Ahrtal im Aufbau, Politik in der Bringschuld: GDV pocht auf Klimavorsorge-Transparenz

Jörg Asmussen, GDV, Hauptgeschäftsführer
Foto: GDV
Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des GDV: "Derzeit haben wir in Deutschland kein aktuelles Lagebild."

Vier Jahre nach der Flut im Ahrtal nimmt der Wiederaufbau Fahrt auf, allerdings fehlt immer noch ein bundesweiter Überblick über Hochwasserschutz. Der GDV fordert mehr Transparenz bei Klimavorsorge und warnt vor gefährlichen Lücken.

Vier Jahre nach der verheerenden Flutkatastrophe im Ahrtal werden in der Region konkrete Schritte unternommen, um sich künftig besser gegen Extremwetter zu schützen. Herzstück der geplanten Maßnahmen ist der Bau mehrerer groß dimensionierter Rückhaltebecken. Diese sollen im Fall erneuter Starkregenereignisse enorme Wassermengen auffangen und damit Ortschaften entlang der Ahr vor Überflutungen bewahren. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) begrüßt die Fortschritte im Ahrtal – sieht aber bundesweit erhebliche Defizite in der Transparenz und Koordination von Präventions- und Anpassungsmaßnahmen.

Vielerorts unzureichender Schutz

„Im Ahrtal wird sichtbar angepackt. Die Region treibt umfangreiche Schutzmaßnahmen voran. Zwar sind viele Orte noch immer unzureichend geschützt, doch mit den geplanten Großprojekten ist ein entscheidender Schritt gemacht“, betont GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. „Nach der Flut zeigt sich hier exemplarisch, wie vorausschauende Klimaanpassung ganz konkret aussehen kann. Damit andere Regionen aus solchen Präventionsprojekten lernen können, benötigen wir schnellstmöglich eine zentrale Übersicht, was wo mit welchem Planungs- und Umsetzungshorizont passiert.“


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Insgesamt wurden 17 potenzielle Standorte für Rückhaltebecken identifiziert, vier davon sollen prioritär realisiert werden. Ergänzt werden sie durch kleinere Maßnahmen wie Uferabsenkungen und Flussaufweitungen, die das Abflussverhalten der Ahr verbessern sollen. Einige Projekte sind bereits abgeschlossen.

Doch der GDV warnt davor, die Fortschritte im Ahrtal als bundesweit repräsentativ zu sehen. Aufgrund des Klimawandels nehmen Extremwetterereignisse wie Starkregen, Sturzfluten oder Überschwemmungen in ganz Deutschland zu. Trotz vielerorts begonnener Planungen fehlt es an einem zentralen Überblick über laufende und geplante Klimaanpassungsmaßnahmen.

Zentrale Informationsplattform fehlt

„Uns fehlt in Deutschland eine zentrale Plattform, die über alle laufenden und geplanten Anpassungsmaßnahmen informiert“, so Asmussen. Wer als Verantwortlicher nach Orientierung suche, finde nur selten konkrete Informationen zu Best Practices anderer Regionen. „Wenn überhaupt, stehen Informationen zum Bevölkerungsschutz und der Klimafolgenanpassung erst dann zur Verfügung, wenn Maßnahmen vollständig abgeschlossen sind.“

Das habe auch Auswirkungen auf die Risikomodelle der Versicherer: „Derzeit haben wir in Deutschland kein aktuelles Lagebild. Es fehlen transparente, einfach zugängliche Informationen, welche Präventionsmaßnahmen in Planung sind oder bereits umgesetzt werden“, kritisiert Asmussen. Selbst bei essenziellen Infrastrukturen wie Binnen- und Küstendeichen fehle es an einem vollständigen, zentralen Datensatz zu Zustand und Schutzgrad. Die Folge: ein unvollständiges Risikobild und verlorenes Erfahrungswissen.

Dabei ließen sich viele der nötigen Informationen in Behörden durchaus abrufen – doch es mangelt an Bündelung, Aktualität und öffentlicher Zugänglichkeit. „Wir brauchen in Deutschland ein Radar der Klimaanpassungsmaßnahmen“, fordert Asmussen. „Nur mit einem klaren Lagebild kann gezielt investiert, Prioritäten gesetzt und die richtigen Lehren gezogen werden – aus dem Ahrtal, aber auch darüber hinaus.“

Ausbau des Naturgefahrportals gefordert

Ein geeigneter Ausgangspunkt für mehr Transparenz könnte nach Ansicht des GDV das bestehende Naturgefahrenportal sein. Es bildet derzeit vor allem historische Ereignisse und Gefahrenpotenziale ab – nicht aber aktuelle Maßnahmen zur Klimavorsorge.

„Ohnehin sollte das Naturgefahrenportal weiter ausgebaut werden, beispielsweise wäre auch eine Abbildung der regionalen Gefährdung durch Erdbeben, Erdrutsche oder Erdsenkungen sinnvoll“, so Asmussen. „Es wäre sinnvoll, hier auch laufende und geplante Maßnahmen zur Prävention sichtbar zu machen. Nur dann haben Kommunen und Bürgerinnen und Bürger alle nötigen Informationen für wichtige Investitions- und Bau-Entscheidungen.“

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