Bauinsolvenz: Die eigene Position stärken

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Werden für den Auftraggeber Anzeichen einer wirtschaftlichen Krise des Auftragnehmers erkennbar, ist höchste Wachsamkeit geboten.

Traditionell nehmen Insolvenzen in der Baubranche einen hohen prozentualen Anteil an den Unternehmensinsolvenzen insgesamt ein. Aufgrund der derzeitigen Rohstoffknappheit, gestörter Lieferketten sowie dem Anstieg des Zinsniveaus ist zu erwarten, dass die Insolvenzzahlen in der Baubranche weiter steigen werden. Welche Handlungsoptionen haben Bauherren? Gastbeitrag von Daniel Herper und Dr. Tristan Förster

Für Bauherren als Auftraggeber, aber auch für Generalunternehmer, kann die Insolvenz eines Auftragnehmers gravierende Folgen haben. Dabei droht insbesondere das Worst-Case-Szenario: Der überzahlte Auftragnehmer auf einer halbfertigen und mangelbehafteten Baustelle meldet Insolvenz an. Doch auch in einer solchen Situation und insbesondere verbeugend verbleiben dem Auftraggeber rechtliche Handlungsoptionen und Maßnahmen, um die eigene Position zu sichern.

Die einzelnen Handlungsoptionen sollten Auftraggeber sorgsam abwägen und zugleich die besondere Dynamik von Krise und Insolvenzverfahren im Auge behalten. In zeitlicher Hinsicht ist dabei zwischen der wirtschaftlichen Krise des Auftragnehmers, dem vorläufigen Insolvenzverfahren und dem eröffneten Insolvenzverfahren zu unterscheiden.

I. Wirtschaftliche Krise des Auftragnehmers

Im Vorfeld einer Insolvenz steht in der Regel eine wirtschaftliche Krise. Werden für den Auftraggeber Anzeichen einer wirtschaftlichen Krise des Auftragnehmers erkennbar, ist höchste Wachsamkeit geboten: Je früher der Auftraggeber Kenntnis von der wirtschaftlichen Schieflage des Auftragnehmers erhält, umso größer fällt das vorbeugende Gestaltungspotenzial aus. Denn dann können Handlungsoptionen abgewogen und die nötigen rechtlichen und wirtschaftlichen Schritte proaktiv eingeleitet werden.

Grundsätzlich bestehen für den Auftraggeber zwei Handlungsoptionen: Außerordentliche Kündigung oder Fortsetzung der Verträge und des Bauvorhabens mit dem kriselnden Auftragnehmer.

Im Falle einer Kündigung besteht der Nachteil, dass ein anderer Auftragnehmer gefunden werden muss. Dies ist aller Regel auch ungeachtet der gestiegenen Rohstoffpreise mit erheblichen Mehrkosten verbunden, da der neue Auftragnehmer gewissermaßen in die Bresche springen muss und häufig nicht auf verlässlichen Vorarbeiten und Plänen aufsetzen kann. Hinzu kommt, dass eine Kündigung bestehende Erfüllungsbürgschaften entwerten kann. Im Falle öffentlicher Auftraggeber kann sogar ein neues (zeitaufwendiges) Vergabeverfahren erforderlich werden. Der Vorteil einer frühzeitigen Kündigung besteht jedoch darin, dass das Bauvorhaben mit einem (zuverlässigeren) Auftragnehmer fertiggestellt werden kann.

Eine außerordentliche Kündigung setzt voraus, dass ein wichtiger Grund vorliegt. Daher sind vorhandene Kündigungsgründe entsprechend zu dokumentieren und – falls erforderlich – durch notwendige Fristsetzungen zu schaffen. Eine freie Kündigung sollte wegen ihrer nachteiligen Rechtsfolgen lediglich im Ausnahmefall ausgesprochen werden.

Demgegenüber ist die Fortsetzung des Bauvorhabens mit dem kriselnden Auftragnehmer oftmals mit der Hoffnung verbunden, so das Bauvorhaben doch noch fertig stellen zu können. Häufig wird diese Hoffnung jedoch enttäuscht, sodass sich die zuvor genannten Probleme gleichfalls stellen. Hinzu kommt, dass bei einer anschließenden Insolvenz etwaige Mängelansprüche grundsätzlich wirtschaftlich wertlos sind.

Krisenanzeichen sind häufig insbesondere das Fernbleiben von Personal des Auftragnehmers oder von Subunternehmen von der Baustelle sowie das Einfordern von Vorauszahlungen für Baumaterialien. Spätestens wenn die Subunternehmen von dem Auftraggeber Direktzahlung verlangen, ist allerhöchste Vorsicht geboten: Zum einen hat in solchen Fällen der Auftragnehmer regelmäßig seine Zahlungen bereits eingestellt und könnte daher zahlungsunfähig sein. Zum anderen besteht bei Direktzahlungen ohne den Abschluss von besonderen dreiseitigen (Kongruenz-)Vereinbarungen für den Auftraggeber die Gefahr von Doppelzahlungen. Hinzu kommen insolvenzrechtliche Anfechtungsrisiken, auch für den Auftraggeber.

II. Vorläufiges Insolvenzverfahren

Wird ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Auftragnehmers gestellt, hat dies im Grundsatz zunächst keine Auswirkungen auf bestehende Werk- bzw. Bauverträge. Dennoch kann aus Sicht des Auftraggebers in diesem Krisenstadium Handlungsbedarf bestehen.

In jedem Fall sollte der Auftraggeber nach der gerichtlichen Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen – in der Regel wird zudem ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt – nicht mehr unbesehen an den Auftragnehmer zahlen, da an ihn grundsätzlich nicht mehr schuldbefreiend geleistet werden kann. Der entsprechende Beschluss des Insolvenzgerichts und die dort getroffenen Anordnungen sollten detailliert geprüft werden.

Soweit die Geltung der VOB/B (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil B: Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen) wirksam vereinbart ist, sollte das Bestehen von insolvenzbezogenen Sonderkündigungsrechten geprüft werden. In Betracht kommt oftmals eine Kündigung nach Paragraf 8 Absatz 2 Nr. 1 VOB/B; dies gilt in der Regel jedenfalls dann, wenn der Auftragnehmer selbst einen Insolvenzantrag gestellt hat.

Daneben sind die allgemeinen vertraglichen und gesetzlichen Kündigungsrechte, unter anderem nach VOB/B bzw. BGB, zu prüfen. Dabei sind regelmäßig zusätzlich Fristsetzungen erforderlich, um einen Kündigungsgrund herbeizuführen.

Vor allem wenn seitens des Auftragnehmers noch offene Abschlags-, Voraus- oder Werklohnansprüche bestehen, sollte geprüft werden, ob der Auftraggeber gegen diese aufrechnen kann. Sollte eine Aufrechnung möglich sein, führt dies zu einer deutlichen Besserstellung des Auftraggebers, da seine Gegenforderungen vollständig befriedigt werden. Ansonsten muss er die Forderungen des Auftragnehmers voll bezahlen, erhält aber im Gegenzug lediglich eine Insolvenzforderung und den Verweis auf die Insolvenztabelle. Hierbei sind jedoch die insolvenzspezifischen Aufrechnungsverbote zu beachten (Paragrafen 94 ff. InsO).

Entschließt sich ein Auftraggeber gegen eine Kündigung, bleibt es zunächst bei den bestehenden Vereinbarungen. Die Vergütungsansprüche des Auftragnehmers für Leistungen nach dem Insolvenzantrag genießen jedoch besonderen Schutz; Aufrechnungen des Auftraggebers sind insoweit in der Regel ausgeschlossen. Für den Auftraggeber kann es daher ratsam sein, mit dem Auftragnehmer unter Einbindung des vorläufigen Insolvenzverwalters eine Restfertigstellungsvereinbarung zu treffen. Dabei können die Modalitäten der Fertigstellung des Bauvorhabens unter Beachtung der rechtlichen Besonderheiten des vorläufigen Insolvenzverfahrens – auch zum Schutz des Auftraggebers – geregelt werden.

III. Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Wegen des Übergangs der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter (Paragraf 80 Absatz 1 InsO) ist nunmehr der Insolvenzverwalter der richtige Ansprechpartner für den Auftraggeber. Auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann eine außerordentliche Kündigung durch den Auftraggeber in Betracht kommen; allerdings sind vertragliche Kündigungsgründe, die an der Insolvenz des Vertragspartners anknüpfen, generell unwirksam. Ob dies auch für eine Kündigung gemäß Paragraf 8 Absatz 2 Nr. 1 VOB/B gilt, ist in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt. Sofern der Auftraggeber nicht wirksam kündigt, steht dem Insolvenzverwalter ein Wahlrecht zu (Paragraf 103 InsO): Er kann entscheiden, ob er die Erfüllung des Vertrags wählt oder diese ablehnt. Um diesbezüglich schnell Klarheit zu erlangen, kann es sich aus der Sicht des Auftraggebers empfehlen, den Insolvenzverwalter zur Ausübung des Wahlrechts aufzufordern.

Wählt der Insolvenzverwalter die Erfüllung, hat er anstelle des Auftragnehmers den Vertrag zu erfüllen. Forderungen des Auftraggebers werden dabei als sogenannte Masseforderungen aufgewertet und sind grundsätzlich voll zu befriedigen. Im Gegenzug sind die Werklohnansprüche des Insolvenzverwalters zu bedienen. Allerdings sind auch bei einer Erfüllungswahl die insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbote zu beachten, insbesondere ist eine Aufrechnung mit (alten) Insolvenzforderungen gegen (neue) Vergütungsansprüche grundsätzlich ausgeschlossen. Lehnt der Insolvenzverwalter die Erfüllung ab, besteht zwischen den Parteien ein Abwicklungsverhältnis.

Welches Vorgehen im konkreten Fall vorzugswürdig ist, hängt jedoch – wie so häufig – von den konkreten tatsächlichen und rechtlichen Umständen im Einzelfall ab. Durch eine möglichst frühzeitige und aktive Beteiligung können Auftraggeber jedoch häufig effektive Akzente setzen und die eigene Position stärken.

Die Autoren Daniel Herper und Tristan Förster sind Rechtsanwälte in der Kanzlei FPS.

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