Weltwirtschaft könnte Brexit verdauen – Risikoassets weiter attraktiv

Cash.Online: Wie werden die Finanzmärkte sich in diesem Umfeld entwickeln?

 Preißler: Grundsätzlich müssen wir mit einer anhaltend hohen, vielleicht sogar weiter steigenden Volatilität rechnen. Zugleich schaffen aber die globale Konjunktur und die hohe Liquidität Rückenwind an den Finanzmärkten, was gut für Risikoassets wie Aktien, Unternehmensanleihen und Industrierohstoffe ist. Positiv wirkt sich auch der Gewinntrend der Unternehmen aus, was wir in den nächsten Wochen in den USA sehen werden. Dennoch würden wir zurzeit US-Aktien gegenüber europäischen Aktien untergewichten, weil der amerikanische Aktienmarkt sich schon relativ gut entwickelt hat, wie die Bewertungen zeigen. Zugleich sollten Staatsanleihen weiterhin vom Kaufprogramm der EZB profitieren.

So könnten die Renditen deutscher Bundesanleihen bis auf minus 0,5 Prozent fallen, im Risikoszenario sogar bis auf minus 0,8 Prozent, was erhebliches Kursgewinnpotential bedeutet. Diese positive Entwicklung könnte jedoch kurzfristig ins Gegenteil drehen, wenn ausländische Staatsfonds bei einer starken US-Dollar-Aufwertung große Anleihenbestände verkaufen oder die EZB den Pool der durch sie kaufbaren Anleihen deutlich vergrößert. Das wäre jedoch eine vorübergehende Entwicklung. Bei den Industrierohstoffen sind wir noch vorsichtig, aber deren Preise sollten schon bald wieder steigen. Und Gold hat wegen gesunkener Realzinsen in den USA weiteres Potential bis auf etwa 1450 US-Dollar pro Unze.

Cash.Online: Also stehen die Ampeln für Risikoassets auf Grün?

Preißler: Das aktuelle Umfeld lädt tatsächlich dazu ein, verstärkt in Aktien, Unternehmensanleihen und Industrierohstoffe zu investieren. Aber Anleger sollten nicht leichtsinnig werden, weil es immer wieder zu plötzlichen Einbrüchen an den Finanzmärkten kommen kann. Und unsere weit in die Zukunft schauenden Frühindikatoren zeigen an, dass wir im Herbst/Winter mit einer deutlichen Abkühlung der Weltwirtschaft rechnen müssen. Dann wird es an den Finanzmärkten wieder ungemütlich. Aktienkursrückgänge bis zu 20 Prozent sind dann wahrscheinlich, während die Risikoprämien von Unternehmensanleihen deutlich steigen und die Preise von Industrierohstoffen einbrechen dürften.

Interview: Tim Rademacher

Foto: Bantleon

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