DIW: China am Scheideweg

Prof. Dr. Christian Dreger, Forschungsdirektor des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, mit seinen Einschätzungen zur Lage in China.

Hongkong: Die wirtschaftlichen Probleme in China verlangen harte Reformen.

Die wirtschaftliche Entwicklung in China hat an Dynamik verloren. Der Wandel der Wirtschaft hin zu einem Wachstumsmodell, das stärker als bisher auf den Konsum der privaten Haushalte setzt, führt zu sinkenden Zuwachsraten der Produktion. Ein Trend, der in den kommenden Jahren wegen der demographischen Entwicklung noch anhalten dürfte. Der Umbau gestaltet sich schwierig, auch weil die schwache Weltkonjunktur die Exporte bremst. Zudem hat China gegenüber einem der wichtigsten Absatzmärkte, dem Euroraum, an Wettbewerbsfähigkeit verloren. So hatte sich der Renminbi seit Jahresbeginn um 20 Prozent gegenüber dem Euro verteuert, seine jüngste Abwertung hat diesen Effekt nicht annähernd kompensiert.

Börse nicht als Finanzierungsinstrument genutzt

Die Zweifel an der Nachhaltigkeit des chinesischen Wachstumsmodells haben die Aktienmärkte einbrechen lassen. Allerdings war die Entwicklung zuvor durch massive Übertreibungen gekennzeichnet. Die Blase ist um die Jahresmitte zerplatzt, der Index der Börse in Schanghai ist seither um 40 Prozent abgestürzt. Die Kursentwicklung spielt für die Konjunktur im Land allerdings nur eine untergeordnete Rolle. So ist Aktienbesitz bei den privaten Haushalten nicht verbreitet, und die Börse wird von den Unternehmen in der Regel nicht als Finanzierungsinstrument genutzt.

Konsum lässt sich nur schwer ankurbeln

Die zunehmende Urbanisierung ist ein wichtiger Pfeiler für ein konsumgetriebenes Wachstum, weil Städte bessere Konsummöglichkeiten bieten. Auch hohe Lohnzuwächse sollten die Ausgabebereitschaft der privaten Haushalte stimulieren. So sind die Mindestlöhne mancherorts in den letzten beiden Jahren um 40 Prozent gestiegen. Trotzdem kommt der Konsum nicht richtig in Gang. Das liegt vor allem an den institutionellen Rahmenbedingungen, die den Umbau zu einem konsumbasierten Wachstum erschweren. So sind die Lohnerhöhungen für die privaten Haushalte oftmals nicht verfügbar, weil gleichzeitig die Sozialabgaben angehoben werden. Höhere Sozialbeiträge sind erforderlich, um die negativen Folgen der Ein-Kind-Politik zu mindern, die letztlich zu einer immer älter werdenden Bevölkerung führt und die Finanzierung von Renten zunehmend schwieriger macht. Zudem haben große Bevölkerungsgruppen in den Städten, vor allem neue Einwohner, nur eingeschränkten Anspruch auf öffentliche Leistungen. Sie sparen daher, um sich gegen verschiedene Risiken abzusichern oder um zusätzliche Kosten begleichen zu können. Und schließlich wird die Transformation gehemmt, weil die Finanzmärkte noch nicht umfassend liberalisiert sind.

Maßnahmen zur Trockenlegung des Schattenbankensektors

Reformen sollten darauf abzielen, den Zugang von privaten Unternehmen und Haushalten zu Krediten zu erleichtern, sodass Liquiditätsrestriktionen weniger bindend werden. Dies könnte auch den Schattenbankensektor trockenlegen, der ansonsten ein latentes Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung darstellt. Kurz- bis mittelfristig dürften die Zuwachsraten der Produktion noch recht hoch bleiben, insbesondere, wenn man andere Regionen der Weltwirtschaft als Vergleichsmaßstab betrachtet. Allerdings stehen weitere und mutige Reformen an, um den Erfolg der wirtschaftlichen Transformation abzusichern.

Foto: Shutterstock

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