Neues Sanierungsrecht: Vergleich mit den Gläubigern

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Ein neues Gesetz bietet einen vom Insolvenzverfahren unabhängigen gesetzlichen Rahmen zur Sanierung von Unternehmen. Gastbeitrag von Dr. José A. Campos Nave und Lars Richter, Rödl & Partner

Das neue Sanierungs- und Restrukturierungsrecht wurde zum 1. Januar 2021 durch das in Kraft getretene Unternehmensstabilisierungs- und restrukturierungsgesetz (StaRUG) geschaffen. Eine der maßgeblichen Zielsetzungen ist die Vermeidung eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens.

Das geltende Recht sah bislang keine Möglichkeit vor, außerhalb eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens Restrukturierungen, insbesondere eine Einschränkung von Verbindlichkeiten, gegen den Willen von Gläubigern durchzusetzen. Das StaRUG bietet einen vom Insolvenzverfahren unabhängigen gesetzlichen Rahmen zur Sanierung von Unternehmen ab Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit. Anders als im Insolvenzplan können im neuen Restrukturierungsrahmen auch die Festlegung der Modalitäten des Abstimmungsprozesses und seine Durchführung grundsätzlich dem insofern eigenverantwortlich handelnden Unternehmen in der Krise überlassen werden. Die Verfahrensherrschaft liegt beim Unternehmen.

Ein neues Kernelement ist der Restrukturierungsplan (Paragraf 5 ff. StaRUG). Hierbei handelt es sich um eine Art Vergleich mit einzelnen oder allen Gläubigern, der gegebenenfalls auch gegen den Willen Einzelner geschlossen werden kann. Darin können Regelungen zur Restrukturierung einer Gesellschaft vorgesehen werden, beispielsweise Stundungen oder Forderungsreduzierungen.

Inhaber der Restrukturierungsforderungen (sogenannte Planbetroffene) werden in Gruppen eingeteilt, Paragraf 8 ff. StaRUG. Für die Annahme des Restrukturierungsplans ist gemäß Paragraf 25 Absatz 1 StaRUG grundsätzlich erforderlich, dass in jeder Gruppe auf die dem Plan zustimmenden Gruppenmitglieder mindestens 75 Prozent der Stimmrechte in dieser Gruppe entfallen. Es ist aber auch möglich, dass die Zustimmung einzelner Gruppen ersetzt wird (Paragraf 26 bis 28 StaRUG). Der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen kann daher gegen den Willen einzelner Gläubiger umgesetzt werden. Das Restrukturierungsvorhaben ist bei dem zuständigen Restrukturierungsgericht anzuzeigen.

Reputationsschaden kann vermieden werden

Ferner sieht das StaRUG die neue Möglichkeit der Sanierungsmoderation vor. Der Sanierungsmoderator vermittelt zwischen dem Unternehmen in der Krise und seinen Gläubigern bei der Herbeiführung einer Lösung zur Überwindung der wirtschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten, Paragraf 96 StaRUG. Ziel bei einer Sanierungsmoderation ist der Abschluss eines Sanierungsvergleichs, Paragraf 97 StaRUG.

Die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens können grundsätzlich von jedem insolvenzfähigen Unternehmen in der Krise in Anspruch genommen werden. Für natürliche Personen gilt das nur, soweit sie unternehmerisch tätig sind (Paragraf 30 StaRUG). Die Wahl des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens kommt insbesondere für Unternehmen in Betracht, die Wert darauf legen, die Kontrolle über das Verfahren zu behalten. Ferner kann das Sanierungsverfahren „still“ erfolgen und ein Reputationsschaden aufgrund eines öffentlichen Insolvenzverfahrens vermieden werden.

Das StaRUG knüpft gemäß Paragraf 29 Absatz 1 StaRUG an eine drohende Zahlungsunfähigkeit im Sinne von Paragraf 18 Absatz 2 Insolvenzordnung (InsO) an. In Fällen, in denen das Unternehmen in der Krise einen Insolvenzantrag stellt oder über das Vermögen des Unternehmens ein Insolvenzverfahren eröffnet ist, steht das Sanierungsverfahren nicht offen. Ferner steht das Verfahren nicht offen, wenn das Unternehmen in der Krise zahlungsunfähig oder überschuldet ist, Paragraf 33 Absatz 1, 2 StaRUG. Die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens bei dem zuständigen Restrukturierungsgericht nach Paragraf 31 Absatz 1 StaRUG ist zudem erforderlich. Des Weiteren muss die Restrukturierung spätestens innerhalb von zwölf Monaten umgesetzt sein, sonst verliert die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens ihre Wirkung, Paragraf 31 Absatz 4 Nr. 4 StaRUG. Im Rahmen des Restrukturierungsplans sind bestimmte ergänzende Verfahrensfristen vorgesehen.

Die persönliche Haftung der Geschäftsführer richtet sich, wie bisher, nach Paragraf 15b InsO (Zahlung bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung). Allerdings konkretisiert das StaRUG die Sorgfaltspflichten der Geschäftsführer. Mit Paragraf 1 StaRUG wird neu eine allgemeine und rechtsformübergreifende Regelung zu Krisenfrüherkennung- und Krisenmanagement (Reaktionspflichten) der Geschäftsleiter haftungsbeschränkter Rechtsträger geschaffen. Paragraf 1 Absatz 1 StaRUG statuiert Pflichten der Mitglieder des zur Geschäftsführung berufenen Organs einer juristischen Person. Die Geschäftsleiter sollen fortlaufend über Entwicklungen, welche den Fortbestand der juristischen Person gefährden können, wachen. Paragraf 1 Absatz 1 Satz 1 StaRUG verpflichtet die Geschäftsleiter zur Überwachung von Entwicklungen, die zur Bestandsgefährdung des Unternehmens führen können.

Keine Schlechterstellung einzelner Gläubiger

Bei dem neuen Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen handelt es sich um ein rechtlich komplexes Verfahren. Wichtig ist deshalb eine konkrete Rechtsanwendung, sodass es in den Fällen, in denen ein Restrukturierungskonzept in die Tat umgesetzt bzw. ein Verfahren nach StaRUG begonnen werden soll, empfehlenswert ist, geeignete Berater einzubeziehen. Die Inanspruchnahme der Stabilisierungsinstrumente verlangt außerdem im Hinblick auf die Anzeige des Verfahrens bei Gericht bestimmte zuvor benannte Vorarbeiten. Auf Antrag des Unternehmens in der Krise kann das Restrukturierungsgericht ferner einen Restrukturierungsbeauftragten bestellen.

Bereits vor dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie wurde die Finanzierung von Unternehmen in verschiedener Hinsicht diskutiert. Auf der einen Seite sprach man von „Zombie“-Unternehmen, also Unternehmen, bei denen Schuldenlast und Ertragskraft deutlich auseinander liefen. Auf der anderen Seite sprach man von „Cocktail“-Finanzierungen, also Finanzierungsstrukturen, die in der Höhe grundsätzlich im Rahmen waren, aber von der Art und Weise nicht (mehr) zum Geschäftsmodell des Unternehmens gepasst haben. Im Rahmen der Covid-19-Pandemie dürften sich beide Phänomen verstärkt haben. Aus operativer Sicht ist das StaRUG, bedingt durch die Limitierungen, nur geeignet, unpassende Finanzierungsstrukturen anzupassen. Tiefgehende operative Sanierungen werden wohl nicht zum Haupteinsatzbereich gehören. Damit ist jedoch beispielsweise die Bereinigung von „Cocktail“-Finanzierungen ein realistisches Einsatzszenario für die Anwendung eines Sanierungsprozesses nach dem StaRUG.

Das gilt insbesondere, da bisher die außergerichtlichen Sanierungsinstrumente die Einstimmigkeit voraussetzen. Gleichzeitig konnte aber auch beobachtet werden, dass – insbesondere bei zersplitterten Finanzierungsstrukturen – nicht mehr alle Stakeholder am Sanierungsprozess teilnehmen. Das StaRUG eröffnet mit dem Restrukturierungsplan ein Werkzeug, um diesen Entwicklungen zu begegnen und mit geeigneter Gruppenbildung einen bestätigten Restrukturierungsplan zu erhalten.

Ob das Vorhaben des Gesetzgebers, Sanierungsprozesse zu vereinfachen und zu beschleunigen gelingt, bleibt abzuwarten. Zwar entfallen einzelne zeitaufwendige Elemente der außergerichtliche Sanierung, gleichzeitig kommen aber auch neue Anforderungen auf. Beispielsweise muss der Nachweis geführt werden, dass durch den Restrukturierungsplan keine Schlechterstellung einzelner Gläubiger erfolgt, was unter Umständen zu einem parallel laufenden M&A-Prozess führen kann. Um als Unternehmen in der Krise den neuen gesetzlichen Rahmen optimal nutzen zu können oder um als Gläubiger und Geschäftspartner keine unliebsamen Überraschungen zu erleben, bedarf es in jedem Fall der fachkundigen Hilfe von qualifizierten Beratern.

José A. Campos Nave ist Rechtsanwalt und geschäftsführender Partner in der Kanzlei Rödl & Partner, Lars Richter ist dort Managing Director Restructuring.

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