„Die rechtliche Verfolgung noch effizienter gestalten“

Cash.-Interview mit David Kraushaar, Chief Operating Officer bei Muirfield Capital Global Advisors (MCGA), und Peter Paschke, Director Sales, über die Vorteile der Digitalisierung für ihr Geschäftsmodell, Online-Riesen als Konkurrenten für traditionelle Vertriebe und den kulturellen Wandel in den Unternehmen

Mit Starfund bieten Sie Versicherungsvermittlern die Möglichkeit, über den Widerspruch von Lebens- oder Rentenversicherungen Erträge für ihre Klienten zurückzuholen. Welche Rolle spielt die Digitalisierung in Ihrem Geschäftsmodell?

Kraushaar: Bei Starfund ist der gesamte Rechtsprozess digitalisiert – hiervon profitieren Finanzdienstleister sowie der Kunde gleichermaßen. Durch die vollständige Digitalisierung sind neu aufkommende rechtliche Herausforderungen und sich neu entwickelnde Rahmenbedingungen deutlich einfacher zu meistern. Starfund hat dadurch nicht nur Vorteile in der Durchsetzung der Rechte und einen erheblichen Wettbewerbsvorteil, sondern ist damit auch bestens für die Zukunft gerüstet. Aber auch die verschiedenen Stakeholder innerhalb der Fonds-Wertschöpfungskette profitieren von dem Fintech-Ansatz. Nicht nur die Analyse und Bewertung der anzukaufenden Verträge, die Prüfung der Anlagegrenzen sowie die Freigabe durch den Investment Manager erfolgt unterstützt durch unsere digitale Lösung. Ebenso laufen eine Vielzahl der nachgelagerten Prozesse der Verwahrstelle komplett digital über unser System ab. Es ist genau diese Digitalisierung der Fondsprozesse, die eine Auszahlung an den Versicherungsnehmer innerhalb von lediglich zwei Tagen erst ermöglicht. Darüber hinaus führt die Einbindung des externen Wirtschaftsprüfers, der Zentraladministration, der Fondsbuchhaltung sowie der AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaft in unsere digitalen Prozesse zu Effizienzsteigerungen, von denen der Kunde im Endeffekt auch wieder partizipiert. Der Transfer des Kostenrisikos sowie des rechtlichen Risikos bei der Durchsetzung wäre ohne eine unmittelbare digitale Datenverarbeitung aus Rentabilitätsgesichtspunkten erst gar nicht möglich.

Paschke: Die Digitalisierung ermöglicht uns vor allem im Bereich des Vertriebes enorme Vorteile. Finanzdienstleistungen, die auf einem juristischen Business Case beruhen, sind häufig sehr individuell und bedeuten viel Arbeit für den Vermittler und am Ende auch den Mandanten. Durch die Digitalisierung haben wir enorme Vorteile, können durch automatisierte Prozesse eine sehr hohe Fallzahl bearbeiten. Weiterhin ist der Aufwand für den Mandanten und den Vermittler dadurch deutlich geringer, sodass unser Prozess zu einer hohen Zufriedenheit bei beiden Parteien führt. So ergibt sich durch die Digitalisierung ein Win/Win-Modell für unsere Mandanten und Vermittler.

Wie digital-affin sind Vermittler und Kunden nach zwei Jahren Pandemie?

Kraushaar: Seit Mitte 2021 gilt das Motto: „Legal Tech meets Fintech“ – auf Seiten des Investment Managers MCGA ist man sich sicher, dass die nächste Entwicklungsstufe notwendig ist und der Finanzdienstleistungsmarkt dieses auch einfordert. Die Digitalisierung und die daraus resultierende Effizienz ist schon länger Gesprächsthema in der Finanzwirtschaft. Starfund hat sich sehr smarte und effektive Prozesse ausgedacht, um die rechtliche Verfolgung noch effizienter zu gestalten. 

Paschke: Unumstritten – die zweijährige Pandemie hat dazu geführt, dass wir unsere Prozesse beschleunigen mussten, um die Nachfrage auch weiter hochzuhalten. In den Lockdown-Zeiten waren Mandantenbesuche nicht möglich. Vermittler wurden gezwungen, von dem doch noch sehr häufig vorzufindenden „Offline-Arbeitsplatz“ in die „Online-Welt“ einzutauchen. Wir können bestätigen, dass es vielen Vermittlern gelungen ist und wir als Unternehmen davon profitieren. Die Herausforderung liegt in der Schulung unserer digitalen Systeme – hier haben wir in Pandemie- Zeiten vieles auf den Weg gebracht, um die digitalen Umstellungen so einfach wie möglich zu gestalten. 

Trotz des Digitalisierungsschubs in der Pandemie: Hinkt die Finanzdienstleistungsbranche der technologischen Entwicklung noch immer zu weit hinterher?

Paschke: Das würde ich so pauschal nicht sagen. Wir kooperieren mit Maklerpools, Vermögensverwaltern, Family Offices und diversen Finanzdienstleistungsunternehmen. Wir stellen bei jedem Partner fest, dass die technologische Entwicklung in diesen Unternehmen enorme Fortschritte macht – natürlich ist auch der technologische Fortschritt rasant schnell, aber ich denke, dass hier in den letzten zwei Jahren ordentlich gearbeitet wurde. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass die individuelle Betreuung des Kunden erhalten bleibt. Auch wir wollen mit unserem Produkt die Vermittler nicht ersetzen, sondern durch smarte digitale Lösungen einen Mehrwert bieten. 

Erwarten Sie, dass Online-Riesen wie Google und Amazon mittel- bis langfristig zu Konkurrenten für Versicherer und Vertriebe werden?

Kraushaar: Die AntGroup, Tochtergesellschaft des E-Commerce-Riesen Alibaba, ist ein Beispiel dafür, wo die Reise hingehen wird. Die Gruppe umfasst nicht nur das Onlinebezahlsystem, das Kunden per App sowohl die Zahlung im Internet also auch in Läden vor Ort ermöglicht. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, in einen der größten Geldmarktfonds weltweit, Yu’e Bao, zu investieren, der ebenfalls von einer Tochtergesellschaft, Tianhong Asset Management, verwaltet wird. Eine ähnliche Entwicklung sieht man im Versicherungsbereich, sprich Insurtechs, den sich mehrere Technologiegiganten in China erschließen wollen. Das Potenzial ist somit mit Sicherheit gegeben, dass Online-Riesen zu Konkurrenten von traditionellen Versicherern und Vertrieben heranwachsen. 

Paschke: Mittel- bis langfristig glaube ich fest daran. Der Kunde ist für diese Unternehmen „gläsern“ und dadurch entsteht ein enormer Vorteil in der Bedarfsanalyse. Auch in der aktuellen Situation in Deutschland sehen wir schon die ersten Bewegungen in diese Richtung – so gibt es mittlerweile zahlreiche Applikationen, welche die Kundenbestände verwalten und voll automatisiert neue Angebote erstellen. Wer den Kunden kennt, ist im Vorteil – dieser Vorteil lässt sich bei den Online-Riesen nicht wegdiskutieren. 

Digitale Transformation heißt nicht nur technologischer Umbruch, sondern auch kultureller Wandel, den die Unternehmen im Innendienst und im Vertrieb hinbekommen müssen. Wie schwer ist das?

Paschke: Sie sprechen einen sehr spannenden Aspekt an. Der kulturelle Wandel im Vertrieb und im Innendienst ist für viele Unternehmen eine große Aufgabe. Die Kommunikation nutzt durch den Wandel ganz andere Ebenen und führt auch im Unternehmen zu neuen Strukturen. Wir selbst versuchen durch smarte, hybride Anpassungen diesen Spagat umzusetzen. Die interne aber auch externe Kommunikation sind natürlich ein wesentlicher Teil dieses Kulturwandels. So wird durch den technologischen Umbruch deutlich direkter kommuniziert und auch die Art der Entscheidungsfindung ändert sich – die Kommunikationswege sind deutlich verkürzt. Dadurch ergibt sich auch die Verschmelzung von unterschiedlichen Fachbereichen, welches auf der einen Seite die gewünschten Effekte wie Prozessverbesserung und Effektivität mit sich bringt, aber auch die Herausforderung der Kommunikationsebenen beherbergt. 

Laut einer Studie des Beratungsunternehmens EY fürchtet in der Finanzbranche jeder fünfte Arbeitnehmer wegen der Digitalisierung um seinen Job. Sind diese Ängste berechtigt?

Kraushaar: Die Studie spricht auch davon, dass ein Viertel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beklagt, dass die Arbeitsbelastung durch die Digitalisierung für sie gestiegen ist. Natürlich verändert die Digitalisierung komplette Geschäftsmodelle, sie kann aber auch Chancen durch neue Produkte und neue Dienstleistungen bieten.

Paschke: Die Digitalisierung in der Finanzdienstleistung wird mit Sicherheit einen Einfluss auf diesen Abschnitt des Arbeitsmarktes haben. Aber aus der vertrieblichen Sicht gesprochen, glaube ich fest an die hybriden Modelle. Die individuelle Beratung eines Kunden kann zukünftig nicht nur durch Künstliche Intelligenz (KI) und IT-Systeme stattfinden. Die zwischenmenschliche Komponente sollten wir nicht unterschätzen – die Technologie sollte vor allem den Vertrieb in der Finanzdienstleistung unterstützen, aber eben nicht ersetzen. 

Die Fragen stellte Kim Brodtmann, Cash.

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