Dass es den Unternehmen in der Berichtssaison gelingt, die Konsensprognosen zu übertreffen, ist nicht außergewöhnlich. Darin unterscheidet sich auch der Berichte-Reigen zum dritten Quartal 2025 nicht von seinen Vorgängern. Doch etwas ist anders. Vor der aktuellen Berichtssaison wurden erstmal seit längerer Zeit die Prognosen nicht im Vorfeld nach unten korrigiert. Dieses Mal waren die Erwartungen also hoch und den Konzernen ist es dennoch gelungen, den Markt positiv zu überraschen. Die Berichtssaison verläuft also bislang doppelt erfreulich, vor allem in den USA.
Jenseits des Atlantiks haben bis jetzt 90 Prozent der Unternehmen im S&P 500-Index Einblick in ihr Zahlenwerk gewährt. Davon haben rund 74 Prozent die Prognosen bei Umsatz, 75 Prozent beim Gewinn übertroffen. Das ist sehr solide. Europa schneidet wie gewohnt etwas schlechter ab, wie sich am STOXX 600-Index zeigt. Hier liegen die positiven Überraschungen bislang bei 44 Prozent für die Umsätze, 49 Prozent für die Gewinne, aber die Europäer starten auch immer später in die Berichtssaison. Auf dem Alten Kontinent haben bis dato erst 75 Prozent der Konzerne ihre Bücher geöffnet.
Erste Anzeichen für mehr Marktbreite in den USA
Doch die aktuelle Berichtssaison wartet mit noch mehr positiven Tendenzen auf. Mit Blick auf die USA zeichnet sich erstmals seit dem zweiten Quartal 2021 eine größere Marktbreite bei den guten Ergebnissen im S&P 500-Index ab. Die positiven Überraschungen konzentrieren sich nicht mehr nur auf einige dominante Spieler aus wenigen Bereichen, wie etwa die Magnificent Seven, sondern sie verteilen sich wieder auf mehr Branchen. Andere Sektoren beginnen also, gegenüber dem Technologiesektor aufzuholen. Noch ist der Abstand groß, doch es sind die ersten Anzeichen dafür, dass die doch sehr einseitige Dominanz durch die großen Tech-Konzerne abnehmen könnte. Das wäre eine durchaus gesunde Entwicklung und würde den Markt auf Dauer stabilisieren, weil die Abhängigkeit von wenigen Werten aus einem Bereich abnimmt.
Mit Blick auf den Tech-Sektor könnte eine Trendwende bevorstehen. Auch hier haben bislang alle Unternehmen besser berichtet als erwartet. Doch bei Konzernen wie Microsoft und Meta waren die positiven Kursreaktionen auf die guten Nachrichten verhaltener. Das zeigt, dass die Marktteilnehmer anfangen zu selektieren. Noch ziehen sie die Werthaltigkeit der anhaltend hohen Investitionen in den Bereich Künstliche Intelligenz nicht grundsätzlich in Zweifel. Doch sie beginnen sich zu fragen, wer die besten Lösungen entwickelt oder bereits im Angebot hat, um im Rennen um künftige Einnahmen aus dem Bereich KI die Nase vorne zu haben. Im Moment übersteigt die Nachfrage nach KI- und Cloud-Lösungen noch die Kapazitäten. Das Wachstumspotenzial des Sektors bleibt also intakt. Dennoch sind schon viele Erwartungen in den Kursen enthalten und vieles ist erst Zukunftsmusik. Das heißt, die Marktteilnehmer werden künftig auch bei guten Zahlen noch genauer hinschauen, wer in ihren Augen Potenzial hat.
US-Importzölle belasten bislang kaum
Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Umsätze in den USA bis dato sehr gut ausgefallen sind. Auch die Gewinne bewegten sich in einem zufriedenstellenden bis guten Bereich. Daran zeigt sich, dass es den Unternehmen in den Vereinigten Staaten bisher gelungen ist, die höheren Kosten, die ihnen durch die Importzölle entstehen, über höhere Preise an ihre Kunden weiterzugeben. Im Frühjahr waren viele Marktteilnehmer noch skeptisch, ob das gelingen würde. Die Experten von Union Investment waren auch damals schon zuversichtlich und sehen sich jetzt in ihrem Optimismus bestätigt. Mittlerweile gehen sie davon aus, dass die Gewinne in den USA in diesem Jahr um rund zehn Prozent wachsen. Anfang des Jahres haben sie noch mit acht bis neun Prozent gerechnet, die Konsensprognosen des Markts lagen lediglich im niedrigen einstelligen Bereich. Auch hier zeigt sich Europa gewohnt schwächer als die USA. Diesseits des Atlantiks werden die Gewinne in etwa so ausfallen wie 2024.
Erfreuliche Ausblicke und solides Gewinnwachstum 2026
2026 erwarten die Investmentstrategen von Union Investment allerdings auch in Europa ein Gewinnwachstum von zehn Prozent – ausgehend von einem niedrigen Niveau. Trotzdem ist das eine klare Verbesserung gegenüber diesem Jahr, in dem die Gewinne ihr Niveau vom Vorjahr lediglich halten dürften. Getragen wird das Wachstum unter anderem von den diversen Infrastruktur- und Verteidigungspaketen der europäischen Regierungen und der Europäischen Union. Auch in den USA sollten die Gewinne wieder um zehn Prozent zulegen können – und zwar ausgehend von dem bereits sehr hohen Gewinnniveau in diesem Jahr.
Dazu passen die zahlreichen optimistischen Ausblicke, die die Konzerne für die kommenden Quartale gegeben haben. Sie waren möglicherweise die größte Überraschung der aktuellen Berichtssaison. Viele Konzerne waren zuletzt sehr vorsichtig mit Ausblicken, vor allem aufgrund der Unsicherheit, die die US-Handelspolitik gebracht hat. Dieses Mal gab es erstmals wieder so viele Ausblick wie zuletzt im Jahr 2021 – und die Mehrzahl davon positiv. Das ist ein ermutigendes Signal, weil die Unternehmen sich an ihren eigenen Prognosen messen lassen müssen. Daran wird auch deutlich, dass ein Hauptbelastungsfaktor dieses Jahres, die US-Zölle, an Schrecken verloren hat.
Autor: Vincenzo Alfano, Senior-Portfoliomanager in der Gruppe Investmentstrategie bei Union Investment










