Jetzt wäre der Zeitpunkt günstig…

.., um der politischen Börse die Beine zu kürzen.

Kolumne von Robert Halver, Baader Bank

Robert Halver, Baader Bank

Wenn man über den Tellerrand des aktuellen politischen Hick-Hack schaut, stehen die Chancen gar nicht mal so schlecht, die Reibereien in punkto Krim-Krise auch zum Wohle der Aktienmärkte zu entschärfen.

Auf der einen Seite hat Putin sein Ziel, die Krim mit Russland „wiederzuvereinigen“ erreicht. Nun kann er, der Machtmensch Putin, der beim Kreuzworträtsel auf die Frage „Weltmacht mit drei Buchstaben“ sicherlich „ICH“ eintragen würde – mit stolzgeschwellter Brust behaupten, es dem Westen so richtig gezeigt zu haben. Das russische Trauma des seit 1991 – seit dem Zerfall der Sowjetunion – währenden geopolitischen Bedeutungsverlustes mit zunehmender Umzingelung durch Nato-Mitgliedsländer im Westen hat er jetzt umgekehrt. Es waren wohl die Vladimir-Putin-Wohlfühltage.

 

Leben und Leben lassen…

Auf der anderen Seite: Wie will der Westen gegen eine russische Annexion der Krim argumentieren, wenn genau dies circa 97 Prozent der Bevölkerung der Krim wollten. Der Westen ist doch immer mit viel Schmackes für das Selbstbestimmungsrecht der Völker eingetreten, oder?

Ohnehin hat sich der Westen hinter vorgehaltener Hand längst mit den geschaffenen russischen Tatsachen abgefunden. Und selbst die Ukraine scheint die Krim verloren zu geben: Die Regierung in Kiew bereitet den Truppenabzug vor. Natürlich musste der Westen Sanktionen beschließen, um sein Gesicht zu wahren. Aber die bis jetzt ergriffenen Sanktionen, die uns als scharfe „Waffen“ verkauft wurden, sind wohl eher Stinkbomben, die Russland nicht wirklich weh tun. Und die Konteneinfrierung von russischen Oligarchen? Die wird seit zwei Wochen diskutiert. Da hatte jeder Betroffene genügend Zeit, seine finanziellen Schäfchen ins Trockene zu bringen. Harte westliche Bestrafungen sind das nicht, das ist eher das Werfen von Wattebällchen. Übrigens, von russischen Gegensanktionen hört man noch auffallend wenig.

Ein Kalter Krieg 2.0 sieht wohl anders aus. Alles anderer könnte die Diplomatie jetzt hinbekommen. Allmählich könnte man dieses politische Thema langsam, aber sicher aus den Schlagzeilen bringen. Dann würden die Aktienbörsen vom russisch kalten, politischen Winter befreit wie Strom und Bäche vom Eis im Frühjahr. Die Anleger könnten sich wieder mit den ganz ordinären Themen der Aktienmärkte wie Konjunktur, Schwellenländer oder Yellens US-Geldpolitik beschäftigen.

 

…oder GAU?

Bin ich zu optimistisch? Es gibt grundsätzlich auch die harte Variante der Konflikteskalation: Es besteht die theoretische Gefahr, dass im Osten der Ukraine oder in sonstigen früheren Sowjetrepubliken Scharmützel zwischen pro- und contra-russischen Gruppierungen von Putin als Gelegenheit-macht-Diebe-Chance genutzt werden, um unter dem Alibi des Schutzes der russischen Bevölkerung auch diese Gebiete „wiederzuvereinigen“.

Dann allerdings würde aber selbst China – der langjährige außenpolitische Wegbegleiter, wenn nicht sogar Freund Russlands – auf Distanz zu Putin gehen. Denn China fürchtet eine fatale Blaupause, die auch zu Separationsbestrebungen in seinem Riesenreich führen könnte. Außerdem wird der Westen dann die ganz große Sanktionskeule auspacken. Sicherlich tut dies gerade Deutschland energie- und exportseitig weh, aber auch dem russischen Bären. Russland ist zwar wie kaum ein zweites Land mit Rohstoffen – u.a. (Edel-)Metalle, Öl, Gas, Holz – gesegnet.

Vor diesem Hintergrund müsste Putin eigentlich der Präsident einer alleinigen Weltsupermacht sein. Aber konjunkturell ist der Rohstoffriese schwachbrüstig, nicht zuletzt weil es an ordentlicher Industrieinfrastruktur sowie vernünftigen Verwaltungs- und Wirtschaftsprozessen mangelt. Russland braucht hier westliches Know How wie die Bienen die Frühlingsblüten. Viele westliche Bienen können selbst dem großen russischen Bären das wirtschaftliche Leben sehr schwer machen. Überhaupt, wie attraktiv kann Russland als Investitionsstandort sein, wenn die Oligarchen ihr Geld lieber großzügig im Ausland anlegen?

 

Das Zeitfenster zum Wohl des Aktienmarkts nutzen

Noch einmal: Eigentlich wäre jetzt der Zeitpunkt für beide Seiten günstig, verbale Abrüstung zu betreiben. Damit stutzte man der politischen Börse gehörig die Beine. Hier ist vor allem Deutschland gefragt, das im Westen am meisten zu verlieren hat und mit Frau Merkel und Herrn Steinmeier zwei sehr versierte Putin-Versteher zu bieten hat.

Ich bin optimistisch, dass wir an den Börsen bald wieder Krim-Sekt trinken werden.

 

Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator und ist durch regelmäßige Medienauftritte bei Fernseh- und Radiostationen, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie durch Fachpublikationen präsent.

 

Foto: Baader Bank

 

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