„Ich nenne es soziale Marktwirtschaft“

Tatsächlich, die politisch gewollte Staatswirtschaft hat sicher in den Krisen, bei denen es auch zum Marktversagen kam, den Systemzusammenbruch verhindert. In allzu laute Hosianna-Rufe auf die Staatswirtschaft sollte dennoch niemand ausbrechen. Die Politik scheint immer mehr zu glauben, der Staat müsse wie eine Mutterglucke die schutzbefohlenen Küken bei allen ökonomischen und sozialen Problemen beschützen bzw. bevormunden.

Die Überregulierung zum Beispiel im Finanzsektor hat mittlerweile Maß und Mitte verloren. Wie beim Datenschutz werden die ideologischen Bretter immer dicker und geraten zum Selbstzweck. Gleichzeitig werden Sozialleistungen hochgefahren und Debatten über bedingungslose Grundeinkommen geführt ohne Gedanken daran zu verschwenden, wie man diese Segnungen in einer immer wettbewerbsfähigeren Welt erwirtschaften will.

Innovationsbremse Politik

So hat zum Beispiel die langjährige Verhinderung der Elbvertiefung dem Hamburger Hafen nur Marktanteilsverluste zugunsten von Amsterdam und Rotterdam eingebracht. Auch gibt es Volksvertreter, die dem flächendeckenden Netzausbau im Zeitalter der Digitalisierung immer noch keine Hauptrolle geben wollen. Und wer meint, in einem dauerhaft diätösen Zinsumfeld die Aktie als Komponente für die Altersvorsorge als Teufelszeug zu verdammen, kann nur Politiker sein, der aufgrund seiner staatlichen Pensionen keinen Handlungsbedarf hat.

Der politisch überkorrekte und hypermoralische Helikopter-Staat nimmt damit der Wirtschaft immer mehr Entfaltungsmöglichkeiten. Es kommt früher oder später zum Export von Unternehmen, die sich nicht mehr in das enge staatliche Wirtschaftskorsett zwängen wollen. Und leider nehmen sie Arbeitsplätze mit. Und dann bekommt der alte Schlager „Wir versaufen unser Oma ihr klein Häuschen“ bittere Relevanz. Dann leben wir nur noch von der Substanz.

Ja, in der Not muss der Staat da sein wie die Feuerwehr, die löscht, wenn es brennt. Aber in Zeiten ohne Rauchentwicklung muss Politik die Wohlstandsgrundlagen permanent investitionsfreundlich optimieren. Nicht nur Klassenerhalt, sondern weiterer Aufstieg ist ihre Aufgabe. Das kann man gerne Strebertum nennen.

Ich nenne es soziale Marktwirtschaft.

Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator. Er ist aus Funk und Fernsehen bekannt und schreibt regelmäßig für Cash.

Foto: Baader Bank

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