100 Tage Schwarz-Rot: Immobilienwirtschaft zieht gemischte Bilanz

Iris Schöberl, ZIA
Foto: ZIA/Laurence Chaperon
Iris Schöberl, ZIA: "Wir haben mehr erwartet."

Gut drei Monate nach Amtsantritt der neuen Bundesregierung zieht der Immobilienverband ZIA eine erste Bilanz – und die fällt gemischt aus. Manche Vorhaben nehmen Gestalt an, andere verharren im Stillstand. Welche Projekte jetzt dringend Fahrt aufnehmen müssen.

Nach 100 Tagen im Amt steht die Bundesregierung vor altbekannten Herausforderungen: Investitionen ankurbeln, Genehmigungsverfahren beschleunigen und bürokratische Hürden abbauen. Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) hat zentrale Reformfelder bewertet – von Baugesetzbuch und Mietrecht bis zu steuerlichen Rahmenbedingungen und Klimavorgaben. „Unser Resümee fällt insgesamt verhalten aus: Wir als Immobilienwirtschaft haben mehr erwartet. Namentlich der Wohnungsbau muss endlich Priorität bekommen!“, so ZIA-Präsidentin Iris Schöberl.


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Bau- und Planungsrecht
Mit dem geplanten Paragraf 246e BauGB, dem sogenannten „Bau-Turbo“, soll Wohnraum schneller entstehen. Fortschritte gibt es beim Gesetzentwurf: So entfällt die Mindestanzahl von sechs Wohneinheiten, Befreiungstatbestände wurden erweitert. Kritik übt der ZIA an der geplanten Befristung bis 2030 und der Zustimmungspflicht der Gemeinden.

Baugesetzbuch und Gebäudetyp E
Die umfassende Novelle des Baugesetzbuchs steht aus; ein konkreter Zeitplan liegt bislang mit Ausnahme der Umsetzung des „Bau-Turbos“ nicht vor. Im aktuellen Gesetzentwurf zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung wurden einzelne Punkte – etwa zum Lärmschutz – zwar aufgegriffen, bleiben jedoch hinter den Erwartungen der Branche zurück. So sieht der ZIA beim Lärmschutz weiter Anpassungsbedarf, um Mixed-Use-Quartiere zu erleichtern. Zur rechtlichen Verankerung eines „vereinfachten Gebäudetyps E“ wird vom Bauministerium momentan eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Ziel ist kostengünstiges, technologieoffenes Bauen ohne übermäßige technische Vorgaben. Eigentlich steht der Inhalt, aber das Vorhaben ist offenbar zunächst in der Warteschleife gelandet.

Mietrecht
Eine Expertenkommission mit Beteiligung von Mieter- und Vermietervertretern einschließlich des ZIA startet im September. Bis Ende 2026 sollen Vorschläge zur Harmonisierung mietrechtlicher Vorschriften und zur Reform der Mietwucherregelung vorliegen. „Entscheidend ist, dass die Gruppe paritätisch besetzt ist, unabhängig arbeitet und sowohl den Schutz sozialer Bedürfnisse sicherstellt als auch ein investitionsfreundliches Umfeld schafft“, heißt es vom ZIA. 

Steuerpolitik
Das Investitionssofortprogramm bringt zwar neue Abschreibungsmöglichkeiten und niedrigere Körperschaftsteuer, die Maßnahmen haben aus Sicht der Immobilienwirtschaft jedoch nur begrenzte Wirkung und geben weder für den Neubau noch für Bestandssanierungen Impulse. Der ZIA fordert höhere Sonderabschreibungen, weniger strenge Effizienzvorgaben und erweiterte Förderung energetischer Modernisierungen. „Es besteht dringender Handlungsbedarf“, so der Verband. Die degressive Abschreibung von 30 Prozent sei mit dem „Investitions-Booster“ im Rahmen des Investitionssofortprogramms zwar umgesetzt worden und grundsätzlich begrüßenswert, habe allerdings nur begrenzte Wirkung für die Immobilienwirtschaft. 

Gebäudeenergiegesetz (GEG)
Die angekündigte Abschaffung des „Heizungsgesetzes“ sorgt für Unsicherheit. Investitionen werden zurückgehalten, während das Risiko einer Rückkehr zu Gasheizungen steigt. Die Branche plädiert für eine gezielte Überarbeitung des GEG, nicht für seine Abschaffung, und fordert schnelle Klarheit – auch mit Blick auf die EU-Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie.

Kapitalmarkt und Infrastruktur
Das Zweite Zukunftsfinanzierungsgesetz, das Investitionen in Infrastruktur und Erneuerbare fördern soll, wartet auf den Startschuss. Für die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes, die Netzanschlüsse beschleunigen und Kosten senken soll, gibt es zwar einen Entwurf. Dieser greife aber zentrale Herausforderungen beim Netzanschluss nicht auf. 

Energiepreise und Digitalisierung
Die Stromsteuersenkung soll nach aktuellem Stand nur der Industrie zugutekommen. Der ZIA fordert Entlastung auch für private Verbraucher. Eine nationale Gebäudeenergiedatenbank für die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden ist bislang nicht in Arbeit, obwohl sie aus Sicht des ZIA für Sanierungsentscheidungen und die Erfüllung von EU-Vorgaben als zentral gilt.

Weitere Themen
Beim NIS-2-Umsetzungsgesetz zur Cybersicherheit lobt die Branche den Ansatz, kritische Infrastruktur differenziert zu regulieren, warnt aber vor Rechtsunsicherheit durch unklare Definitionen. Die neue Enquete-Kommission zur Corona-Pandemie wird aus Sicht des ZIA positiv bewertet, da auf Druck des Verbands nun auch Handel und Hotellerie in den Blick genommen werden.

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