EXKLUSIV

Beamte in der gesetzlichen Rente: Fachleute zweifeln am Nutzen des Modells

Michael Hauer
Foto: Petra Homeier
Michael Hauer, IVFP

Die Diskussion um eine mögliche Einbeziehung von Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung gewinnt an Dynamik. Fachleute warnen jedoch vor erheblichen finanziellen und strukturellen Risiken.

Fragt man die deutsche Bevölkerung, ist der Fall klar: Deutliche Zustimmung findet der Vorschlag, Beamte, Selbständige und Politiker in die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) einzubeziehen: 83 Prozent fänden das richtig und nur 11 Prozent falsch. Dies ist das Ergebnis des aktuellen ARD-„Deutschlandtrends“.

Beamte in Deutschland zahlen normalerweise nicht in die gesetzliche Rentenversicherung ein. Stattdessen haben sie einen eigenen, steuerfinanzierten Versorgungsanspruch („Pension“) gegenüber ihrem Dienstherrn. Ob sie künftig in die GRV einbezogen werden sollten, um die Finanzierung zu verbreitern, wird auf politischer Ebene immer wieder diskutiert. Doch die von Cash. befragten Rentenexperten sind skeptisch.

„Der Vorschlag, die Beamten in das System der gesetzlichen Renten zu integrieren, kann eher als populistische Aussage gewertet werden. Die Idee ist zumindest nicht zu Ende gedacht, denn dabei würden sich schwerwiegende Probleme ergeben“, erklärt Prof. Michael Hauer, Geschäftsführer des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP). „Das erste Problem dabei wäre, dass die Verträge der bestehenden Beamtenverhältnisse entsprechend geändert werden müssten, d.h. die Zusage der Pensionen, die sich jetzt in den Verträgen befinden, müssten dann herausgenommen werden. Um dies mit einer äquivalenten gesetzlichen Rente zu kompensieren, müsste der Staat die Rentenbeiträge der gesamten bisherigen Berufstätigkeitsphase nachzahlen. Dies kann sich der Staat definitiv nicht leisten.“


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Führt man die gesetzliche Rente nur bei den neuen Verbeamtungen ein, ist dies laut Hauer ebenfalls problematisch: „Zum einen müsste der Staat dann auf die Beamtenbezüge nochmals den halben Beitragssatz, aktuell 9,3 Prozent, an die gesetzliche Rente abführen. Darüber hinaus müssten die Bezüge der Beamten zumindest in den Ballungszentren beachtlich angehoben werden, um mit der Privatwirtschaft konkurrenzfähig zu sein. Dies gilt insbesondere bei Fachkräften. Denn heute ist es so, dass sich der eine oder andere eher für das Beamtenverhältnis entscheidet, weil er eben einen sicheren Job und im Alter eine durchaus attraktive Beamtenpension hat.“ Beides, sowohl die Beiträge in die gesetzliche Rente als auch die Anhebung der Bezüge, dürfte laut Hauer ein Volumen darstellen, das sich der Staat bei den aktuell leeren Kassen nicht leisten kann. Daher könne man als klares Fazit festhalten, dass die Einbeziehung der Beamten in die gesetzliche Rente ein nicht realisierbares Szenario darstellt.

Auch Prof. Dr. Michael Heuser, wissenschaftlicher Direktor des Diva (Deutsches Institut für Vermögensbildung und Alterssicherung) betont, dass die Einbeziehung der Beamten in die gesetzliche Rente nicht zur Lösung der aktuellen Herausforderungen beiträgt. „Erstens: Der Übergang von den Pensionen in die gesetzliche Rente wird Jahrzehnte dauern. Zweitens: Beamte haben eine vergleichbare Alterspyramide zur Gesamtbevölkerung, d.h. wir setzen die Demografie dabei nicht außer Kraft. Und drittens darf man nicht übersehen: In Zukunft würde dieses System sogar noch teurer werden, denn Beamte haben im Vergleich zur restlichen Bevölkerung eine höhere Lebenserwartung.“ Heuser rät, das Thema sehr wohl zu diskutieren, aber nicht unter dem Aspekt, dass alle Probleme gelöst sind, wenn die Beamten aufgenommen werden. „Das wird uns nicht gelingen.“

Nach Einschätzung von Jochen Ruß, Geschäftsführer des Instituts für Finanz- und Aktuarwissenschaften (Ifa), würde die Einbeziehung der Beamten das Rentensystem langfristig sogar belasten. „Das liegt ganz banal daran, dass Beamte im Durchschnitt – rein statistisch – länger leben als Nichtbeamte. Dafür gibt es unterschiedlichste Gründe; die soziodemografische Forschung weiß darüber sehr viel. Zu glauben, man könne das Rentensystem dadurch quasi heilen, ist ein Irrglaube. Wenn das Ziel ist, das Rentensystem zu stabilisieren – in dem Sinne, dass langfristig weniger Zuschüsse nötig sind –, ist dieser Ansatz dafür nicht geeignet.“ Ein Irrglaube, dem ein Großteil der Bevölkerung noch immer unterliegt.

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