Immobiliendarlehen: Widerrufsrecht des Darlehensnehmers

Aufgrund der derzeit niedrigen für eine Immobilienfinanzierung aufzuwendenden Zinsen, erwägen viele Darlehensnehmer aus einem langfristigen Vertrag auszusteigen. Die Nutzung des Widerrufsrechts bei Immobiliendarlehen könnte eine Strategie zur Vermeidung der Vorfälligkeitsentschädigung sein.

Gastbeitrag von Martin Jäger, Rechtsanwälte Zacher & Partner

Das Gesetz sieht zu Gunsten der Immobiliendarlehensnehmer die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung des Darlehensvertrags vor, wenn der Darlehensnehmer hierfür ein berechtigtes Interesse darlegen kann.

Das Zinsniveau für Immobiliendarlehen ist weiterhin sehr niedrig. Die aktuell für eine Immobilienfinanzierung aufzuwendenden Zinsen liegen in der Regel deutlich unter den Zinsen, die vor der weltweiten Finanzkrise im Jahr 2008/2009 vereinbart worden waren. Viele Darlehensnehmer überlegen deshalb, ob und wie sie unter Umständen vorzeitig aus einem langfristigen Darlehensvertrag mit gebundenen Sollzinsen aussteigen können.

Das Gesetz sieht zu Gunsten der Immobiliendarlehensnehmer die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung des Darlehensvertrags vor, wenn der Darlehensnehmer hierfür ein berechtigtes Interesse darlegen kann. Dies ist beispielsweise gegeben, wenn der Darlehensnehmer die Immobilie verkaufen möchte, welche als Besicherung für das bestehende Darlehen dient.

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Vorfälligkeitsentschädigung ist finanzielle Belastung

Gleiches gilt für den Fall der Arbeitslosigkeit, Scheidung etc.. Als Ausgleich für dieses Recht zur vorzeitigen Beendigung des Darlehensvertrags kann die Bank von dem Darlehensnehmer die sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Dies ist der Schaden, welcher der Bank dadurch entsteht, dass das Immobiliendarlehen vorzeitig endet. Die Anforderungen an das außerordentliche Kündigungsrecht sind für den Darlehensnehmer häufig unüberwindbare Hürden.

Vielfach fehlt es bereits an dem berechtigten Interesse. Allein die Aussicht auf eine günstigere Um- oder Nachfinanzierung genügt hierfür nicht. Die Vorfälligkeitsentschädigung stellt zudem eine erhebliche finanzielle Belastung des Darlehensnehmers dar. Die Praxis zeigt, dass die Banken – unter Berufung auf das fehlende berechtigte Interesse – einer vorzeitigen Vertragsbeendigung selbst dann nicht zustimmen, wenn der Darlehensnehmer bereit ist, die Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen.

Immobiliendarlehen: Keine Entschädigung bei Widerruf

Die ordentliche Kündigung eines langfristigen Immobiliendarlehensvertrags mit einem gebundenen Sollzinssatz ist dem Darlehensnehmer erst nach Ablauf von zehn Jahren nach der vollständigen Auszahlung des Darlehens möglich; dann allerdings in jedem Fall. Vor diesem Hintergrund stellen sich immer mehr Darlehensnehmer die Frage, ob sie nicht das ihnen in dem Darlehensvertrag eingeräumte Recht zum Widerruf ihrer Vertragserklärung noch ausüben können. Diese Überlegung ist in letzter Zeit durch Veröffentlichungen in Presse und Fernsehen zur Wirksamkeit von Widerrufsbelehrungen noch einmal befeuert worden.

Das Widerrufsrecht bei Darlehensverträgen ist ebenso Gegenstand vieler Urteile und Publikationen in den letzten Jahren. Worum geht es beim Widerrufsrecht: Das Gesetz verlangt in vielen Fällen, dass ein Unternehmen einen Verbraucher, mit dem es einen Vertrag abschließt, darüber belehren muss, dass er seine Erklärung zum Abschluss des Vertrags innerhalb einer bestimmten Frist gegenüber dem Unternehmen ohne Begründung widerrufen kann. Der Widerruf hat zur Folge, dass der Vertrag rückabgewickelt wird.

Das Unternehmen und der Verbraucher müssen an den jeweils anderen Vertragspartner die bereits erhaltenen Leistungen (in der Regel verzinst) zurückgewähren. Eine solche gesetzliche Widerrufsregelung gibt es auch für das Verbraucherdarlehen, einschließlich des Immobiliendarlehens. Hatte die Bank das Darlehen bereits an den Darlehensnehmer ausgezahlt, und hatte dieser schon Darlehensraten an die Bank gezahlt, dann muss der Darlehensnehmer im Falle des Widerrufs die verzinste Netto-Darlehenssumme an die Bank zurückzahlen und die Bank ist verpflichtet, die erhaltenen Darlehensraten, ebenfalls verzinst, an den Kunden zu erstatten. Die Bank kann von dem Kunden keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen.

Ordnungsgemäße Belehrung bestimmt Widerrufsfrist

Das Gesetz sieht weiterhin vor, dass die Frist für den Widerruf der Vertragserklärung durch den Kunden erst dann zu laufen beginnt, wenn der Kunde in der Widerrufsbelehrung wirksam über den Fristbeginn und die beiderseitigen Rechte und Pflichten nach dem Widerruf aufgeklärt wird. Liegt eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung nicht vor, kann der Darlehensnehmer auch noch Jahre nach dem Abschluss des Immobiliendarlehensvertrags den Widerruf erklären mit der Folge der Rückabwicklung des Darlehens.

Genau an diesem Punkt wird eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung für den Darlehensnehmer interessant: Mit Hilfe des Widerrufs kann das Immobiliendarlehen ohne Begründung, d. h. ohne ein berechtigtes Interesse, und ohne jegliche Vorfälligkeitsentschädigung trotz der bestehenden Sollzinsbindung einseitig aufgelöst und eine Neufinanzierung mit den derzeit niedrigen Zinssätzen eröffnet werden.

Hinter diesen einfachen Überlegungen verbirgt sich allerdings eine Vielzahl von rechtlichen Fragestellungen. So gelten die gesetzlichen Widerrufsregelungen nur für Verbraucherverträge. Darlehensnehmer, die über einen größeren Immobilienbesitz verfügen oder das Darlehen zu gewerblichen Zwecken aufgenommen haben und daher als Unternehmer behandelt werden, können sich grundsätzlich auf das Widerrufsrecht eines Verbrauchers nicht berufen. Hier ist zu prüfen, ob es tatsächlich an der Verbrauchereigenschaft fehlt oder ob es nicht doch ein Widerrufsrecht gibt, wenn sich in dem Darlehensvertrag eine (nicht notwendige) Widerrufsbelehrung findet.

Widerrufsbelehrung genau prüfen

Hinzu kommt, dass sich die Gesetzeslage in den letzten Jahren mehrfach geändert hat, so dass genau darauf zu achten ist, wann der Immobiliendarlehensvertrag mit welcher Fassung einer Widerrufsbelehrung zustande gekommen war. Häufig hatten die Banken die Widerrufsbelehrungen dem Mustertext in der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV entnommen. Dieser Mustertext war im Laufe der Jahre mehrfach überarbeitet worden und entsprach dennoch nicht zu jeder Zeit den gesetzlichen Vorgaben.

Teilweise hatten die Banken redaktionelle oder inhaltliche Änderungen/Auslassungen vom Mustertext in ihren eigenen Widerrufsbelehrungen vorgenommen. Für jede einzelne Widerrufsbelehrung ist deshalb nach der Rechtsprechung zu prüfen, ob sich die Bank darauf berufen kann, sie habe im Vertrauen auf die Richtigkeit der Musterbelehrung gehandelt, oder ob die Widerrufsbelehrungen der Bank so abgewandelt worden war, dass dieser Vertrauensschutz entfällt.

Andere rechtliche Fragen ergeben sich dann, wenn zusammen mit dem Darlehensvertrag weitere Verträge, wie Lebensversicherungen oder Restschuldversicherungen abgeschlossen worden waren. Hier ist zu prüfen, ob auch diese Verträge von dem Widerruf des Darlehensvertrags umfasst sind. Denkbar ist auch, dass der Darlehensnehmer das Widerrufsrecht, trotz Vorlage einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung, nicht ausüben kann; dies ist wohl der Fall, wenn das Immobiliendarlehen von beiden Parteien bereits vollständig abgewickelt worden war, oder wenn es sich nur um die Prolongation eines bestehenden Darlehens handelt.

Fehlerhafte Belehrung ist kein Selbstläufer

Fazit: Eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung in einem Darlehensvertrag kann für den Darlehensnehmer die Möglichkeit eröffnen, sich ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung vorzeitig von seinem langfristigen Kreditengagement zu lösen. Die Berufung auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung ist allerdings kein Selbstläufer, wie die große Vielzahl der unterschiedlichen Gerichtsurteile zeigt.

Aus Sicht des Verfassers gibt es eine Tendenz der Gerichte, eine ausufernde Rückabwicklung von Darlehensverträgen durch Widerrufserklärungen zu begrenzen, indem die Banken geschützt werden, die im Vertrauen auf die Richtigkeit der Mustertexte in der BGB-InfoV ihre Widerrufsformulierungen verfasst hatten. Gleichwohl werden sich die Banken darauf einstellen müssen, dass ihre Kunden verstärkt mit Hilfe des (möglichen) Widerrufsrechts eine Nachverhandlung oder Auflösung des Kreditengagements begehren.

Der Autor ist Partner der Kanzlei Zacher & Partner in Köln und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht sowie Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht.

Foto:  Kanzlei Zacher & Partner

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