Immobilienboom geht zulasten von Senioren

Dass der Immobilienmarkt boomt und die Preise mancherorts ins Astronomische steigen, ist bekannt. Weniger bekannt ist, dass diese Entwicklung zulasten einer großen und immer größeren Bevölkerungsgruppe geht: Senioren. Denn für deren Bedürfnisse und Geldbeutel wird kaum noch gebaut. Ein Kommentar von Carsten Brinkmann, Aufsichtsrat von Terranus.

Carsten Brinkmann, Aufsichtsrat von Terranus

Der Ansturm von Anlegern und Investoren auf Wohnimmobilien führt zu einem bislang wenig beachteten demografischen Problem: Gebaut wird vor allem, was lukrativ ist, d.h. Mikroapartments oder Eigentumswohnungen mit 3-4 Zimmern im gehobenen Preissegment.

Am Bedarf von Senioren – immerhin bald 25 Prozent der Gesamtbevölkerung – geht dies völlig vorbei. Gelingt es nicht, gegenzusteuern, wird sich dies zu einem großen gesellschaftlichen Problem entwickeln.

Hohe Mietquote bei Senioren

So bauen Entwickler derzeit vorwiegend Eigentumswohnungen für Selbstnutzer. Diese profitieren von den Niedrigzinsen und können höhere Kaufpreise zahlen. Senioren, d.h. über 65-Jährige, sind zum großen Teil Mieter und verfügen über ein geringeres Haushalteinkommen.

Bei knapp der Hälfte (47 Prozent) der Seniorenhaushalte (d.h. alle Bewohner sind über 65 Jahre) ist dies der Fall. Bei den 35 Prozent alleinstehenden Senioren liegt die Mietquote im Schnitt sogar bei 56 Prozent und nimmt mit zunehmendem Alter zu.

Sofern für Kapitalanleger gebaut wird, werden dort hohe Kaufpreise erwartet, die der „Normalrentner“ nicht bezahlen kann.

„Klein und preiswert“ gibt es nicht

Die Größe von Neubau-Wohnungen liegt zudem meist bei 3-4 Zimmern oder mehr. Für die meisten alleinstehenden Senioren ist das häufig zu groß. Sie benötigen weniger Fläche und fragen vor allem kleinere, bedarfsgerecht konzipierte Wohnungen in zentraleren Lagen nach.

Sie sollten nicht größer sein als 2-3 Zimmer und über eine gute Anbindung an Nahversorgung verfügen. Dafür gibt es jedoch so gut wie kein Angebot. Der Bestand an Ein- und Zweizimmerwohnungen liegt bundesweit bei nur 11 Prozent. Wenn kleine Wohnungen gebaut werden, dann vorwiegend Mikroapartments mit Kaltmieten oberhalb von 15 Euro.

Hinzu kommt der finanzielle Aspekt: Für die große und in den nächsten 30 Jahren massiv wachsende Bevölkerungsgruppe der Senioren ist der Renteneintritt einen erheblichen Einschnitt: Auf einen Schlag stehen ihnen erheblich geringere Einkünfte zur Verfügung – im Schnitt rund 1.200 bis 1.500,- Euro.

 

Seite 2: Graue Wohnungsnot droht

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