Aktienmärkte im Nachhaltigkeitsranking: Die Tops und Flops

ESG Environmental Social Governance Unternehmensstrategie Investitionskonzept. Geschaeftsmann drueckt Taste auf dem Bildschirm.
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Welche Aktienmärkte in Sachen ESG besonders gut undd besonders schlecht aufgestellt sind.

Schroders bewertet die größten Aktienmärkte der Welt nach ihren Nachhaltigkeitsmerkmalen und bietet einen zusätzlichen, unterschätzten Blick auf die Bewertung ihrer Risiken und Chancen.

Mit einem proprietären Tool, SustainEx*, das den Dollarwert der negativen und positiven Auswirkungen einzelner Unternehmen auf die Gesellschaft quantifiziert, hat Schroders die 20 größten Aktienmärkte auf Grundlage ihrer Nachhaltigkeitsmerkmale eingestuft.

Die Aktienmärkte Spaniens, Deutschlands und Dänemarks erwiesen sich dabei als führend, während sich Großbritannien und die Niederlande als Nachzügler herausstellten. Die jeweils unterschiedliche Branchenzusammensetzung erklärt, warum das so ist (siehe unten).

Außerdem haben wir untersucht, ob sich das Bild für das Durchschnitts-Unternehmen im Vergleich zu allen Unternehmen in jedem Markt auf kumulierter Ebene unterscheidet. Das ist in der Tat häufig der Fall. Obwohl beispielsweise der britische Markt in unserer Rangliste weit unten rangiert, hat etwa die Hälfte der britischen Unternehmen einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft, der nicht gewürdigt wird.

Das ist wichtig, aber nicht alles, was zählt

In der Vergangenheit wurden die negativen Auswirkungen der Aktivitäten von Unternehmen von der Gesellschaft getragen. Aber von CO2-Abgaben bis hin zu Zuckersteuern werden diese Auswirkungen von den Regierungen zunehmend auf die verantwortlichen Unternehmen zurückgeworfen. Unternehmen und Verbraucher achten zudem mehr auf das Verhalten der Unternehmen, mit denen sie Geschäfte machen.

SustainEx ist das von den Portfoliomanagern und Analysten bei Schroders verwendete Instrument, mit dem diese Risiken bei Anlageentscheidungen bewertet werden. Es trägt dazu bei, sich ein umfassenderes Bild von den Risiken und Chancen zu machen, denen die einzelnen Unternehmen ausgesetzt sind.

Wichtig ist jedoch, dass Nachhaltigkeitsmerkmale nur ein Teil des Puzzles sind und nicht in Isolation betrachtet werden sollten. Viele weitere Faktoren beeinflussen den Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens und einer Investition. Wenn es darum geht, Renditen für unsere Anleger zu erwirtschaften, sind die Bewertungen ausschlaggebend. Es ist die Aufgabe von aktiven Anlegern wie uns, zu erkennen, wo der Markt letztlich steht, und die sich daraus ergebenden Risiken und Chancen richtig in die Bewertungen einzubeziehen. Das gilt für die Nachhaltigkeit gleichermaßen wie für zahlreiche andere wichtige Aspekte.Sustainability stock market league

Die sozialen Merkmale des spanischen Aktienmarktes – und ein Beispiel dafür, wie SustainEx funktioniert

Ein Wert von 3,3 % für den spanischen Markt bedeutet, dass die dort notierten Unternehmen in Summe einen nicht gewürdigten positiven Effekt auf die Gesellschaft haben, der 3,3 % ihrer Umsätze ausmacht.

Zum Vergleich: In der Konsensprognose geht man davon aus, dass die Gewinnmargen der spanischen Unternehmen in den nächsten zwölf Monaten bei 11,3 % liegen werden. Wenn sich diese positiven externen Effekte jedoch in finanzieller Hinsicht niederschlagen würden, stiege dieser Wert auf 14,6 %. In Geld ausgedrückt entspräche der Gewinn pro 100 EUR Umsatz 14,60 EUR und nicht 11,30 EUR, was einem Anstieg von 29 % entspricht – Zahlen, die man nicht ignorieren sollte.

Das bedeutet nicht, dass alle Unternehmen auf diese Weise oder in dieser Hinsicht betroffen sein werden. Vielmehr handelt es sich hierbei um unsere Schätzung der potenziellen aggregierten Auswirkungen, wenn alle spanischen Unternehmen zusammengefasst werden.

Eine entsprechende Zahl für alle anderen Märkte ist in Abbildung  2 dargestellt. Anders als in Spanien wirken sich die Unternehmen an den meisten Börsen nachteilig auf Umwelt und Gesellschaft aus. Die Unternehmensgewinne an den meisten Aktienmärkten würden in die Knie gezwungen, wenn die Dollarkosten dieser negativen externen Effekte auf sie zurückfielen.

Diese und andere Zahlen, die in diesem Artikel angeführt werden, sollten nicht als Prognose verstanden werden, sondern als Hinweis auf die potenziellen Risiken und Chancen, mit denen verschiedene Unternehmen und Märkte konfrontiert sind. Sie machen auch keinerlei Aussage über ein Land selbst, sondern nur über die jeweils dort börsennotierten Unternehmen.

Was steckt also hinter dem starken Abschneiden des spanischen Marktes? Die großen Versorgungs- und Telekommunikationsunternehmen leisten wertvolle Dienste für die Gesellschaft. Zum Beispiel sorgen Versorgungsunternehmen für sauberes Wasser, Abwasser und sanitäre Einrichtungen. Der Mangel an sauberem Wasser, sanitären Einrichtungen und angemessener Hygiene ist mit eine der häufigsten Todesursachen bei Kindern unter fünf Jahren, etwa aufgrund von Durchfallerkrankungen, Lungenentzündung, Erkrankungen von Neugeborenen und Unterernährung. Unternehmen erzielen offensichtlich Einnahmen aus diesen Dienstleistungen, aber ihre Preise sind weit unter dem daraus entstehenden sozialen Wert gedeckelt. Einige Versorger haben auch einen stark negativen Einfluss auf die Umwelt – und der spanische Markt ist an dieser Front lediglich der siebtbeste – wenngleich es hier sehr große unternehmensspezifische Unterschiede gibt.

Aber es sind nicht nur die großen Unternehmen des spanischen Marktes, die seine hohe Glaubwürdigkeit in Sachen Nachhaltigkeit untermauern. Spanien liegt auch an zweiter Stelle gemessen am Unternehmensmedian.

Starker Auftritt an den deutschen und dänischen Aktienmärkten

Unserer Analyse zufolge gibt es nur eine Handvoll anderer Aktienmärkte, deren Netto-Externalitäten positiv sind.

Hervorzuheben wäre hier der dänische Markt. Es liegt nicht nur an dritter Stelle, wenn sämtliche Netto-Externalitäten aller seiner Unternehmen aggregiert werden, sondern auch an erster Stelle für den Median der Unternehmen. Ferner handelt es sich dabei um den einzigen Markt, für den wir von einem insgesamt positiven Nettoeffekt der Unternehmen auf die Umwelt ausgehen. Letzteres ist vor allem auf die Präsenz des großen Windkraftanlagenherstellers von Vesta zurückzuführen.

Im Gegensatz zu Spanien schneidet der dänische Aktienmarkt jedoch an sozialer Front relativ schlecht ab (18/20). Hauptverantwortlich ist hierfür der Hersteller von alkoholischen Getränken Carlsberg.

Die Studien variieren zwar, aber die meisten zeigen, dass die Kosten im Zusammenhang mit Gesundheit und Kriminalität etwa die Hälfte der Gesamtkosten ausmachen, die durch Alkoholkonsum entstehen, während die indirekten Kosten in Verbindung mit Arbeitslosigkeit, Fehlzeiten und Produktivität den Rest ausmachen. Die meisten Studien deuten zudem darauf hin, dass Komasaufen die dominierende Kostenquelle ist und nicht soziales Trinken.

Dies unterstreicht einen wichtigen Punkt. Viele Unternehmen und Märkte schneiden bei ESG für jeweils einen der E-, S- oder G-Werte gut ab, für einen anderen jedoch schlecht. Das trifft beispielsweise auf Spanien und Dänemark zu. Einige Anleger ziehen es möglicherweise vor, sich auf Umweltrisiken zu konzentrieren, andere wiederum auf soziale Bereiche. Dass es jemals zu einer vollständigen ESG-Ausrichtung kommen wird, ist indes eher unwahrscheinlich.

In der hier vorgestellten Analyse nehmen wir in diesem Punkt keine moralische Haltung ein. Stattdessen handelt es sich um eine Finanzanalyse der nicht erkannten finanziellen Risiken für Unternehmen, die sich aus den Externalitäten ergeben, welche sie der Gesellschaft auferlegen oder für sie erzeugen. Es handelt sich um einen bewusst objektiven, nicht moralistischen Ansatz.

Der schlechte Status der Märkte in Großbritannien und den Niederlanden verdeckt viele nachhaltige Unternehmen

Am anderen Ende der Grafik befinden sich die britischen und niederländischen Aktienmärkte, die beide weitaus schlechter abschneiden als ihr nächster Konkurrent Indien (Abbildung 2).

In beiden Märkten belaufen sich die nicht erfassten Kosten der Aktivitäten ihrer börsennotierten Unternehmen auf mehr als ihre Gewinne. Wenn sich diese als Kosten in ihren Gewinn- und Verlustrechnungen niederschlagen würden, würde dies alle Gewinne ausmerzen, und gar für tiefrote Zahlen sorgen. Dies ist zwar keine Prognose, lässt jedoch auf die potenziellen Risiken für die Rentabilität der Unternehmen schließen.

Aber nicht alle britischen und niederländischen Unternehmen sind problematisch

Der Grund, warum der britische Aktienmarkt so schlecht abschneidet, ist in der Tat nicht seine bekannte hohe Allokation in den umweltverschmutzenden Energie- und Grundstoffsektoren (die Ende Juli zusammen 23 % des Marktes ausmachten) auch wenn diese nicht gerade hilfreich ist. Nach Umweltkennzahlen liegt das Vereinigte Königreich mit Platz 12 im Mittelfeld.

Was wirklich schmerzt, ist das Marktexposure gegenüber Unternehmen aus den Bereichen Tabak und alkoholischen Getränke. Diese haben direkte gesundheitliche und indirekte gesellschaftliche Kosten zur Folge. Der niederländische Markt leidet ebenfalls unter seiner Abhängigkeit von Herstellern alkoholischer Getränke.

Was die schlechten Bewertungen der Märkte in ihrer Gesamtheit nicht aussagen, ist indes, dass unseren Analysen zufolge in etwa die Hälfte der börsennotierten Unternehmen einen positiven, nicht gewürdigten Einfluss auf die Gesellschaft haben. Daraus ergäben sich finanzielle Vorteile, wenn dies in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst und sich dort niederschlagen würde.

Darüber hinaus sieht das Bild für britische Small- und Mid-Cap-Unternehmen ganz anders aus als für Large Caps. Die Unternehmen im britischen FTSE 250 Index weisen zusammengenommen positive soziale Externalitäten im Vergleich zu den negativen Zahlen für britische Large Caps auf. Außerdem verursachen sie weniger Umweltschäden. Allerdings sind die Dinge in Wirklichkeit stets komplexer. Unsere Rangliste bringt zwar zusätzliche Erkenntnisse, ist aber zu undifferenziert, um für sich genommen bei Anlageentscheidungen herangezogen werden zu können.

Wie wesentlich sind diese externen Effekte für die Unternehmensgewinne? Sehr

In vielen Fällen würden die Unternehmensgewinne stark beeinträchtigt, wenn die finanziellen Auswirkungen von Unternehmen auf Umwelt und Gesellschaft von den dahinter stehenden Unternehmen geschultert würden (Abbildung 2).Sustainability stock market league

Es mag seltsam anmuten, dass die Gewinne chinesischer Unternehmen stärker gefährdet sind als diejenigen saudi-arabischer Unternehmen, während unsere Rangliste zeigt, dass saudi-arabische Unternehmen einen größeren negativen Einfluss auf die Gesellschaft haben. Dies liegt daran, dass der chinesische Aktienmarkt eine relativ niedrige prognostizierte Gewinnspanne (4,7 %) hat, während der saudi-arabische Markt eine relativ hohe Gewinnspanne (21,0 %) aufweist. Im Klartext bedeutet dies, dass chinesische Unternehmen einfach weniger Spielraum haben, um zusätzliche Kosten aufzufangen.

Was sollten Anleger tun?

Wie wir bereits erwähnt haben, bieten SustainEx und unsere Rangliste zusätzliche Einblicke in die Risiken und Chancen der verschiedenen Unternehmen und Aktienmärkte. Allerdings sollten diese Instrumente nicht als Grundlage für Kauf- oder Verkaufsentscheidungen dienen. Sie sind lediglich ein Teil eines viel größeren Puzzles.

Was die Renditen betrifft, so garantieren starke Nachhaltigkeitsmerkmale keine guten Renditen, ebenso wie schwache Nachhaltigkeitsmerkmale keine schlechten Renditen bedingen müssen. Vielmehr gilt es zu beurteilen, wie viel von den Chancen und Risiken bereits in den Aktienkursen eingepreist ist. An dieser Stelle kommen aktive Manager ins Spiel.

Einige Anleger legen großen Wert darauf, die Nachhaltigkeit ihres Portfolios zu verbessern. Andere wiederum wollen eine positive Wirkung erzielen. Ein Portfolio, das die Märkte der schlimmsten Übeltäter ausschließt, wäre für die Gesellschaft offensichtlich weitaus vorteilhafter, als lediglich an den breiten globalen Märkten zu investieren. Dies gilt nicht nur für Aktienmärkte, sondern auch für Sektoren oder einzelne Unternehmen.

Aber das bedeutet noch lange nicht, dass es das Richtige wäre, um bessere Ergebnisse im Hinblick auf die Gesellschaft – oder Anlagerenditen – zu erzielen.

Der Ausschluss bestimmter Unternehmen oder Sektoren verhindert nicht, dass schädliche Aktivitäten stattfinden. Für jeden Verkäufer von Aktien gibt es einen Käufer. Und vielleicht ist es diesem Käufer nicht so wichtig, mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, um einen Übergang weg von schädlicheren Aktivitäten zu fördern – eine Aktivität, in die wir bei Schroders übrigens viel Mühe investieren.

Wir glauben fest an die Kraft und Bedeutung von Active Ownership und verfügen über eine umfassende Erfahrung bei der Identifizierung der effektivsten Wege, um mit den Unternehmen, in die wir investieren, in Kontakt zu treten. Dies kann zu besseren Ergebnissen für die Gesellschaft führen und bessere Renditen für die Aktionäre generieren (diese sich nicht gegenseitig ausschließenden Aspekte sind eigentlich untrennbar miteinander verbunden). 

Natürlich gibt es rote Linien. Wenn Unternehmen sich der Zusammenarbeit verweigern, oder wenn ihr Geschäftsmodell so untrennbar mit Schaden verbunden ist, dass sie praktisch ein hoffnungsloser Fall sind, dann gibt es möglicherweise keine andere Option als zu verkaufen. Dieser Schritt ist Teil unseres Instrumentariums als aktiver Manager, sollte unseres Erachtens jedoch eines der letzten Mittel sein, das Anlegern zur Verfügung steht, und nicht das erste.

Mehr darüber, woher das kam

Wir planen, unser Nachhaltigkeitsranking zu Aktienmärkten zweimal im Jahr zu aktualisieren, einschließlich der Analyse größerer Änderungen. Darüber hinaus führen wir zusätzliche Untersuchungen durch, um Ihnen dabei zu helfen, ein tieferes Verständnis für die Nachhaltigkeitsmerkmale von Anlagen an den Aktienmärkten und die Frage zu entwickeln, in welchem Zusammenhang sie mit Bewertungen und Renditen stehen. Halten Sie also Ausschau nach weiteren Insights Artikeln und Analysen dazu.

* SustainEx™ liefert eine Schätzung der potenziellen „Externalitäten“, die ein Emittent in Bezug auf seine sozialen und ökologischen „Kosten“ oder „Vorteile“ eventuell verursacht. Dies erfolgt durch die Verwendung bestimmter Kennzahlen in Bezug auf diesen Emittenten und deren Quantifizierung in positiver (z. B. durch die Zahlung „fairer Löhne“) und negativer (z. B. der von einem Emittenten emittierte Kohlenstoff) Hinsicht, um ein aggregiertes fiktives Maß für die sozialen und ökologischen „Kosten“ oder „Externalitäten“ des jeweiligen zugrunde liegenden Emittenten zu erstellen. SustainEx™ nutzt und stützt sich auf die Daten Dritter (einschließlich Schätzungen Dritter) sowie auf die eigenen Modellierungsannahmen von Schroders, und das Ergebnis kann von anderen Nachhaltigkeitsinstrumenten und -kennzahlen abweichen. Sofern sich SustainEx™ auf Daten und Schätzungen stützt, die von Dritten erstellt wurden, versucht Schroders sicherzustellen, dass diese Daten und Schätzungen zutreffend sind. Allerdings kann und wird Schroders die Richtigkeit, Vollständigkeit und Angemessenheit solcher Daten und Schätzungen Dritter nicht garantieren. Wie jedes Modell wird sich auch SustainEx™ im Laufe der Zeit weiterentwickeln, da Schroders die Kennzahlen und ihre relativen Beiträge kontinuierlich bewertet, verfeinert und ergänzt. Das Generieren von SustainEx™-Scores beinhaltet ein Element des Urteilsvermögens und der Subjektivität bei den verschiedenen von Schroders ausgewählten Kennzahlen, und dementsprechend übernimmt Schroders keine Haftung, die sich aus Ungenauigkeiten oder Auslassungen in SustainEx™-Scores oder der Verwendung von oder dem Vertrauen auf SustainEx™-Score ergibt. Im Zuge der Weiterentwicklung des Modells können Änderungen an der Art und Weise, wie Kennzahlen eingesetzt werden, zu Änderungen am SustainEx™-Score eines Emittenten und letztendlich an der Gesamtbewertung des Fonds/Portfolios führen. Gleichzeitig kann sich natürlich die SustainEx™-Performance des Emittenten verbessern oder verschlechtern.

Die Autoren:

Duncan Lamont ist Head of Research and Analytics bei Schroders und Hettie Mccarthy ist Quantitative Analyst, Schroders Systematic Investments.

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