Eine effektive Indexnachbildung ist keine „passive” Aufgabe, sondern vielmehr die disziplinierte Anwendung von Portfoliomanagement-Know-how.
Der globale Markt für börsengehandelte Fonds (ETFs) war selten so dynamisch wie heute. Allein in den USA wurden in der ersten Hälfte des Jahres 2025 fast 500 neue ETFs aufgelegt, deren Volumen eine halbe Billion Dollar überstieg. Aktive Strategien mögen zwar die Schlagzeilen beherrschen, aber indexbasierte ETFs bleiben weltweit das Fundament von Portfolios. Und doch halten sich Vorurteile hartnäckig. Viele glauben immer noch, „passiv” bedeute automatisch und ohne Aufwand. Aber ist die Nachbildung eines Index wirklich so einfach, wie es scheint?
In Europa wurden in diesem Jahr mindestens 220 neue ETFs auf den Markt gebracht, die in den ersten sechs Monaten ebenfalls bemerkenswerte Zuflüsse von rund 182 Milliarden US-Dollar verzeichneten, während Asien mit 383 Auflegungen rund 40 Milliarden US-Dollar einnahm.[1] Bemerkenswert ist, dass die in europäische ETFs investierten Vermögenswerte Ende Juni 2025 mit 2,74 Billionen US-Dollar einen neuen Höchststand erreichten und damit den bisherigen Rekord von 2,61 Billionen US-Dollar aus dem Mai übertrafen.[2]
Anhaltendes Wachstum und Marktdynamik
Das Ausmaß der ETF-Zuflüsse unterstreicht ihre zentrale Rolle sowohl in institutionellen als auch in Privatanlegerportfolios. Ende Juni beliefen sich die weltweiten Zuflüsse für 2025 auf fast 780 Milliarden US-Dollar.[3] Innerhalb dieses Wachstums in den USA flossen etwa 63 % der Zuflüsse in indexbasierte Strategien, davon 8 % in nicht nach Marktkapitalisierung gewichtete Ansätze.[4] Aktiv verwaltete ETFs erzielten rund 37 % der Nettomittelzuflüsse, was die steigende Nachfrage nach taktischen Lösungen neben Kernengagements widerspiegelt.[5]

Diese Zahlen zeigen, dass ETFs die alte Trennung zwischen „aktiv“ und „passiv“ überwunden haben. Die Branche umfasst heute ein breites Spektrum an Strategien, die sowohl langfristige Allokationen als auch gezieltere, ergebnisorientierte Ansätze unterstützen. Während aktiv verwaltete ETFs viel Aufmerksamkeit erhalten, entwickeln sich indexbasierte Strategien weiter und dominieren nach wie vor den Aufbau von Portfolios. Über 90 % der weltweit verwalteten ETF-Vermögenswerte entfallen auf indexbasierte Strategien. Trotz dieser Bedeutung wird das Portfoliomanagement indexbasierter ETFs häufig fälschlicherweise als automatisiert oder gar „hands-off“ bezeichnet. Diese Wahrnehmung verschleiert die Disziplin, Präzision und ständige fachkundige Überwachung, die für eine effektive Verwaltung erforderlich sind.
Innovation bei indexbasierten Ansätzen
Indexbasierte ETFs haben sich weit über traditionelle marktkapitalisierungsgewichtete Benchmarks hinaus entwickelt. Sie nutzen zunehmend auch nicht-traditionelle und granularere Datenquellen wie Lieferkettenkennzahlen, natürliche Sprachmodelle, Satellitenbilder und Umsatzaufschlüsselungen, um gezielte Anlagethemen zu erfassen.
Faktorbasierte Strategien , die in der akademischen und praktischen Investmentdiskussion seit langem etabliert sind, erleben derzeit eine Renaissance. Durch die Einbeziehung von einzelnen oder mehreren Faktoren wie Qualität, Wert, Momentum oder Volatilität bieten diese Instrumente Anlegern unserer Meinung nach ausgefeilte Werkzeuge für die Portfoliodiversifizierung. In Zeiten erhöhter Marktstreuung und Volatilität können solche Ansätze einen Mechanismus zur präzisen Anpassung der Engagements bieten.
Operative Disziplin
Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass die Nachbildung eines Index nur minimale Überwachung erfordert. In der Praxis erfordert die Aufrechterhaltung der Ausrichtung an einer Benchmark jedoch strenge Prozesse und kontinuierliche Entscheidungen. Indizes werden regelmäßig neu gewichtet und innerhalb eines Zeitraums angepasst, um Veränderungen in Ländern, Sektoren, Liquiditäten und Unternehmensereignissen Rechnung zu tragen. Portfoliomanager müssen auf Fusionen, Übernahmen, Börsengänge, Ausgliederungen und Delistings mit zeitnahen Anpassungen reagieren, um die Abbildungsgenauigkeit zu gewährleisten.
Zusätzliche Komplexität entsteht durch Dividendenreinvestitionen, Währungsschwankungen an den globalen Märkten und unterschiedliche Handelszeiten. Bei ETFs mit abgesicherten Anteilsklassen müssen Wechselkursrisiken dynamisch gesteuert werden. Das Cash-Management – sei es im Zusammenhang mit Neugewichtungen, Zeichnungen oder Rücknahmen – erfordert eine sorgfältige Ausführung, um Marktauswirkungen und Tracking Error zu minimieren.
Diese täglichen Entscheidungen sind zwar einzeln betrachtet geringfügig, haben aber in ihrer Gesamtheit einen erheblichen Einfluss auf die langfristige Performance. Eine effektive Indexnachbildung ist daher keine „passive” Aufgabe, sondern vielmehr die disziplinierte Anwendung von Portfoliomanagement-Know-how.
Tracking Error
Der Tracking Error, definiert als die Standardabweichung der Überrendite zwischen einem ETF und seiner Benchmark, bleibt ein wichtiger Maßstab für die Performance indexbasierter ETFs. Er kann durch Transaktionskosten, Kostenquoten, Replikationsstrategien, Cash Drag oder Implementierungsbeschränkungen entstehen. Um diese Abweichungen zu minimieren, sind die Integration fortschrittlicher Handelsstrategien, ein Verständnis der Indexmethodiken und eine kontinuierliche Performanceüberwachung erforderlich. Mit diesen Maßnahmen versuchen Portfoliomanager, die Integrität der Benchmark-Ausrichtung zu wahren, um sicherzustellen, dass Anleger die Ergebnisse erzielen, die sie von indexbasierten ETFs erwarten.
Dennoch können die Ergebnisse variieren. Nicht alle Index-ETFs bilden den Index so genau ab, wie sie sollten. Deshalb sind wir der Meinung, dass Anleger hinter die Kulissen schauen müssen. Unabhängig davon, ob ein Fonds indexiert oder aktiv ist, kommt es letztlich auf die Performance an.
Vorteile für Anleger
Die strukturellen Vorteile indexbasierter ETFs finden bei Anlegern aller Segmente weiterhin Anklang. Diese Vehikel bieten Diversifizierung, indem sie mit einem einzigen Instrument ein Engagement in Hunderten oder sogar Tausenden von Wertpapieren ermöglichen. Ihre Kosteneffizienz, die durch niedrigere Verwaltungsgebühren unterstützt wird, summiert sich im Laufe der Zeit und verbessert die langfristigen Ergebnisse.
Transparenz und potenzielle Steuervorteile sind weitere wichtige Vorteile. ETFs werden den ganzen Tag über an Börsen gehandelt, und die Bestände werden täglich offengelegt, was Anlegern ein Maß an Transparenz bietet, das bei traditionellen Investmentfondsstrukturen in der Regel nicht gegeben ist. Darüber hinaus ermöglicht die Intraday-Liquidität flexible Portfolioanpassungen, während die Breite der verfügbaren Engagements eine präzise Ausrichtung nach Ländern, Sektoren oder Themen ermöglicht. In Märkten wie den USA sind ETFs so strukturiert, dass sie dazu beitragen können, Kapitalertragsausschüttungen zu minimieren, was Anlegern, die diesen Vorschriften unterliegen, zusätzliche Steuervorteile bietet.
Darüber hinaus erleichtern indexierte ETFs die Erfassung von Marktstreuungen. Zwar bieten sie einen breiten Marktzugang, ermöglichen es Anlegern jedoch auch, sich selektiv auf Länder, Branchen oder Themen zu konzentrieren, die günstige Fundamentaldaten oder Bewertungsmerkmale aufweisen.
Passiv als Disziplin, nicht als Untätigkeit
Indexbasiertes Investieren ist in der Tat eine Übung in Disziplin, systematischer Überwachung und operativer Strenge. Hinter jedem indexierten ETF steht ein Team, das dafür sorgt, dass die Benchmarks eingehalten werden, die Cashflows verwaltet werden, die Trades strategisch ausgeführt werden und Abweichungen minimiert werden.
Da die Innovation im Bereich der Strategieentwicklung weltweit zunimmt und deren Umsetzung immer schneller voranschreitet, bilden indexbasierte ETFs weiterhin die Grundlage für den Aufbau moderner Portfolios.
Autorin Dina Ting ist Leiterin Global Index Portfolio Management Franklin Templeton ETF.
[1] Quelle: Ebenda.
[2] Quelle: ETFGI Research, 11. Juli 2025
[3] Quelle: Morningstar Direct, Stand: 30. Juni 2025
[4] Quelle: Ebenda.
[5] Quelle: Ebenda.