Die Stolperfallen der Budgetplanung in Krisenzeiten

Foto: Achtung Agenturgruppe
Thorsten Beckmann

Die Zeiten sind herausfordernd: Nach den Einschränkungen der Covid-19-Pandemie, strengen Klimaschutzvorgaben und der Halbleiter-Krise müssen Unternehmen nun zusätzlich mit den Folgen des Ukraine-Kriegs und einer Rezession zurechtkommen. Kein leichtes Spiel für Chief Financial Officer (CFO) im Mittelstand wie in Konzernen. Gastbeitrag von Thorsten Beckmann, Achtung Agenturgruppe

Wenn die äußeren Rahmenbedingungen unsicher sind und der Kostendruck angesichts steigender Preise für Energie und andere Ressourcen hoch ist, dann geht der bange Blick Richtung Budget. Zu Recht. Denn das gesamte Portfolio der finanziellen Feinabstimmung, des Zusammenspiels von Instrumenten und Vorgehensweisen, beherrschen längst nicht alle Budgetverantwortlichen. Wer hier im täglichen Tun nicht bereits vor der Krise versiert und vorausschauend agiert hat, erntet nun mit Aktionismus kaum Effekte. Wo Wissen nicht vorhanden ist oder nur unzureichend angewendet wird und es an Weitblick mangelt, dort sorgt die Krise für Liquiditätsengpässe und Finanzierungsnot.

Denn auch wenn die Klaviatur der Budgetplanung viele Möglichkeiten zur Steuerung der Finanzen hergibt, braucht es jemanden, der sie zu bespielen weiß – und das nicht erst in der Krise. Das nötige Wissen lehrt in der Regel keine Hochschule explizit, sondern es generiert sich aus learning by doing, aus der angewandten Praxis und gemachten Erfahrungen. Das wird deutlich, wenn man gängige Instrumente für den Umgang mit der Krisensituation unter die Lupe nimmt:

Das Zero-Based-Budget nützt nur, wenn es zum Tagesgeschäft gehört

Wird der finanzielle Spielraum eng, setzen Budgetverantwortliche ein Zero-Based Budget an, d.h. zu Beginn der Kostenplanung steht eine Null. Jede Ausgabe steht damit auf dem Prüfstand, ob neu, ursprünglich oder wiederkehrend. Jede Funktion innerhalb des Unternehmens wird auf ihre Bedürfnisse und Kosten hin analysiert. Die Kostenreduzierung steht im Fokus, es gibt eine Rangordnung der kostengünstigsten Alternativen. Mehr als die Hälfte der 85 größten, weltweit wirtschaftenden Unternehmen haben diese Methode bereits vor Beginn der Pandemie angewendet. Doch wer erst jetzt, wo die Inflation steigt und manche Kosten explodieren, diese Form der Budgetplanung im Unternehmen anwendet, ist schnell überfordert mit der Umsetzung. Zum einen muss jede Führungskraft im Unternehmen genau überlegen, wofür sie wirklich Budget benötigt und was verzichtbar ist, zum anderen bindet diese Form der Budgetplanung mehr personelle Ressourcen. Mit anderen Worten: Das Unternehmen muss entsprechend gut mit Fachleuten im Finanzbereich aufgestellt sein. Denn die Budgetplanung sollte regelmäßig erneuert werden, um analytische Anpassungen vornehmen und die Gemeinkosten umverteilen zu können. Wem es hier an Personal und Expertise mangelt, der erntet Chaos statt Klarheit. Das Wissen, wie Zero-Based-Budgets zu managen sind, sollte bereits vorhanden sein und nicht ad hoc in der Krise erworben werden.

Allzeit bereit: Wer ständig mit Krisen rechnet, erlebt keine bösen Überraschungen

Das Budget und die Entwicklungen am Markt müssen stets im Blick der Finanzabteilung sein. Wer ständig mit Krisen rechnet, bleibt reaktionsschnell. Budgetverantwortliche können niemals davon ausgehen, dass alles glatt läuft, denn das wäre sträflich. Geschieht Unerwartetes durch Politik oder globale Verwerfungen, bleibt nämlich keine Zeit zur Kursänderung. Ein ausreichendes Finanzpolster ist daher unerlässlich. Gleichzeitig braucht es ein realistisches Bewusstsein für die eigenen Möglichkeiten: Um Liquiditätsengpässen zu entkommen, greifen Unternehmen zum Beispiel auf den Verkauf von Forderungen, das sogenannte Factoring, zurück. Doch es dauert mehrere Wochen bis zu Monaten, um das Factoring aufzubauen und davon zu profitieren. Diese Zeit ist mitunter gar nicht mehr vorhanden, um flüssig zu bleiben. Hier erntet nur Nutzen, der rechtzeitig damit beginnt. Auch Methoden wie Sale-and-Lease-Back, bei dem Fahrzeuge, Maschinen, Geräte oder Immobilien des Anlagevermögens an einen Leasinggeber veräußert und gleichzeitig zur weiteren Nutzung gemietet werden, dienen nur dann dem schnellen Geldzufluss in der Not sowie der Stärkung der Eigenkapitalquote, wenn noch Vermögen vorhanden ist.

Ist die Not groß, ist die Kreditlinie womöglich nur noch klein

Vorsorge ist besser als Nachsorge – was für die menschliche Gesundheit gilt, gilt auch für eine gesunde Unternehmensfinanzierung. Um eine zuverlässige Finanzierung mit bestmöglichen Konditionen aufrechtzuerhalten, gilt es, die Kreditlinie regelmäßig zu überprüfen. Eine Pflichtübung, die gerne vernachlässigt wird. Dabei ist die Kreditlinie die Rettungsleine in der Krise. Wer hier nicht beizeiten für gute Konditionen sorgt, hat es im Krisenfall schwerer mit der Kreditvergabe. Das Leasen von Maschinen kann die Kreditlinie dann zwar entlasten, treibt dafür aber die laufenden Kosten in die Höhe. Eine genaue Liquiditätsplanung sollte deshalb nicht erst dann beginnen, wenn das Schiff ins Schlingern gerät, sondern schon bei ruhiger See zum Standard an Bord gehören. Wöchentliche Planungen mit definierten Auslösern und Benchmarks für Geldzu- und abflüsse helfen, das Steuer fest in der Hand zu behalten. Werden die Benchmarks verletzt, gilt es, mit geeigneten Maßnahmen gegenzusteuern. Doch dafür müssen diese zuvor konzipiert und festgelegt worden sein. Strategien erst zu entwickeln, wenn die schwere See dem Schiff bereits zusetzt und Schäden verursacht, bringt immensen Druck und schränkt den Handlungsspielraum ein.

Hierarchien und herkömmliche Aufteilungen können zum Hindernis werden

Neben guter Kommunikation und enger Kontrolle ist nicht nur in der Krise Flexibilität das Gebot der Stunde: Laufende Projekte sollten so flexibel wie möglich gestellt sein. Wächst der Kostendruck, sollten komplexe Projekte zurückgefahren werden, manche Projekte können vielleicht auch pausieren. Und mitunter lässt sich aus zwei Projekten auch eines machen, so dass Ressourcen eingespart werden können. Ein CFO kann in Krisenzeiten, wenn erforderlich, auch Aufgaben über den Finanzbereich hinaus übernehmen, zum Beispiel wenn unliebsame Entscheidungen zugunsten der Finanzen getroffen werden müssen. Um so agieren zu können, braucht es ein entsprechendes Mindset – bei Mitarbeitenden wie beim Top-Management. Niemand sollte sich an seiner Rolle festklammern oder auf vereinbarten Aufgabenverteilungen bestehen. Stattdessen braucht es von jedem und jeder Einzelnen das Commitment, stets das Beste für den gemeinsamen Erfolg zu tun. Durch die Krise steuern deshalb am besten jene Besatzungen, deren Deck kein Schauplatz für Eitelkeiten, sondern für Teamspirit ist, gepaart mit Agilität, Ansporn und dem Anspruch, für jede Lage gerüstet zu sein. Das lässt sich nicht erst in der Krise heraufbeschwören, sondern muss gelebter Alltag sein.

Fakt ist: Eine gute Mannschaft und Kosteneinsparungen allein können in der Krise kein Unternehmen retten und für die Budgetplanung gibt es kein seligmachendes Konzept. Neben Know-how und Weitsicht gilt es auch, Absatzmöglichkeiten zu verbessern, Kostensteigerungen und Preiserhöhungen an die Kunden weiterzugeben und die Erträge zu erhöhen. Wer das Zusammenspiel der verschiedenen Instrumente mit Bravour beherrscht, kommt mit leichten Blessuren durch die Krise. Wem es hier mangelt, der erlebt vielleicht sein „blaues Wunder“.

Thorsten Beckmann ist Geschäftsführer (CFO/COO) der Achtung Agenturgruppe mit Hauptsitz in Hamburg.

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