Indien: Wo die Chancen für Anleger nach der Wahl liegen

Indiens Mammutwahl endete Mitte Mai mit Bestätigung der bestehenden Regierung. Die eingeleiteten Wirtschaftsreformen bleiben Haupttreiber des indischen Aktienmarkts, meint Hiren Dasani von Goldman Sachs Asset Management in seinem Kommentar.

Hiren Dasani, Goldman Sachs AM, erwartet eine überdurchschnittliche Performance am indischen Aktienmarkt.

Zwischen dem 11. April und 19. Mai gaben über 67 Prozent der rund 900 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimmen in einer Million Wahllokalen ab. Gewählt wurden die Kandidaten für das Unterhaus. Die Wahl brachte Premierminister Modis National Democratic Alliance (NDA), zu der auch seine Bharatiya Janata Party (BJP) gehört, einen komfortablen Sieg ein, mit einer beträchtlichen Mehrheit von 350 der 542 Sitze weit über die erforderlichen 272 Sitze hinaus. Mit 298 Sitzen für die BJP ist dies die größte Einparteien-Mehrheit seit 1984. Sie übertrifft sogar die Bilanz der eigenen Partei bei der Parlamentswahl 2014.

Im Jahr 2014 kam die BJP an die Macht, als sie mit einer reformorientierten, wachstumsfördernden Agenda überzeugte. Seitdem wurde eine landesweite Güter- und Dienstleistungssteuer (GST) eingeführt, ein strenges indisches Insolvenzgesetz verabschiedet, die Inflation erfolgreich eingedämmt, die Subventionslast reduziert und die finanzielle Eingliederung gefördert. Unserer Meinung nach wird sich der Nutzen einiger dieser Reformen erst mit der Zeit einstellen.

Wirtschaft gewinnt an Produktivität

In den letzten fünf Jahren hätten sich einige Marktteilnehmer gewünscht, dass mehr Fortschritte bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Initiative Make in India erzielt werden. Rückblickend hätten andere Maßnahmen als die Demonetisierung eingesetzt werden können, um den Schwarzgeldumlauf zu verringern und die Einhaltung der Steuergesetze zu verbessern. Auf der anderen Seite hat sich die Zahl der steuerlich zugelassenen Unternehmen seit der Einführung der GST bereits mehr als verdoppelt. Das ist ein wichtiger Schritt, um die verhältnismäßig wenig produktive Wirtschaft weiter zu formalisieren. Es hat auch das Vertrauen in die Veränderungsfähigkeit des Landes weiter gesteigert.

Die Modi-Regierung hat in ihrer ersten Amtszeit die Steuereinnahmen erhöht sowie Geschäftsprozesse systematisiert und verschlankt. Sie hat demonstriert, dass sie kurzfristige Dämpfer für die wirtschaftliche Entwicklung in Kauf nimmt, wenn es hilft, diese langfristig zu stärken. Damit legt sie die Grundlage für ein noch umfassenderes Reformprogramm für Indiens Wirtschaft.

Eine Wirtschaftsreform für die 1,3 Milliarden Einwohner erfordert das Engagement von Regierung, Aufsichtsbehörden, Unternehmen und Investoren. Der demografische Vorteil Indiens stellt weiterhin den wichtigsten Faktor, aber auch das größte Risiko für die weitere Entwicklung dar. Das wird nun Aufgabe der neu gewählten Regierung sein.

Bekämpfung der jüngsten Liquiditätskrise

Künftig erwarten wir, dass die neue Administration die inzwischen fest verankerte Wirtschaftsagenda fortsetzt. Sie wird sich vermutlich noch expliziter auf die Schaffung von Arbeitsplätzen konzentrieren, um die angeschlagene Landwirtschaft und den Ausbau der Infrastruktur zu unterstützen. Unmittelbare Priorität dürfte die Bekämpfung der jüngsten Liquiditätskrise innerhalb der Nichtbanken-Finanzunternehmen (NBFC) haben. Das langfristige Ziel dürfte darin bestehen, die GST zu verschärfen, um so die Steuerehrlichkeit zu fördern. Allerdings fehlt der BJP im Oberhaus weiterhin die Mehrheit, wodurch die nötigen Reformen zugunsten von Landerwerb oder Arbeitsmarkt schwer durchzusetzen sein werden.

Die Gewinne am Aktienmarkt verzeichneten zwischen 2014 und 2017 praktisch keine Zuwächse. Viele Banken bauten faule Kredite ab, Unternehmen reduzierten ihre Schulden und Reformen wie Demonetisierung und GST haben eine Erholung kurzfristig beeinträchtigt.

Die ersten Anzeichen für eine aussichtsreiche Gewinnerholung gab es jedoch in den vergangenen Quartalen. Für das erste Quartal 2019 wird ein Gewinnwachstum von 10 bis 12 Prozent erwartet. Für das Gesamtjahr 2019 besteht das Potenzial, dass sich das Gewinnwachstum in den mittleren bis hohen Zehnprozentbereich bewegt, bei gleichzeitiger kräftiger Erholung des Finanzsektors, der die Gesamterträge in den Vorquartalen noch belastet hatte.

Finanzen, Industrie und Kosum: Gewinnzuwächse erwartet

Wir beurteilen binnenorientierte Unternehmen weiterhin positiv, insbesondere Unternehmen aus den Sektoren Finanzen, Industrie und Kosum. Die marktübergreifenden Bewertungen sind auf das 16,7-fache gesunken, was einer Prämie von rund sechs Prozent gegenüber dem langjährigen Durchschnitt entspricht. Das ist unserer Ansicht nach eine gerechtfertigte Prämie, da sich ein mehrjähriger Gewinnwachstumszyklus abzeichnet. Auch wenn es bis zum Ende des Wahlergebnisses ein weiter Weg war: der indische Aktienmarkt ist bereit für neuen Auftrieb.

Autor Hiren Dasani ist Co-Head of Emerging Markets Equity und Lead Portfoliomanager des GS India Equity Portfolios bei Goldman Sachs Asset Management.

Foto: Goldman Sachs AM

 

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