Ein Testament muss nicht in einem Zuge errichtet werden

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Der Erblasser kann ein Testament durch eine von ihm eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten. Hierbei ist es ohne Bedeutung in welcher zeitlichen Reihenfolge die einzelnen Bestandteile des Testaments niedergeschrieben worden sind, entschied das OLG Brandenburg in seinem Beschluss v. 1.6.2021. Eine Einordnung durch die Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e.V. (DVEV).

Der Fall

Die Erblasserin verstarb 2018. Einziges Kind ist eine Tochter, die ihrerseits drei Kinder hat: Sohn R, Jahrgang 1995, Sohn L, Jahrgang 1997 und Sohn G, Jahrgang 2004. 1998 hatte die Erblasserin ein Einzeltestament verfasst, in dem sie anordnete, dass ihre Tochter nichts erbt und der Nachlass an die Enkel L und R zu gleichen Teilen geht. Über dem Namen R schrieb sie später mit abweichender blauer Schriftfarbe der Zusatz „und G“. Die drei Enkel beantragten einen Erbschein. Dem stellte sich die Tochter entgegen und behauptete auf Grund fehlender Unterschrift unter der Abänderung des Testaments gesetzliche Alleinerbin zu sein.

Die Entscheidung

Das OLG hatte zu entscheiden, ob die drei Enkel Erben geworden sind. Nach § 2247 Abs. 1 BGB kann ein Erblasser ein Testament durch eine von ihm eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten. Hierbei ist es ohne Bedeutung in welcher zeitlichen Reihenfolge die einzelnen Bestandteile des Testaments, einschließlich der Unterschrift, niedergeschrieben worden sind, denn es ist von dem Grundsatz auszugehen, dass das Testament nicht in einem Zuge errichtet zu werden braucht. So kann der Erblasser das Schriftstück jederzeit modifizieren. Das hatte die Erblasserin nach der Geburt des Enkels G im Jahr 2004 getan.

Für die Formgültigkeit kommt es nur darauf an, dass im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin alle Formerfordernisse vorhanden sind. Es ist, entgegen der Meinung der Tochter, nicht notwendig, dass die Ergänzung gesondert datiert und unterschrieben worden ist. Zum Zeitpunkt ihres Todes war der Name des Enkels G mit blauer Schrift bereits im Testament ergänzt und fügte sich nahtlos in den Gesamttext des Testaments ein und war durch die unterhalb des Textes stehende Unterschrift gedeckt. Die Erbfolge richtet sich somit nach dem Testament der Erblasserin von 1998, in der nach der Geburt des Enkels G im Jahr 2004 geänderten Fassung. Damit gab das OLG den drei Enkeln Recht.

DVEV-Expertenrat

Erblasser ändern häufig ihre letztwilligen Verfügungen. Wird das ursprüngliche Schriftstück z.B. ergänzt, korrigiert oder werden Passagen durchgestrichen, dann sind verschiedener Auslegungen möglich und folglich liegt ein Streit unter den Verwandten nicht fern. Jan Bittler, Fachanwalt für Erbrecht in Heidelbergund Geschäftsführer der DVEV, empfiehlt deshalb bei einem Änderungswunsch das Testament vollkommen neu zu schreiben. Erfüllt es alle gesetzlichen Formvorschriften, dann ist damit eine klare Regelung getroffen und Missverständnisse auf Grund von Veränderungen entstehen nicht.

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