In welchen Kfz-Segmenten gibt es aktuell noch klare Preis-/Leistungsunterschiede zwischen Anbietern – also echte Wechselchancen für Makler – und wo ist der Markt weitgehend gleich teuer?
Zwack: Der Wettbewerb in der Kfz-Versicherung bleibt zweigeteilt. Während im Massengeschäft der Privatkunden, insbesondere in der Haftpflicht sowie in der Teil- und Vollkasko für gängige Kompakt- und Mittelklassefahrzeuge, die Preise stark nivelliert sind, zeigen andere Segmente weiterhin deutliche Spreizungen. Standardtarife ähneln sich in Leistungen wie hohen Deckungssummen, grober Fahrlässigkeit oder Mallorca-Police, und Vergleichsportale wie etwa Check24 sorgen dafür, dass Abweichungen meist im moderaten Bereich bleiben. Die echten Unterschiede verlagern sich zunehmend auf Service- und Prozessqualität. Klare Preis- und Leistungsunterschiede hingegen finden sich vor allem dort, wo besondere Risiken oder spezielle Nutzungsszenarien vorliegen. Junge Fahrer, Zweitwagenmodelle, Elektrofahrzeuge und gewerbliche Flotten weisen nach wie vor deutlich unterschiedliche Prämienstrukturen auf. Telematik-Tarife verstärken die Spanne zusätzlich, da Anbieter Rabatte zwischen wenigen Prozentpunkten und bis zu 30 Prozent gewähren oder entsprechende Produkte gar nicht anbieten. Auch Zusatzbausteine wie Rabattschutz, Schutzbrief, GAP-Deckung oder Werkstattbindung sind kaum standardisiert und unterscheiden sich spürbar in Preis und Leistungsumfang. Denkt man über die Anschaffung eines hochmotorisierten Sportwagens nach, wird man sehr viele Versicherer identifizieren, die dieses Risiko gar nicht mehr versichern. Damit zeigt sich ein Markt, der im Kern zwar homogen wirkt, zugleich aber hochgradig differenzierte Nischen entwickelt. Für Versicherer bedeutet das: Kosteneffizienz und Automatisierung im Standardgeschäft sind Pflicht. Eine echte Differenzierung entsteht vor allem über datenbasierte Tarifierung, zielgruppenspezifische Angebote und integrierte Servicekonzepte.
Sehen Sie im Neugeschäft eine strengere Annahmepolitik, zum Beispiel bei jungen Fahrern, bestimmten Regionen oder Fahrzeuggruppen? Und welche Risiken sind für Makler schwerer bzw. nur mit höheren Selbstbeteiligungen oder Werkstattbindung platzierbar?
Zwack: Der Kfz-Versicherungsmarkt zeigt zunehmend Anzeichen einer verschärften Annahmepolitik. Besonders im Neugeschäft achten viele Versicherer stärker darauf, welche Risiken sie übernehmen. Ein Trend, der durch steigende Schadenkosten, teure Reparaturen moderner Fahrzeuge und hohen Wettbewerbsdruck begünstigt wird. Auffällig restriktiv agieren Anbieter vor allem bei jungen Fahrern, die aufgrund deutlich höherer Unfallraten mit spürbaren Zuschlägen, höheren Selbstbeteiligungen oder eingeschränkten Tarifvarianten rechnen müssen. Auch bestimmte Regionen mit hohen Schadenquoten sowie leistungsstarke oder hochpreisige Fahrzeuge führen häufig zu strengeren Annahmebedingungen. Zunehmend kritisch bewerten Versicherer zudem Elektrofahrzeuge: Teure Akkus, komplexe Reparaturen und spezielle Schadenbilder machen das Underwriting anspruchsvoller. Im gewerblichen Bereich, etwa bei Lieferdiensten, Taxis oder Vielfahrerflotten, führen intensive Nutzung und überdurchschnittliche Schadenhäufigkeit ebenfalls zu engeren Vorgaben. Generell gilt: Schwierige Risiken werden heute seltener pauschal abgelehnt, aber deutlich gezielter gesteuert. Werkstattbindung, höhere Selbstbehalte oder reduzierte Leistungsumfänge dienen als Instrumente, um Kosten zu kontrollieren und Risiken kalkulierbarer zu machen. Damit entwickelt sich der Markt weg vom uniformen Massentarif hin zu stärker differenzierten Produktwelten, in denen die Risikoselektion wieder an Bedeutung gewinnt.
Wie sollten Makler typklassenbedingte Beitragsänderungen am besten erklären – obwohl sich am Fahrverhalten nichts geändert hat?
Zwack: Die Typklasse ergibt sich aus bundesweiten Schaden- und Unfallstatistiken für genau ein Fahrzeugmodell (Marke, Modell, Motorisierung). Wenn also viele Fahrer eines Modells teure Schäden verursachen, etwa weil Ersatzteile teurer wurden, Diebstahlzahlen gestiegen sind oder Unfälle zugenommen haben, steigt die Typklasse für alle Halter dieses Modells. Dabei ist wichtig, der Kunde wird nicht individuell bewertet, sondern ist Teil eines Modells, dessen Gesamtrisiko sich verschoben hat. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat vor Kurzem seine aktuelle Typklassenstatistik 2026 für rund 33.000 Automodelle veröffentlicht. Für das kommende Jahr hat der Verband für rund 5,9 Millionen Autofahrende höhere Einstufungen in der Kfz-Haftpflicht-Versicherung berechnet, für rund 4,5 Millionen niedrigere Typklassen. Für rund 32 Millionen beziehungsweise rund 75 Prozent der Autofahrenden bleibt es bei der Typklasse des Vorjahres. Wenn man auf die Seiten der Automobilhersteller blickt, muss man übrigens schon sehr lange suchen, um die Typklasse, etwa für ein Neufahrzeug, zu finden. Makler sollten typklassenbedingte Beitragsänderungen idealerweise so erklären, dass klar wird: Die Ursache liegt in der bundesweiten Schadenbilanz des Fahrzeugtyps, nicht im Verhalten des individuellen Kunden.
„Liebe Frau Müller, Ihre persönliche Fahrweise hat sich nicht geändert, die Typklasse ist kein persönliches Urteil über Sie, sondern ein Durchschnittswert aller Fahrer Ihres Fahrzeugmodells in Deutschland. Lassen Sie uns gemeinsam überlegen, wie wir ihre Prämie doch noch etwas reduzieren können…“.
Wenn Preise enger zusammenrücken: Welche Service- und Prozessfaktoren sollten Makler stärker gewichten?
Zwack: Wenn sich die Preise im Kfz-Versicherungsmarkt angleichen, verschiebt sich die Differenzierung fast zwangsläufig auf Service- und Prozessfaktoren. Versicherungsnehmer wechseln die Kfz-Versicherung überdurchschnittlich häufig. Und die Wahrnehmung von Service entscheidet zunehmend über Bindung und Abschluss. Folgende Service- und Prozessfaktoren sind dabei besonders entscheidend:
- Schnelligkeit und Fairness in der Schadenbearbeitung: Schaden ist der „Moment of Truth“. Eine exzellente Servicequalität und schnelle Regulierung prägt die Weiterempfehlung mehr als alle Versicherungsbedingungen zusammen.
- Transparenz und Klarheit für den Kunden sind Merkmale, auf die der Makler einen großen Einfluss hat. Habe ich als Versicherungsnehmer ein gutes Gefühl und glaube gut informiert und beraten zu sein?
- Die digitale Anbindung an den Versicherer spielt ebenfalls eine große Rolle. Viele Apps bieten oftmals Funktionen, die Kunden theoretisch gut finden, aber praktisch kaum nutzen. Entscheidend ist ein effizientes und einfaches Kundenerlebnis.
- Wenn Prämien sich angleichen, gewinnt Individualisierung an Wert. Warum den Kunden durch gut durchdachte Telematiktarife nicht belohnen?
- Kunden erwarten zunehmend mehr als nur Versicherung. Ein Abschlepp- und Pannenservice aus einer Hand, auch ohne einen Versicherungsfall, die Zusammenarbeit mit Autohäusern, Wartungserinnerungen, Reifenwechsel oder Batteriecheck (E-Autos) können zukünftig auch direkt vom Versicherer kommen.
Die Fragen stellte Kim Brodtmann, Cash.














