Juncker-Vorstoß: Taugt das Konzept einer europäischen Arbeitslosenversicherung?

Jean-Claude Juncker, Präsident der Europäischen Kommission, fordert eine europaweit geltende Arbeitslosenversicherung. Hierzu will er 55 Milliarden Europa bereit stellen. Nach eigener Aussage diene das Geld dazu, „asymetrische, externe Schocks abzufedern“. Taugt dieser Plan?

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker fordert eine europäische Arbeitslosenversicherung.

44,63 Millionen Arbeitnehmer gibt es derzeit in Deutschland. Es arbeiten so viele Menschen wie niemals zuvor seit Gründung der Bundesrepublik. Der Arbeitslosenversicherung als fester Bestandteil des Sozialversicherungssystems kommt derzeit wenig Beachtung zu. Gegenwärtig bezahlen alle Arbeitnehmer einen monatlichen Beitrag in Höhe von drei Prozent des Bruttogehalts ein.

Trotzdem viele Menschen in ihrem Erwerbsleben mindestens einmal von Arbeitslosigkeit betroffen sind, gilt der gesellschaftliche Wert dieser Sozialversicherung als umstritten. So treiben der Wunsch nach einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes und die eher ablehnende Haltung vieler Menschen in Deutschland laut Studie der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) die Kluft zwischen hohem Vertrauen und Ablehnung zunehmend voran.

Arbeitslosengeld: Ein europäischer Vergleich

Erweitert man nun den Radius und schaut auf eine eher europäische Perspektive, ergeben sich vor allem in der Frage von Anspruch und Höhe der Leistung unterschiedliche Perspektiven: Beträgt die Wartezeit vor einer Leistung in Deutschland 36 Monate, sind dies in den Niederlanden lediglich 15 Monate.

Erhalten Bezugsberechtigte in Deutschland ein Arbeitslosengeld, welches 60 bzw. 67 Prozent vom letzten Nettogehalt beträgt, sieht dies im europäischen Vergleich anders aus. Während in Dänemark sogar 90 Prozent bezahlt werden, erhalten Arbeitslose in Italien überhaupt nur zehn Monate Geld. In den ersten sechs Monaten beträgt dies 50 Prozent des letzten Nettolohns. Ab dem 7. Monat wird dann 40 Prozent der durchschnittlichen Vergütung der Vormonate gezahlt. In Großbritannien erhalten Arbeitslose eine Zahlung von 356 Euro je Woche für die Dauer von Maximal 26 Wochen.

Diese regionalen und strukturellen Unterschiede möchte Jean-Claude Juncker nun mit einem europaweiten Strukturprogramm angleichen: Kann das überhaupt funktionieren?

Europäische Arbeitslosenversicherung: Der Plan im Detail

Die genannte Summe von 55 Milliarden Euro unterscheidet Juncker gegenüber der Welt am Sonntag in 30 Milliarden Euro, die für Steukturbeihilfeprogramme bereit gestellt werden, und 25 Milliarden Euro, die für strukturelle Arbeitslosigkeit bereit gehalten werden. Das neue Arbeitslosengeld soll zudem sicher stellen, dass Zusagen der Arbeitslosenversicherung auch bei grossen Umbrüchen wie beispielsweise der Freisetzung von Arbeitskraft durch den vermehrten Einsatz digitaler Technologien aufrecht erhalten werden können. Hierbei sieht er vor allem Südeuropa in der Pflicht.

Die Kommission pfeift ihren Präsidenten zurück

Schon am Samstag, also einen Tag vor Erscheinen des Interviews in der Welt am Sonntag, veröffentlicht die Pressestelle der Europäischen Kommission eine „Klarstellung zur angeblichen Forderung von Kommissionspräsident Juncker nach einer europäischen Arbeitslosenversicherung“. Inhalt dieser Pressemitteilung ist einerseits das wortwörtliche Zitat des Junckerinterviews und andererseits eine Richtigstellung: So handele es sich um keine neue Forderung, sondern in der gegenwärtigen Finanzplanung sei bereits ein Entwurf zum Einwirken auf den von Juncker beschriebenen Effekt eingeplant. Diese könne, so die offizielle Stellungnahme weiter, auch für die Arbeitslosenversicherung genutzt werden.

Festzuhalten bleibt jedoch bei allen Ideen zum Thema, dass ein konkreter Plan fehlt. Teil dessen müsste eine Darlegung sein, wie bestehende nationale Systeme in diese Versicherung integriert werden können. Insbesondere die Frage mach dem Umgang mit gebildeten Rückstellungen aufgrund guter Konjunktur sorgt dabei für Aufmerksamkeit. Somit steht nicht zu erwarten, dass eine Umsetzung zu erwarten ist. (fm)

Foto: Shutterstock

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