Zentrale europäische Finanzaufsicht: „Wir brauchen keine weitere Behörde, sondern eine bessere Zusammenarbeit“

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Thomas Richter, BVI

Die EU-Kommission will die Finanzaufsicht vereinheitlichen – und denkt über eine zentrale Aufsichtsbehörde nach, die künftig große Marktteilnehmer direkt überwachen könnte. Diese Aufgabe soll die EU-Behörde ESMA übernehmen. Das klingt nach weniger Bürokratie und mehr Harmonisierung in der EU. Doch ist das wirklich so? Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des deutschen Fondsverbands BVI, meint, eine zentralisierte Aufsicht für Assetmanager schafft mehr Probleme, als sie löst.

Herr Richter, woher kommt die aktuelle Diskussion über eine zentrale Finanzaufsicht auf EU-Ebene?
Richter: Die Initiative kommt aus Frankreich – zufällig dem Sitz der ESMA. Die EU-Kommission hat diese Idee aufgegriffen und will durch eine zentrale Aufsichtsbehörde einen EU-Kapitalmarkt quasi „herbeiregulieren“. Ich bin skeptisch, ob das funktioniert. Eine zentrale Aufsicht schafft keinen gemeinsamen Markt. Auch habe ich noch keinen Vorschlag für eine Zentralisierung der Versicherungsaufsicht unter der EIOPA gehört, die in Frankfurt sitzt. Wenn wir einen europäischen Kapitalmarkt wollen, müssen wir beim Markt selbst anfangen, nicht bei der Aufsichtsbehörde.

Was würde eine solche „Super-Aufsicht“ konkret bedeuten?
Richter: Nach aktuellem Stand soll die ESMA zunächst grenzüberschreitend tätige Marktakteure wie bedeutende Zentralverwahrer und zentrale Gegenparteien beaufsichtigen. Darüber hinaus soll sie EU-weit tätige Assetmanager, die auf Gruppenebene mindestens 300 Milliarden Euro verwalten, mindestens einmal im Jahr prüfen. Zudem soll die ESMA die Aufsichtspraktiken im grenzüberschreitenden Verkehr laufend überwachen und Empfehlungen an die nationalen Aufsichtsbehörden abgeben können, wenn sie Defizite oder Widersprüche feststellt. Wenn sie es für nötig hält, soll die ESMA auch direkt durchgreifen. Diese Pläne könnten später in eine zentrale Aufsicht für Assetmanager münden.

Könnte eine gemeinsame Aufsicht nicht helfen, den europäischen Binnenmarkt zu vertiefen?
Richter: Nein, denn das EU-Recht im Fondssektor besteht zum großen Teil nicht aus Verordnungen, sondern aus Richtlinien, die unterschiedlich in nationales Recht umgesetzt worden sind. Einer Mega-Behörde in Paris würde es völlig an Praxisbezug und Marktnähe zu den von ihr zu überwachenden Unternehmen fehlen. Von den vielen Sprachen innerhalb der EU ganz zu schweigen. Außerdem funktioniert der Binnenmarkt im Assetmanagement doch sehr gut. Rund zwei Drittel aller OGAWs, das sind zum Beispiel Aktien- und Rentenfonds, werden grenzüberschreitend in mindestens einem EU-Land vertrieben. Die Branche arbeitet erfolgreich mit europäischen Produkt- und Unternehmenspässen. Die Diskussionen über die Zentralisierung der Aufsicht wirken deshalb wie eine Lösung auf der Suche nach einem Problem. Probleme würden mit der zentralisierten Aufsicht erst entstehen.

Inwiefern?
Richter: Weil eine Zentralisierung ineffizient und teuer wäre. Auf die großen Assetmanager kommen zusätzliche Kosten unter anderem für die jährliche Überprüfung durch die ESMA zu. Außerdem werden die nationalen Aufsichtsbehörden nicht verschwinden oder ihre Gebühren reduzieren, auch wenn die Zentralisierungsbefürworter so tun, als würde das geschehen. BaFin und Co. werden auch künftig benötigt, weil die Mitgliedstaaten unterschiedliche Regeln haben. Zum Beispiel sind die OGAW-, die AIFM-Richtlinie oder auch MiFID unterschiedlich in nationales Recht umgesetzt worden. Das ist auch so gewollt, denn die verschiedenen Märkte haben unterschiedliche Anforderungen und Traditionen. Daneben müssen Assetmanager nationale Gesetze einhalten, die von der ESMA in ihrer Aufsichtstätigkeit nicht berücksichtigt werden könnten. Solange es nationale Besonderheiten gibt, wird es nationale Aufseher geben. Eine zusätzliche zentrale Aufsicht würde nur zu Doppelstrukturen, Mehrfachmeldungen und zu hunderten neuen EU-Beamten bei der ESMA führen. Die Bürokratie würde weiter wachsen anstatt weniger zu werden, von den Kosten ganz zu schweigen.

Was wäre aus Ihrer Sicht die bessere Lösung?
Richter: Wir brauchen keine weitere Behörde, sondern eine bessere Zusammenarbeit. Die ESMA sollte ihre Koordinationsrolle ausbauen – etwa als Daten-Drehscheibe für nationale Aufseher oder mit einem klaren Wettbewerbsmandat, um die Standortattraktivität Europas zu sichern. Vor allem aber sollte die EU die Regulierung vereinfachen. Die massive Regelungsflut aus Brüssel ist das eigentliche Problem für die Branche.
 

Die Fragen stellte Christiane Lang, Internetredaktion des BVI.

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