Weitere Belastungen für die Kryptomärkte sind absehbar

Krypto-Assets befinden sich derzeit fest in Bärenhand. Zudem werfen namhafte Ausfälle die Frage auf, ob das Schlimmste bereits hinter uns liegt.

Ein Vergleich, was derzeit in der Welt der digitalen Vermögenswerte geschieht, mit der Kreditkrise von 2008 ist in mancherlei Hinsicht nachvollziehbar. Fragen bezüglich Hebelwirkung, undurchsichtigster Strukturen hypothekarisch besicherter Wertpapiere oder welche Banken am meisten gefährdet sind, verunsicherten 2008 den Markt. Rückblickend erscheinen die Zusammenhänge und Hintergründe transparent. Doch mit Kriseneintritt waren die Verhältnisse schwer zu bewerten.

Kryptoanlagen befinden sich heute in einer vergleichbaren Situation. Die Blockchain liefert viele Details, mit nach wie vor nicht quantifizierbaren Risiken außerhalb des Ökosystems. Was wir wissen, ist, dass es in jedem Bärenmarkt Opfer gibt. Im Folgenden wollen wir analysieren, wo aktuell die größten Systemrisiken zu finden sind.

Stablecoins auf dem Prüfstand

Wir haben den Zusammenbruch des UST am Stablecoin-Markt miterlebt. Aktuell stehen weitere Stablecoins auf dem Prüfstand. Hier beobachten wir, dass weiterhin eine Reihe von Short-Positionen gehalten werden. Tether ist dabei besonders betroffen, auch wenn wir für diese Währung einen Zusammenbruch für sehr unwahrscheinlich halten. Bei dem Total Value Locked (TVL), dem Betrag der in einem dezentralen Finanzprotokoll (DeFi) hinterlegten Nutzergelder, beobachteten wir einen dramatischen Abfall von 250 Mrd. US-Dollar auf 71 Mrd. US-Dollar, was auf Stress im dezentralen Finanzwesen hindeutet. Auch wenn ein Großteil davon auf den Kursverfall und nicht auf die Zahlungsausfälle zurück zuführen sein dürfte. Rechnet man den Kurseffekt heraus, zeigt sich, dass DeFi TVL seit Anfang des Jahres bemerkenswert robust geblieben ist.

Probleme mit Krypto-Börsen?

Einige Krypto-Marktteilnehmer haben die Auszahlungen von Vermögenswerten ausgesetzt, vor allem Celsius und Voyager, was den Druck verdeutlicht, der zunehmend erkennbar wird. Wir sind der Meinung, dass dieser Druck auf den aus unserer Sicht überfüllten Markt für Kryptohandelsplätze übergreifen wird, in dem fast 300 Börsen aktiv sind, von denen 100 laut Coinmarketcap-Daten mehr als 50 Millionen US-Dollar pro Tag handeln. Da es sich um einen derart überfüllten Markt handelt und die Börsen bis zu einem gewissen Grad auf Skaleneffekte angewiesen sind, wird das aktuelle Umfeld wahrscheinlich weitere Opfer hervorbringen. Nur sehr wenige Börsen haben in letzter Zeit einen Volumensanstieg verzeichnet. Von den 12 größten Börsen haben nur FTX, Kraken und Binance laut Kaiko-Daten ein steigendes Bitcoin-Spotvolumen.

Die Volumina auf dem Bitcoin-Spotmarkt betrugen im Jahr 2021 durchschnittlich 10 Mrd. US-Dollar pro Tag, sind aber seitdem auf durchschnittlich 2,5 Mrd. US-Dollar im Jahr 2022 gesunken. Während die gesamte Branche mit härteren Handelsbedingungen konfrontiert ist, sind diejenigen Börsen, die einen geringen Marktanteil haben und einen starken Rückgang der Volumina verzeichnen, besonders anfällig.

Mining – die Bereinigungsphase im Zyklus

Ein weiterer Sektor, der erste Anzeichen von Stress zeigt, ist der Mining-Sektor. Die Bitcoin-Hash-Leistung erreichte im April 2022 mit 247 EH/s ihren Höchststand und ist nun um 20 Prozent auf 199 EH/s gesunken, was zeigt, dass einige Miner in diesem schwachen Preisumfeld beginnen, ihre Mining-Rigs, ihre elektronischen Datenverarbeitungsanlagen für die Errechnung von Hashwerten, abzuschalten.

Es gab auch Beispiele für Fälle von potenziellem Stress, in denen Miner einen Teil ihrer Bestände verkaufen. Der Bitcoin-Mining-Markt lässt sich durch verschiedene Perioden von Kombinationen zwischen der Entwicklung der Hash-Rate und des Bitcoin-Preises charakterisieren. Vier unterschiedliche Perioden lassen sich als Kombinationen von Bitcoin-Preisentwicklung und Hashrate definieren: 1) Mining Goldrausch: hohe Preiswachstumsrate, stetig steigende Hashrate; 2) Hardware-Boom: Preis sinkt, Hashraten-Wachstumsrate steigt weiter an; 3) Bereinigung: Preis sinkt weiter, Hash-Rate fällt; 4) Neugewichtung: Preis übersteigt stetig die Wachstumsrate der Hashrate. Diese vier Phasen sind für die Bitcoin-Börsen von Bedeutung, da sie sich auf die Art und Weise auswirken, wie die Miner die Coins, die sie durch die Blockbelohnung verdienen, entweder verkaufen oder behalten.

Wir sind der Meinung, dass wir uns in der frühen Bereinigungsphase befinden, in der sowohl der Preis als auch die Hash-Rate weiter sinken. In der Vergangenheit waren diese Perioden die kürzesten im Zyklus.

Die durchschnittlichen Produktionskosten sind bei den Minern sehr unterschiedlich, so dass diejenigen mit den höchsten Kosten und den schwächsten Bilanzen am stärksten betroffen sein werden. Die oft diskutierten Produktionskosten verschleiern die Gesamtkosten, wobei auch die Kosten für den Schuldendienst berücksichtigt werden müssen. Die Kosten für den Schuldendienst sind zwar schwer zu ermitteln, dürften aber einige dazu veranlassen, ihre Mining-Anlagen abzuschalten.

Mehrere neu gegründete Mining-Unternehmen haben in der zweiten Jahreshälfte 2021 Kapital aufgenommen und dieses in den Erwerb von Mining-Hardware investiert, die in einigen Fällen noch gar nicht geliefert oder gar betriebsbereit sind. Der Erwerb von Mining-Hardware Ende letzten Jahres wäre mit Kosten in Höhe von 85 US-Dollar pro Sekunde verbunden gewesen, während Mining-Hardware heute 35 US-Dollar pro Sekunde kostet. Dies deutet darauf hin, dass die Mining-Industrie noch weiter leiden dürfte, was unserer Zyklusthese entsprechen würde.

Bitcoin – weiter unter Druck

Bitcoin wird zunehmend als zinssensibler Vermögenswert angesehen, und die aggressiven Maßnahmen der US-Notenbank (FED) könnten durchaus der Auslöser für den jüngsten Kursrückgang gewesen sein, aber eine Korrektur war notwendig, um irrationale Übertreibungen zu beseitigen.

Wir glauben nicht, dass die Marktturbulenzen vorüber sind. Eine Kombination aus einer weiterhin aggressiven FED und absehbare Störungen im Börsen- und Miningsektor könnte die Preise kurzfristig weiter unter Druck setzen. Das richtige Timing ist immer schwierig, aber für längerfristig orientierte Anleger bieten die aktuellen Kurse einen attraktiven Einstiegszeitpunkt.

Autor James Butterfill ist Head of Research bei CoinShares.

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