Am 15. Dezember rutschte der Bitcoin-Kurs erneut unter die Marke von 87.000 US-Dollar. Auslöser war weniger ein breiter Abverkauf, als vielmehr ein Verhalten einer bestimmten Gruppe von Bitcoin-Haltern, das ein bereits bekanntes Muster darstellt: Einige große Investoren – im Krypto-Jargon als „Whales“ bekannt – reduzieren ihre Positionen, was spürbare Folgen für die kurzfristige Preisentwicklung mit sich bringt. Zugleich nutzen kleinere Marktteilnehmer den Rücksetzer als Kaufgelegenheit.
Daten zur Orderflow-Analyse von Hyblock Capital zeigen diese Divergenz zwischen den verschiedenen Marktgruppen deutlich[1]: Retail-Investoren mit Wallet-Größen bis 10.000 Dollar akkumulierten in den vergangenen Tagen, konkret seit 3. Dezember, netto Bitcoin im Gegenwert von rund 169 Millionen Dollar. Auch sogenannte Mid-Sized-Holder – Wallets zwischen 1.000 und 100.000 Dollar – bauten ihre Spot-Positionen aus und kauften für rund 305 Millionen Dollar zu.
Ganz anders das Verhalten der „Whales“: Wallets mit Volumina zwischen 100.000 und 10 Millionen Dollar verzeichneten ein negatives kumuliertes Volumen-Delta von rund 2,78 Milliarden Dollar. Die Verkaufsaktivität der Whales überstieg die Kaufkraft kleinerer Marktteilnehmer unschwer erkennbar deutlich – ein klassisches Liquiditätsungleichgewicht, das den Abwärtsdruck verstärkte.
Onchain-Stress ohne klares Umkehrsignal
Entscheidend für das Verstehen der aktuellen Bitcoin-Entwicklung ist jedoch nicht nur die Größe einzelner Positionen, sondern wie lange Bitcoin-Besitzer ihre Bestände schon halten: Laut dem Blockchain-Analysten Axel Adler Jr. ist der sogenannte Spent Output Profit Ratio (SOPR) der kurzfristigen Halter – gemessen als gleitender Sieben-Tage-Durchschnitt – unter die Marke von 1 gefallen und notiert aktuell bei etwa 0,99.[2]Vereinfacht bedeutet das: Coins, die weniger als 155 Tage gehalten wurden, werden im Durchschnitt mit Verlust verkauft. Der Wert von 155 Tagen ist hier kein Zufallswert, sondern markiert statistisch die Schwelle zwischen Kurz- und Langzeithaltern.
Historisch treten SOPR-Werte knapp unter 1 häufig in fortgeschrittenen Phasen von Abverkäufen auf – also dort, wo Verkaufsdruck bereits realisierte Verluste voraussetzt. Allein daraus lässt sich jedoch keine Bodenbildung ableiten. Erst eine Rückkehr des SOPR über die Marke von 1 würde signalisieren, dass neue Nachfrage den Verkaufsdruck absorbiert – und es wieder nachhaltig bergauf gehen könnte.
Ein Lichtblick: Institutionelle Nachfrage überholt neues Angebot
Gleichzeitig mehren sich jedoch strukturelle Lichtblicke – insbesondere auf institutioneller Ebene. Neue Daten[3] des quantitativen Krypto-Fonds Capriole Investments zeigen, dass institutionelle Investoren seit drei Tagen erstmals wieder mehr Bitcoin kaufen, als durch Mining neu auf den Markt kommen.
Damit verzeichnen die Märkte zum ersten Mal seit Anfang November eine Phase, in der allein die institutionelle Nachfrage zu einer netto sinkenden verfügbaren Bitcoin-Menge führt. Zwar bleibt das Volumen überschaubar: Aktuell liegt die institutionelle Nachfrage etwa 13 Prozent über der täglich neu geminten Menge. Dennoch markiert diese Entwicklung einen klaren Stimmungswechsel.
Eine Aufschlüsselung von Bitcoin-Käufen im Vergleich zu neu geschaffenen Bitcoin: Die untere Grafik zeigt einen Überschuss (rot) oder einen Mangel (grün) an neu geschaffenen Bitcoin im Vergleich zu den gekauften. (Credit: Capriole Investments)
Capriole-Gründer Charles Edwards ordnet die jüngsten Wochen als Phase hoher Belastung für viele Marktteilnehmer ein – auch für Unternehmen, die Bitcoin als Teil ihrer Treasury-Strategie halten. Besonders im Fokus steht dabei Strategy, das trotz fallender Kurse und schwächerer Aktienperformance weiter Bitcoin akkumuliert.
Ausblick: Warum 2026 entscheidend werden könnte
Mit Blick nach vorne richtet sich der Fokus vieler Marktbeobachter und überzeugter Bitcoin-Investoren weniger auf die kommenden Wochen als auf das Jahr 2026. Entscheidend dürfte dabei vor allem die strukturelle Liquidität sein, die dem Markt zur Verfügung steht. Dazu zählen nicht nur Bitcoin-ETFs in den USA, sondern auch der zunehmende Zugang institutioneller Investoren über regulierte Produkte, Digital Asset Treasuries und langfristige Allokationsstrategien.
Sollte sich die institutionelle Nachfrage weiter verstetigen – insbesondere in Phasen, in denen sie das neu entstehende Angebot übersteigt – könnte sich das Kräfteverhältnis am Markt nachhaltig verschieben. Kurzfristige Volatilität und weitere Rücksetzer wären damit nicht ausgeschlossen, würden aber zunehmend auf ein Fundament treffen, das stärker von langfristigem Kapital getragen wird.
Wann sich dieser Effekt mit Nachdruck entfaltet, bleibt offen. Klar ist jedoch: Der aktuelle Rückgang auf 87.000 Dollar erzählt weniger die Geschichte eines fallendes Marktes – als die eines Marktes, der sich neu sortiert.
Autor Darius Moukhtarzade ist Research Strategist des Krypto-ETP-Emittenten 21shares.
Weitere Informationen zu den aktuellen Krypto-Entwicklungen finden Sie in den aktuellen Research Insights von 21shares.
[1] https://cointelegraph.com/news/bitcoin-slips-below-86k-as-2-78b-whale-selling-overwhelms-dip-buyers
[2] https://axeladlerjr.com/short-term-holder-capitulation-sopr-signals-local-stress/
[3] https://cointelegraph.com/news/bitcoin-institutional-buys-flip-new-supply-for-first-time-in-6-weeks














