Halver-Kolumne: Wenn die EU-Bürger die Lust am Zinssparen verlieren

Damit Euro-Staaten ihren Zins- und Tilgungsdienst problemlos fortsetzen können, setzt die EZB weiter alle Zins- und Liquiditätshebel in Bewegung. Doch der Preis ihrer guten Tat ist hoch. Ein Happy End wie im Märchen gibt es nicht, im Gegenteil.

Robert Halver, Baader Bank: „Die EZB kann alles, aber keinen Wirtschftsaufschwung.“

Banken und Sparkassen empfinden den zinslosen Kapitalismus als Alptraum. Ihr früheres Brot-und-Butter-Geschäft, das Zinsgeschäft, lässt sie heute verhungern.

Zu Risiken und Nebenwirkungen der EZB-Rettung fragen Sie bitte auch die Rendite ihres Sparbuchs, ihres Festgelds oder ihrer Staatsanleihe. Da die Altersvorsorge der Deutschen immer noch zu über 75 Prozent auf Zinsanlagen basiert, werden unsere Nachkommen kein Auskommen mit ihrem Zins-Einkommen haben.

Nicht zuletzt, bei der geldpolitischen Rettung hat die EZB ihre Stabilitäts-Kleidung abgelegt. Für viele Grund genug, Mario Draghis Abbild als Wurfscheibe zu benutzen. Aber nur offiziell, denn bei vielen Berliner Politikern hängt er klammheimlich als Heiligenbild an der Wand. Denn seine Zins- und Liquiditätspolitik hat den deutschen Staatshaushalt saniert. Und ohne sein Eingreifen hätten wir heute längst Euro-Bonds, also gemeinschaftliche Anleihen, bei denen Deutschland für Europa haftet wie bei den drei Musketieren: „Einer für Alle“.

Die Euro-Wirtschaft reagiert auf Geldpolitik wie multiresistente Keime auf Antibiotika

Es ist einfach, mit dem geldpolitischen Fleischklopfer Euro-Finanzkrisen platt wie Steaks zu klopfen. Doch beim Wachküssen des Konjunktur-Dornröschens scheitert der EZB-Prinz. Dabei ist er am Dauerschlaf selbst schuld. Da sich Verschuldung, schlechte Bonität und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit wegen geldpolitischer Planwirtschaft nicht mehr wie früher in Risikoaufschlägen bei Staatspapieren niederschlagen, ist der Druck für schmerzhafte, aber wachstumsfördernde Reformpolitik schwach.

Da Defizitverfahren der EU gegen Schuldensünder abseits von Moralpredigten ohnehin zu keinen Sanktionen führen, kann sich z.B. Italien so ziemlich alles erlauben, sogar drohen. Denn Rom weiß: Fällt Italien, fällt Europa. Wer strengt sich jetzt denn noch in der Euro-Schule an, wenn die Versetzung trotz ausbleibender Leistung gesichert ist?

Warum sollten Unternehmen statt im reformfreudigen Amerika und Asien alternativ in Europa investieren, wenn es hier offensichtlich ein Recht auf Faulheit gibt?

Seite zwei: Wird die EZB extraordinär?

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