Führungskräfte: Komplexe Herausforderungen meistern

Mit welchen Herausforderungen hat ein Leader heutzutage vor allem zu tun? Die digitalen Veränderungen managen – Erfolgsdruck aushalten und produktiv nutzen – Mitarbeiter zu Persönlichkeiten entwickeln – Wachstum generieren. Gefragt sind führungsintelligente Lösungen. Gastbeitrag von Dr. Bernd M. Wittschier, 423 Beratung und Training für die Wirtschaft.

Dr. Bernd M. Wittschier, 423 Beratung und Training für die Wirtschaft

Wir leben in turbulenten VUKA-Zeiten!“ Die meisten Vorstände, Geschäftsführer und Führungskräfte, die ich in meinen Beratungen und Coachings erlebe, wissen sofort, was gemeint ist: Wir leben in volatilen, unsicheren, komplexen und ambivalenten Zeiten – in der Ära der Digitalisierung sollen sich Unternehmen zu agilen Gebilden entwickeln, die sich flexibel an sich ständig ändernde Rahmenbedingungen anpassen können. Das Problem: Disruptive Entwicklungen lassen das, was heute notwendig und richtig ist, morgen als überholt oder gar überflüssig erscheinen. Und wer weiß schon, was der Kunde übermorgen wünscht und ob er in digitalen Finanztechnologie-Stürmen seine Finanzangelegenheiten immer öfter auch ohne Rücksprache mit einem Berater regeln will?

Selbst in so sensiblen Bereichen wie der Gesundheit und in Finanz- und Versicherungsfragen scheinen sich immer mehr Menschen mit dem Gedanken anfreunden zu können, Algorithmen, Robotern und Technologien zu vertrauen. So kommt es, dass selbst erfolgreiche Geschäftsmodelle urplötzlich wegbrechen, vom Markt gefegt und ersetzt werden. In solchen Zeiten ist ein Führungsverständnis hilfreich, das sich von der Planbarkeit der Dinge verabschiedet und sich nicht mehr darauf verlässt, dass es so etwas wie eherne Wahrheiten und Prinzipien gibt, die begründungslos für immer und ewig gelten. Sprüche wie „Das einzig Sichere ist die Unsicherheit“ und „Beständig ist nur der Wandel“ stoßen in neue und unbekannte Dimensionen vor. Das Konzept der führungsintelligenten Leadership ist eine geeignete Antwort auf die digitalen Herausforderungen und Veränderungsprozesse. Denn das Konzept meint zum einen, dass alle Aktivitäten eines Unternehmens, einer Abteilung und eines Teams auf die Erreichung der Unternehmensziele fokussiert sind. Eine Aktivität, die nicht unmittelbar und konkret einen nachweisbar substanziellen Beitrag dazu leistet, kann nicht als führungsintelligent bezeichnet werden.

Der zweite Aspekt der Führungsintelligenz besteht in der Leadership. Ein Leader will erneuern und entfalten, er möchte Menschen und Unternehmen bei ihrer Weiterentwicklung unterstützen, er denkt und agiert darum nachhaltig und langfristig. Er macht die richtigen Dinge und behält stets das „Warum“ im Auge, indem er werte- und sinnorientiert führt – Führungsintelligenz und Sinnorientierung sind nahezu Synonyme. Ein führungsintelligenter Leader achtet auf Ergebnisorientierung und Menschenorientierung zugleich und sieht sich in der Verantwortung, das große Ganze im Blick zu behalten und darauf zu vertrauen, dass die Mitarbeiter als die Experten
ihres Fachs die beste Lösung finden werden. Darum gehört es zu seinen wirksamsten Führungsinstrumenten, mit einer Vision und inspirierenden Werten zu führen und zu überzeugen. Diese Einstellung ist am besten geeignet, in schwierigen VUKA-Zeiten angemessen zu agieren, ohne sich von den Dingen, die sich im Fluss befinden, ziellos treiben zu lassen. Die Unternehmensziele im Kopf und die wertschätzende Weiterentwicklung der anvertrauten Mitarbeiter im Herzen – das ist das neue Paradigma des führungsintelligenten Leaders.

Die geschilderte Einstellung führt zu einer Haltung, mit der der Leader das Heft des Handelns auch in stürmischen Drucksituationen in der Hand halten kann. Das heißt: In unbeständig-volatilen Zeiten bieten eine identitätsstiftende Vision und ein stabiles Wertesystem Orientierung und Halt. Die Fokussierung auf den eigentlichen Unternehmenszweck reduziert den Unsicherheitsfaktor, weil so entschieden werden kann, welche Faktoren zur Zielerreichung beitragen – und welche nicht. Zudem
ist es eben jene Konzentration auf den Unternehmenszweck, die eine Priorisierung erlaubt. Die Mitarbeiter können entscheiden, welche Schritte in welcher Reihenfolge gegangen werden sollten: „Was trägt am ehesten dazu bei, dass ich einen messbaren Beitrag zur Erreichung des Unternehmensziels leiste?“ Das wiederum führt zur Komplexitätsreduktion, die Dinge verlieren an Zweideutigkeit, weil immer wieder die Frage beantwortet wird: „Sollen wir das wirklich tun? Und wenn ja: Finden dabei auch die Unternehmensvision und der Unternehmenszweck Berücksichtigung?“

Um es konkret zu machen: Wenn die Drucksituationen überhand nehmen – die Kunden also Forderungen stellen, die Mitarbeiter Unterstützung verlangen, der Gewinn endlich in den schwarzen Bereich wandern soll und die Geschäftsführung nachweisbare Ergebnisse sehen will –, dann verfügt der führungsintelligente Leader mit seinen Leitsternen Vision und Unternehmensziel über zwei Orientierungs-Fixpunkte.

Traditionell agierende Führungskräfte interpretieren Konflikte zuweilen als Störungen – nach diesem Verständnis müssen sie so rasch wie möglich beseitigt werden. Der Dissens wird als Stolperstein diskreditiert. Es erfolgt ein „Basta-Machtwort von oben“, damit erst einmal wieder Ruhe herrscht. Hauptsache, es kann weitergearbeitet werden. Allerdings: Das ist eine trügerische Friedhofsruhe, denn der Konflikt schwelt oft unter der Oberfläche weiter. Führungsintelligente Leader wissen: Der
Schwelbrand wird erst recht zum unheilvollen Aufbrechen eines Konflikts und zum großen Knall führen.

Aus diesen Gründen ist ein Leader bestrebt, seine Konfliktlösungskompetenz kontinuierlich auszubauen und mithilfe kommunikativer Kompetenz und mit Methoden wie der Konfliktmediation Auseinandersetzungen so zu lösen, dass destruktive Konfliktenergie rasch wieder in konstruktive Leistungsenergie transformiert werden kann. Im Vordergrund der Mediation steht die Suche nach einer zukunftsfähigen Lösung, Ziel ist die kooperative Konfliktlösung. Dabei befreien sich die Konfliktparteien vom üblichen Sieger-Verlierer-Schema und versuchen, eine Sieger-Sieger-Situation herbei zu führen.

Zudem sorgt der Leader dafür, dass die Mitarbeiter eigenständig und selbstverantwortlich Konflikte bearbeiten können. Im Idealfall greift er erst ein, wenn die unmittelbaren Konfliktparteien selbst nicht weiterkommen und mit ihrem Konflikt-Latein am Ende sind.

Wie gesagt: Einem führungsintelligenten Leader geht es um Ergebnisorientierung und Menschenorientierung zugleich, er möchte beides miteinander verknüpfen. Er versteht sich als Inspirator, Ideengeber und Impulsverstärker, der die Unterschiedlichkeit der Persönlichkeiten seiner Mitarbeiter und der Einstellungen, Meinungen und Ansichten als Chance sieht, bessere Arbeitsergebnisse zu erzielen. Durch seine Führungsentscheidungen können die Mitarbeiter ihre Aufgaben bestmöglich erledigen, zudem will der Leader durch seine Entscheidungen zum persönlichen Wachstum der Menschen beitragen. Ihm liegt die individuelle Entwicklung der jeweiligen Persönlichkeit der Mitarbeiter am Herzen – in diesem Sinn hat der Begriff „Wachstum“ mindestens zwei Bedeutungsebenen: Die Weiterentwicklung des Unternehmens, der Abteilung und des Teams sowie das persönliche Wachstum der einzelnen Mitarbeiter bedingen einander. Das eine Wachstum ist ohne das andere nicht möglich.

Fotos: Bernd M. Wittschier

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