„Auch wenn der Blick in die Glaskugel immer mit Gefahren verbunden ist, ist er hier doch zu wagen“, sagt Benjamin Bente, Geschäftsführer der Vates Invest GmbH. „Der weitere Ablauf wird einem klassischen Drehbuch folgen, wie es aus Tarif- und anderen Verhandlungen bekannt ist.“ Auf Konflikt folgt Eskalation, auf Eskalation Panik, auf Panik Druck und auf den Druck eine Einigung, die beide Seiten als Gewinn verkaufen können.
„Derzeit wird die Konfliktphase zelebriert mit markigen Worten auf beiden Seiten“, sagt Bente. „Die Europäer versuchen, noch Stärke zu zeigen und Trump zu widerstehen.“ Das wird auch bis zum 1. August so bleiben, eine Einigung bis zu diesem Datum wird nicht geschafft werden. Danach setzen die USA die Zölle in Kraft, die Europäer reagieren mit Gegenzöllen. „Begleitet von Durchhalteparolen wird die Eskalation auch verbal vorangetrieben, was die Märkte in einige Unruhe versetzen mag“, so Bente.
Die Unruhe kann sich bis zur Panik steigern, allerdings nur für kurze Zeit. „Es hat niemand ein Interesse daran, sich wochenlang über Zölle zu beharken“, sagt Bente. „Denn dann würden sich die Effekte tatsächlich in die Wirtschaft fressen, es käme zu echten Schäden.“ Weshalb bereits nach einigen Tagen der Druck vonseiten der europäischen Exportwirtschaft wie von den Märkten steigt. „Auch der ein oder andere Verhandler wird diesen Druck spüren“, so Bente. Doch von ein paar Tagen mit hohen Zöllen bricht die Wirtschaft nicht zusammen, im Gegenteil freuen sich vielleicht beide Seiten an einem kurzen, warmen Geldregen.
Nach dem Druck kommt die Einigung, die EU-Kommission wird einige Zugeständnisse machen. „Während die USA die generellen Tarife wieder etwas senken, werden die Europäer auf Digitalsteuern und Ähnliches verzichten“, sagt Bente. „Das Zollniveau wird höher liegen als zuvor, was Trump als Erfolg verkaufen kann.“ Und es ist auch ein tatsächlicher ökonomischer Erfolg, denn der höhere Basiszoll wird viel Geld in die US-Staatskassen spülen. „Er wird auch das eigentliche Ziel der Zölle befördern, die heimische Wirtschaft der USA zu stärken.“
Die Zölle werden nicht so hoch sein, dass sie den Handel abwürgen. „Aber je nach Wettbewerbssituation in den einzelnen Sektoren werden die Unternehmen die Zölle mehr oder weniger gut auf die Abnehmer abwälzen können“, sagt Bente. „In Sektoren mit hoher Wettbewerbsintensität wird es die Europäer durchaus treffen und ihre Margen angreifen.“ Oder gleich ganz dafür sorgen, dass einzelne Unternehmen entweder mit Werken in die USA gehen oder das Land gar nicht mehr beliefern.
Dort, wo die Unternehmen über Preissetzungsmacht verfügen, wird die Überwälzung auf die US-Seite gelingen. „Hier bezahlen dann die Kunden, private wie gewerbliche, die Zölle, eine Art aus der Inflation geschaffene Steuer“, so Bente. Für die USA ist die Situation derzeit sehr vorteilhaft. Die Zahlen zeigen, dass Rekordeinnahmen aus den Zöllen in die Kassen fließen. „Jetzt muss sichergestellt werden, dass die Zölle nicht zusätzlich auf Wirtschaft und Verbrauchern lasten, sondern dass sie etwa über Steuererleichterungen auch weitergegeben werden“, sagt Bente. „Erfolgt dies nicht, käme es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Rezession, deren Steuerausfälle die Mehreinnahmen durch Zölle überkompensieren.“ Doch das ist bisher allen Unkenrufen zum Trotz nicht der Fall.
Deshalb sagt die Glaskugel: Die Einigung im Zollstreit wird nicht zum 1. August kommen, sondern ein paar Tage später. Die Märkte werden ein wenig Achterbahn fahren, sich aber schnell und kräftig erholen. Die US-Märkte werden dabei stärker profitieren, da die europäischen bereits im ersten Quartal deutlich besser gelaufen waren. „Und insgesamt wird das enorme Handelsbilanzdefizit der Vergangenheit etwas abgeschmolzen. Das wird niemandem wehtun, aber die US-Wirtschaft stärken“, sagt Bente. „In der Glaskugel stehen deshalb gute Zeiten für die US-Märkte.“