Mit 156 Milliarden Euro gegen die Krise: Was die Regierung jetzt plant

Die Regierung will den Kampf gegen die Folgen der Corona-Krise aufnehmen – und hat gleich mehrere Schutzschirme aufgespannt. Und hierfür einen Nachtragshaushalt von 156 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Ein Überblick über die Hilfsmaßnahmen

Containerschiff auf stürmischer See.
Die deutsche Wirtschaft befindet sich in schwerer See: Nun spannt die Regierung einen Rettungschirm auf.

Ob bei Eltern, Beschäftigten oder Selbstständigen – die Corona-Epidemie bestimmt den Alltag und verursacht Existenzängste. Die Wirtschaft steht vor einem massiven Abschwung. Bedroht sind Konzerne und Kleinunternehmen. Jetzt will der Staat mit einem beispiellosen Gesetzespaket Rettungs- und Schutzschirme aufspannen. Ein Überblick:

Warum greift die Regierung zu massiven Schritten?

Geschäfte geschlossen, Straßen leer gefegt, Schulen und Kitas zu, Beschäftigte im Zwangsurlaub, Lieferketten unterbrochen, Absatzmärkte abgeschottet und Kliniken im Ausnahmezustand: Das kann nicht lange gut gehen.

Was ist für kleine Firmen geplant?

Direkte Finanzspritzen: Ganz kleine Firmen und Selbstständige, Musiker, Fotografen, Heilpraktiker oder Pfleger, die gerade kaum Kredite bekommen, können für drei Monate 9.000 bis 15.000 Euro erhalten. Das soll unbürokratisch funktionieren, sie müssen nur versichern, dass sie durch Corona einen Liquiditätsengpass haben.

Was sollen größere und große Unternehmen bekommen?

Für mittelgroße Firmen soll ein unbegrenztes Kreditprogramm über die staatliche Förderbank KfW bereitstehen. Große Unternehmen wie etwa die Lufthansa sollen notfalls auch durch Verstaatlichungen gerettet werden.

Die Bundesregierung will ihnen milliardenschwere Garantien geben und Schuldtitel übernehmen. Wenn die Krise vorbei ist, sollen sie wieder privatisiert werden. Die Firmen in Deutschland können zudem ihre Steuern später begleichen.

Wie teuer sind diese Rettungsmaßnahmen?

Die Bundesregierung muss in diesem Jahr wohl so viele Schulden aufnehmen wie nie. Das Finanzministerium rechnet mit Kosten für die Hilfsprogramme von 122,8 Milliarden Euro allein 2020. Zugleich kommen wohl 33,5 Milliarden Euro weniger Steuern rein.

Deshalb plant Minister Olaf Scholz (SPD) eine Neuverschuldung von 156,3 Milliarden Euro. Das sind ungefähr 100 Milliarden mehr als die Schuldenbremse im Grundgesetz erlaubt. Die Regelung soll deshalb erstmal außer Kraft gesetzt werden.

Wird das Geld den Unternehmen reichen?

Noch kann man das nicht absehen – niemand weiß, wie lange das öffentliche Leben gelähmt ist. Die 156 Milliarden sind laut Scholz zunächst eine vorsorgliche Summe. Viele Ökonomen und die Bundesregierung rechnen damit, dass Deutschland in eine tiefe Rezession rutscht. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag warnt vor einer „Pleitewelle unvorstellbaren Ausmaßes“.

Was soll für Mieter gelten, denen das Geld ausgeht?

Kündigungen sollen verboten werden, wenn Einkommensausfälle dazu führen, dass man die Miete nicht zahlen kann. Gelten soll dies zunächst für Mietschulden aus dem Zeitraum vom 1. April bis 30. September 2020. Nachweisen soll man das nicht groß müssen: „Der Zusammenhang zwischen Covid-19-Pandemie und Nichtleistung wird vermutet“, heißt es im entsprechenden Entwurf. Die Verpflichtung der Mieter zur Zahlung der Miete soll aber im Grundsatz bestehen bleiben.

Was soll gegen Massenarbeitslosigkeit helfen?

Das bewährte Mittel aus der Finanzkrise 2008/2009: Kurzarbeit. Wenn es nichts mehr zu arbeiten gibt, kann ein Unternehmen die Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken – die Bundesagentur für Arbeit übernimmt 60 Prozent des Lohns, bei Menschen mit Kindern 67 Prozent.

Die Unternehmen bekommen Sozialbeiträge erstattet. Kurzarbeitergeld kann fließen, wenn nur 10 Prozent der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sind – statt wie bisher ein Drittel. Auch Zeitarbeitsunternehmen können die Leistung anzeigen.

Wie viele Menschen werden davon betroffen sein?

Die Regierung geht von 2,15 Millionen Fällen von konjunkturellem Kurzarbeitergeld aus – Kostenpunkt: 10,05 Milliarden Euro. In der Metall- und Elektroindustrie und in der Systemgastronomie stocken die Unternehmen das Kurzarbeitergeld auf – die Gewerkschaften fordern das vehement generell.

Was soll im sozialen Bereich geschehen?

Bei Anträgen auf Hartz 4 sollen die Vermögensprüfung und die Prüfung der Höhe der Wohnungsmiete für ein halbes Jahr ausgesetzt werden. Bis zu 1,2 Millionen zusätzlichen Bezieher der Grundsicherung soll es laut Regierung geben – und dadurch 10 Milliarden Euro Mehrkosten.

Für die Familien mit Einkommenseinbrüchen soll ein leichterer Zugang zum Kinderzuschlag geschaffen werden: Geprüft werden soll statt das Einkommen aus den letzten sechs Monaten nur das vom letzten Monat. Eltern mit wegbrechendem Einkommen wegen Kinderbetreuung sollen Hilfen bekommen.

Was will die Regierung noch tun?

Es gibt noch eine ganze Reihe weiterer geplanter Schritte, etwa: Eine große Finanzspritze für die Krankenhäuser von mehr als drei Milliarden Euro, mehr Kompetenzen für den Bund beim Seuchenschutz, Lockerungen beim Insolvenzrecht, die Möglichkeit zu Haupt- und Vereinsversammlungen online sowie Lockerungen beim Arbeitszeitgesetz für besonders wichtige Branchen.

Wie sollen die Pakete auf den Weg kommen?

So schnell es geht. An diesem Montag will das Bundeskabinett entscheiden – die Ministerriege will tatsächlich zusammenkommen, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) allerdings ist in häuslicher Quarantäne. Am Mittwoch will der Bundestag im Plenum und den wichtigsten Ausschüssen unter strengen Vorkehrungen zum Abstandhalten beraten und entscheiden. Und schon am Freitag soll der Bundestag die Gesetze abschließend beschließen – wahrscheinlich im kleinen Kreis mit einem Kabinettsmitglied pro Land.

Gibt es Kritik an den Plänen?

Reichlich. Zwar wird es einhellig als nötig begrüßt, dass die Regierung rasch und massiv handelt. Doch zu den Hauptkritikpunkten zählt: Die Milliarden fürs Gesundheitswesen reichten nicht – und das Kurzarbeitergeld sei für Menschen mit geringem Einkommen zu wenig. Viele soziale und kulturelle Einrichtungen fürchten zudem bundesweit das Aus. Große Sorgen machen sich Experten um Menschen mit Behinderung, Obdachlose, Arme oder auch Prostituierte in der Krise. (dpa-AFX) dr

Foto: Shutterstock

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