der gewerblichen Fahrzeughaltung in den letzten zehn Jahren jährlich um bis zu vier Prozent gestiegen – insgesamt also um rund 40 Prozent. Ausschlaggebend hierfür sind vor allem lange Standzeiten aufgrund fehlender Ersatzteile sowie stetig steigende Reparaturkosten. Moderne Assistenzsysteme und komplexe Elektronik treiben die Kosten zusätzlich nach oben. Die aktuelle Marktlage – insbesondere das inflationsbedingte Preisniveau – wirkt zudem direkt auf die Höhe der Versicherungsprämien.

Die Perspektive der Versicherer

Für Versicherer gehört die Kfz-Flottenversicherung zu den anspruchsvollsten Geschäftsfeldern. Sie gilt seit Jahren als defizitär und weist eine dauerhaft hohe Schaden-Kosten-Differenz auf. Abgesehen von den pandemiebedingten Sondereffekten 2020 und 2021 liegt die Schaden-Kosten-Quote kontinuierlich über 100 Prozent, was bedeutet, dass die eingesetzten Mittel keinen Ertrag erzielen. Obwohl die Beitragseinnahmen in der Sparte seit Jahren wachsen, steigen die Kosten im gleichen Maße. Gleichzeitig nimmt der Flottenmarkt weiter zu: Die Erstzulassungen im Firmenkundensegment sind um 29 Prozent gestiegen und liegen inzwischen fast auf Niveau des Privatkundenmarktes. Je größer ein Fuhrpark ist, desto schwieriger gestaltet sich für Versicherer meist die wirtschaftlich profitable  Abdeckung.

Zudem führt das veränderte Mobilitätsverhalten zu einer wachsenden Trennung von wirtschaftlichem Eigentümer und Fahrzeugnutzer – neuartige Leasing- und Mietmodelle sind die Folge.

Warum greifen die bisherigen Maßnahmen zur Kostenoptimierung zu kurz?

Derzeit versuchen Versicherer und Unternehmen, die steigenden Schadenkosten durch höhere Prämien oder Bestandsanpassungen zu kompensieren. Ebenso wird versucht, über die Reduzierung von Stundenverrechnungssätzen Einsparungen zu erzielen. Diese Ansätze bewirken jedoch nur kurzfristige Entlastungen. Die strukturellen Herausforderungen – hohe durchschnittliche Schadenkosten, ineffiziente Verwaltungsprozesse und lange Ausfallzeiten – bleiben bestehen. Zudem werden externe Einflussfaktoren wie Inflation, Lieferengpässe oder der Klimawandel kaum berücksichtigt. Für nachhaltige Verbesserungen braucht es daher einen grundlegenden Strategiewechsel.

Welche langfristigen Stellhebel sollten einbezogen werden?

Bei der Analyse der Versicherungsprämien sollten unter anderem folgende Fragen gestellt werden:

● Wie setzt sich der Gesamtaufwand (Total Cost of Risk) zusammen – inklusive Schadenhäufigkeit, Schadenhöhe und administrativen Kosten?

● Welche Kostenfaktoren lassen sich gezielt reduzieren?

● Wie verteilen sich Schadenhäufigkeiten nach Größenklassen?

● Wie hoch ist der Anteil der Frequenzschäden?

● Welche Muster zeigen sich in Bezug auf Fahrer, Standorte, Zeiträume oder Schadenarten?

Aus der Beantwortung dieser Fragen ergeben sich belastbare Erwartungswerte, die als Grundlage für eine neue Risikosteuerung dienen können.

Neue Ansätze zur Kostenoptimierung im Fuhrpark

In vielen Unternehmen – ob Versicherer, Vermittler oder KMU – entsteht ein Umdenken: weg von der Vollkasko-Mentalität und hin zu einer individuellen Risikostrategie. Besonders beliebt sind höhere Selbstbehalte, um Prämien zu reduzieren. Während Großschäden weiterhin beim Versicherer verbleiben, werden häufige, kleinere Schäden zunehmend in der eigenen Bilanz geführt. Wichtig ist dabei, die Prozesskosten zu kontrollieren und auf digitale, effiziente Abläufe zu setzen. Auch die Besonderheiten der Fahrzeugflotte, Schadenarten und bilanziellen Effekte müssen bei der Wahl der passenden Eigentragungsmodelle berücksichtigt werden.

Maßnahmen wie höhere Selbstbehalte oder Schadenrückkäufe reichen jedoch allein nicht aus. Ohne professionelles Schaden- und Risikomanagement werden die Ursachen hoher Reparaturkosten oder häufiger Schäden nicht beseitigt. Nachhaltige Einsparungen entstehen nur durch die Senkung der durchschnittlichen Schadenhöhe und den Abbau administrativer Aufwände.

Praxisbeispiel Glasbruch

Glasbruch zählt mit einem Anteil von acht bis 15 Prozent zu den wichtigsten Kostentreibern im Bereich der Frequenzschäden. Zwar lässt sich die Versicherungsprämie reduzieren, wenn Glasbruch aus der Kaskodeckung herausgenommen wird – ein echter Spareffekt entsteht jedoch nur, wenn diese Schäden effizient organisiert werden und sowohl Schadenhöhe als auch Standzeiten sinken. Ohne strukturiertes Schadenmanagement kommt es lediglich zu einer Verlagerung der Kosten.

Beitrag des Schadenmanagements

Ziel eines modernen Schadenmanagements ist die Beschleunigung der Prozesse und damit die Reduktion von Ausfallzeiten und durchschnittlichen Schadenkosten. Dazu werden klare Abläufe, digitale Schnittstellen und einheitliche Anlaufstellen benötigt, damit Daten, Dokumente und Prozesse jederzeit transparent einsehbar sind.

Besonders relevant sind die sogenannten Drittschäden – also Haftpflichtschäden, die von externen Unfallgegnern verursacht werden. Diese werden in klassischen Versicherungsmodellen häufig nicht ausreichend berücksichtigt, obwohl sie bis zu einem Viertel der Flottenschäden ausmachen können. Durch Reparatur statt Ersatz lassen sich zusätzlich Kosten und bis zu 70 Kilogramm CO₂ pro Schadenfall einsparen.

Beitrag des Risikomanagements

Auch wenn Unternehmen häufige Schäden selbst tragen, lässt sich die Schadenhäufigkeit mit gezieltem Risikomanagement deutlich senken. Gerade im Flottenbereich besteht ein hohes moralisches Risiko („Moral Hazard“), da die Kosten eines Fehlverhaltens nicht den Fahrer selbst treffen. Mit intelligenter Datenanalyse können individuelle Risiko­muster identifiziert und Maßnahmen zur Fahrerschulung oder Fahrzeugnutzung entwickelt werden.

Neben der Kostensenkung verbessert Risikomanagement auch die Sicherheit und Zufriedenheit der Mitarbeitenden.

Vertikales Schaden- und Risikomanagement

Klassischerweise werden Underwriting, Schadenbearbeitung, Risikomanagement und Reparaturprozesse getrennt voneinander behandelt. Dies führt zu Medienbrüchen, redundanten Aufwänden und nicht ausgeschöpften Synergiepotenzialen.

Ein vertikal integrierter Ansatz verbindet diese Bereiche miteinander. Daten werden zusammengeführt, Wechselwirkungen sichtbar gemacht und Prozesse durchgängig optimiert. Dies ermöglicht eine verlässliche Risikokalkulation, senkt die Schadenquote sowie die Standzeiten und entlastet gleichzeitig die Verantwortlichen im Fuhrpark. Durch diese integrierte Steuerung lassen sich Kosten im Fuhrpark um 20 bis 30 Prozent reduzieren – zusätzlich profitieren Unternehmen von höherer Fahrersicherheit und einer stabileren, zukunftsfähigen Flottenstruktur.

Daniele Baldino ist Schaden- und Versicherungsexperte mit mehr als 20 Jahren Erfahrung. Seit 2021 ist er Geschäftsführer von Auto Fleet Control (AFC) in Hamburg.

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