„Keine Immobilienblase in Sicht“

Typischerweise werden spekulative Blasen von einer expansiven Kreditvergabe begleitet. Dies liegt zum einen an dem Ziel der Marktteilnehmer, die Eigenkapitalrenditen über den Einsatz von Fremdkapital zu maximieren. Zum anderen ist eine Blase auch erst durch den massiven Einsatz von fremdem Kapital für die Gesamtwirtschaft gefährlich. Hätten beispielsweise die Marktteilnehmer in den USA die Immobilienkäufe überwiegend mit Eigenkapital finanziert, wären die Verluste aus dem Preisverfall nur individuell angefallen. Möglicherweise hätte der Vermögensverlust nur in geringem Maß staatliche Transfers nach sich gezogen.

Bedingt durch die hohe Fremdkapitalfinanzierung zog der Preisverfall jedoch groß angelegte Überschuldungen und Zahlungsausfälle nach sich, die dann eine Bankenkrise und später die Finanzkrise verursacht haben. In Deutschland jedoch ist eine expansive Kreditvergabe à la USA nicht zu beobachten – von Januar 2003 bis April 2012 sind die Kreditbestände gerade einmal um sieben Prozent gestiegen. Zum Vergleich: In Spanien und Irland wurden die Kreditbestände für Wohnungskäufe um mehr als 150 Prozent ausgeweitet. Die sehr geringe Zunahme der Kredite für Wohnungskäufe in Deutschland ist bemerkenswert, da die Zinsen derzeit historisch niedrig sind, was die Kreditnachfrage erhöhen sollte. Auch die steigenden Immobilienpreise sollten sich theoretisch positiv auf die Kreditvergabe auswirken.

Die Haushalte in Deutschland nutzen jedoch die niedrigen Zinsen vorrangig, um schneller zu tilgen und sich längerfristig abzusichern. Die Eigenkapitalanteile bei der Finanzierung bleiben konstant oder steigen sogar. Ganz anders war dagegen die Situation in den USA im Vorfeld der Krise. Dort wurden zunehmend variable Darlehen mit hohem Beleihungsauslauf gewählt, um den maximalen Vorteil aus den niedrigen Zinsen zu ziehen. Insgesamt passen die Entwicklung der Kreditvergabe und die verstärkte Eigenkapitalfinanzierung in das derzeitige Bild. Schließlich sind die Marktteilnehmer aufgrund der Euro-Krise verunsichert und suchen nach Alternativen, beispielsweise zu Staatsanleihen. Eine höhere Fremdkapitalfinanzierung würde dem entgegenlaufen, da gerade das Eigenkapital investiert werden soll. Wie schon in der Vergangenheit stabilisiert die Immobilienfinanzierung den deutschen Immobilienmarkt.

Fazit:

Die Analyse zeigt, dass sich derzeit keine spekulative Blase am deutschen Immobilienmarkt aufbaut. Die Immobilienpreise, die lange Zeit real gesunken sind, folgen vielmehr den fundamentalen Faktoren wie den Mieten und den Einkommen, was eine künftige Preiskorrektur nach unten eher ausschließt. Die hohe Nachfrage nach Wohnungen in Metropolen folgt zudem dem allgemeinen Trend der Re-Urbanisierung. Gerade jüngere Senioren zieht es wieder in die Städte, um soziale Kontakte zu pflegen und einen leichteren Anschluss an Kultur und Freizeitaktivitäten zu erhalten. Hinzu kommen gestiegene Mobilitätskosten – vor allem aufgrund steigender Benzinpreise –, die die Zahlungsbereitschaft für zentrale Lagen erhöhen. Außerdem ist davon auszugehen, dass es Nachholeffekte gibt. Schließlich war die langsame Preisentwicklung in der Vergangenheit eher untypisch – der Wohnungskauf wurde aufgeschoben, etwa aufgrund von Unsicherheiten am Arbeitsmarkt.

Darüber hinaus ist die Finanzierungspraxis in Deutschland ein stabilisierender Faktor. Aktuell ist eher zu beobachten, dass der Eigenkapitalanteil steigt und die Kredite schneller zurückgezahlt werden. Auch wenn es zu einer Korrektur am Immobilienmarkt käme, gäbe es anders als etwa in Spanien oder den USA kaum Rückwirkungen auf die Finanzwelt. Die Euro-Krise hat die Unsicherheit der Anleger verstärkt und die Suche nach Anlage-Alternativen forciert – Wohnimmobilien in Großstädten gelten als ein sicherer Hafen. Lediglich Berlin ragt etwas heraus, weil hier die Wiederverkaufsrate gestiegen ist und sich die Preise für Eigentumswohnungen und Eigenheime so unterschiedlich entwickelt haben. Gemessen an den übrigen Kriterien ist die Entwicklung in Berlin jedoch auch nicht besorgniserregend.

Allerdings kommt oft eines zu kurz: Zu hohe Preise und Mieten können zu sozialen Spannungen führen, da die Belastung durch Wohnkosten zunimmt. Steigen die Mieten in den Großstädten weiter, sind die Sozialsysteme an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Da jedoch die Angemessenheitsgrenzen im Grundsicherungssystem sowie die Miethöchstbeträge im Wohngeld nur unregelmäßig angepasst werden, besteht die Gefahr, dass Bedürftige kaum noch bezahlbare Wohnungen finden oder sogar ihre Wohnkosten nicht mehr tragen können.“

Die Autoren: Professor Dr. Michael Hüther ist Direktor und Professor Dr. Michael Voigtländer ist Leiter des Kompetenzfelds Immobilienökonomik am Institut der deutschen Wirtschaft (IW), Köln.

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