Handelskonflikt: Erst die Politik, dann die Wirtschaft

Mit dem Handelskrieg als Zugpferd zieht die Politik die gesamte Aufmerksamkeit der Anleger auf sich – und es ist kein Ende in Sicht. Die Lage im Handelskonflikt bleibt angespannt, da die USA der schwarzen Liste, auf der seit dem 16. Mai der Telekommunikationsriese Huawei steht, möglicherweise fünf chinesische Videoüberwachungsfirmen hinzufügen werden. Ein Gastbeitrag von Olivier de Berranger und Enguerrand Artaz, beide La Financière de L‘Echiquier.

Olivier de Berranger, Chief Investment Officer bei La Financière de L‘Echiquier

Peking beklagt die „übertriebene Erwartungshaltung“ Washingtons in den Verhandlungen und droht andeutungsweise mit einem Embargo für seltene Erden. Dabei ist China der weltweit größte Förderer und Verarbeiter seltener Metalle wie z. B. Neodym oder Scandium, die in der Elektronikbranche etwa in TV-Bildschirmen, Radarsystemen oder Abgaskatalysatoren breite Verwendung finden.

80 Prozent des amerikanischen Konsum basiert auf chinesischen Importen

Die USA decken 80 Prozent ihres Bedarfs an diesen Stoffen aus chinesischen Importen. Von der Anhebung der Zölle sind seltene Erden im Übrigen nicht betroffen. Mit diesem strategischen Trumpf verfügt Peking über ein wichtiges Druckmittel gegenüber Washington.

Zum Ende der Woche ließen die Spannungen etwas nach, als US-Präsident Donald Trump bekräftigte, dass es „gute Chancen“ gebe, mit China eine Einigung zu erzielen, und dass der Status von Huawei Teil dieses Deals sein könnte. Die Lage bleibt dennoch prekär.

Ärger im vereinigten Königreich

Auf politischer Ebene steht Europa dem in nichts nach. Im Vereinigten Königreich überzeugte der als letzte Chance betrachtete Plan Theresa Mays, der insbesondere der Opposition die Möglichkeit eines zweiten Referendums zugestand, weder ihre eigene noch die Labour-Partei und wurde einmal mehr abgelehnt. Am Freitag kündigte die britische Premierministerin daher ihren Rückzug an.

Ihr Amt wird sie am 7. Juni niederlegen, doch ihre Nachfolge bleibt weiter ungewiss – auch wenn Boris Johnson der Favorit zu sein scheint. Auch das Ergebnis der Europawahlen, wenngleich es in der Vergangenheit keinen bedeutenden Einfluss auf die Märkte hatte, wird aktuell sorgfältig geprüft. Das erwartete Erstarken populistischer Bewegungen ließ sich in Deutschland so jedoch nicht beobachten.

Salvini hofft auch eine positive Wende im europäischen Haushalt

Dies dürfte vor allem den italienischen Spitzenpolitiker Matteo Salvini ärgern, der in den vergangenen Tagen mehrfach dazu aufrief, die Haushaltsregeln der Europäischen Union zu ändern, die er für wirtschaftsschädigend hält. Anleger sollten nun vor allem auf die Bildung von Bündnissen zwischen verschiedenen Parteien schauen.

Die vielen Nachrichten aus der Politik sollten jedoch nicht den Blick auf die ökonomischen Fakten verstellen, denn diese sind nach wie vor trübe. Die vorläufigen Einkaufsmanagerindizes für Mai überraschten für Frankreich zwar positiv, enttäuschten jedoch in Deutschland, der Eurozone und Japan und brachen in den USA ein. Beide Indexkomponenten fielen, und der zusammengesetzte Einkaufsmanagerindex erreichte mit einem Rückgang von 53,0 auf 50,9 ein Dreijahrestief.

Neuerliche Vergschlechterung der Aktivitätaussichten

Auch wenn die wiederauflebenden Handelsspannungen das geringere Vertrauen der Unternehmenschefs wahrscheinlich weitgehend erklären, ist diese neuerliche Verschlechterung der Aktivitätsaussichten beunruhigend, da sich die USA gegenüber der globalen Verlangsamung bisher wenig anfällig zeigten.

Zwar verfügt die US-Notenbank Fed in dieser Situation über einen erheblichen Handlungsspielraum, doch die abwartende Haltung, die aus dem Protokoll ihrer letzten Sitzung hervorgeht, lässt nicht auf ein rasches Handeln schließen. In der Zwischenzeit könnte die Lage an den Märkten etwas turbulent werden.

Die Autoren: Olivier de Berranger ist Chief Investment Officer und Enguerrand Artaz Fondsmanager bei La Financière de L‘Echiquier.

Foto: La Financière de L‘Echiquier

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