Bis vor wenigen Jahren galt in der Finanzbranche: Über Geld spricht man am besten persönlich. Doch dieses Selbstverständnis gerät ins Wanken. Mit der fortschreitenden Digitalisierung ändert sich das Kommunikationsverhalten der Menschen grundlegend – und damit auch ihre Erwartungen an Finanzberatung. Präsenzgespräche verlieren an Bedeutung, während digitale Kanäle stärker gefragt sind.
Laut einer aktuellen Auswertung der Bewertungsplattform WhoFinance wünschen sich nur noch 63 Prozent der Anleger ein persönliches Gespräch, wenn es um ihre Geldanlagen geht. Bereits 18,7 Prozent bevorzugen Videoberatung. Besonders beliebt sind hybride Modelle, die persönliche, telefonische und digitale Beratung kombinieren – sie erreichen mit 11,8 Prozent die höchste Zustimmung.
„Der Trend zeigt eindeutig, dass die persönliche Beratung auf dem Rückzug ist – aber Kunden hinter der Technik immer noch einen kompetenten Berater erwarten“, sagt Mustafa Behan, Gründer und Geschäftsführer von WhoFinance.
Pandemie als Katalysator für neue Beratungsformen
Die Corona-Pandemie hat die Entwicklung zusätzlich beschleunigt. Als im Frühjahr 2020 persönliche Treffen plötzlich nicht mehr möglich waren, stellten viele Banken und Finanzberater innerhalb kürzester Zeit auf Telefon- und Videogespräche um. Damit fiel eine lang gehegte Überzeugung: dass Geldgeschäfte ausschließlich im persönlichen Kontakt funktionieren.
Auch in anderen Bereichen der Finanzberatung zeigt sich der Wandel deutlich. Bei der Altersvorsorge wünschen sich nur noch 57 Prozent der Kunden persönliche Beratung, bei der Immobilienfinanzierung 55 Prozent, bei Versicherungen rund die Hälfte. Immer mehr Verbraucher informieren sich online und schließen einfache Produkte direkt digital ab. Selbst unter Unternehmern legt nur noch etwa jeder Zweite Wert auf persönlichen Kontakt.
Trotz aller digitalen Möglichkeiten bleibt das Bedürfnis nach menschlicher Beratung bestehen – vor allem bei langfristigen Entscheidungen wie dem Eigenheimkauf oder der Altersvorsorge. „Kunden wollen sich rückversichern und suchen dabei den Kontakt zu erfahrenen Beraterinnen und Beratern, denen sie vertrauen“, betont Behan.
Hybride Beratung als Zukunftsmodell
Die Zukunft der Finanzberatung liegt in hybriden Modellen, die persönliche Nähe und digitale Flexibilität verbinden. Die einst aus der Not der Pandemie geborene Videoberatung hat sich inzwischen fest etabliert. Sie ermöglicht ortsunabhängige Gespräche, spart Zeit und erweitert den Handlungsspielraum von Beratern und Kunden gleichermaßen.
„Ein Finanzberater muss verschiedene Kanäle anbieten“, rät Behan. Wer moderne Technologien nutzt, kann seine Reichweite deutlich vergrößern – weit über die eigene Region hinaus. Sein Fazit: „Sich heute ausschließlich auf das persönliche Gespräch zu verlassen, wird künftig nicht mehr reichen.“