Tausende Haushalte, Betriebe und Teile der öffentlichen Versorgung in Spanien und Portugal waren im Frühling über Stunden ohne Strom. Die Bilder aus Südeuropa werfen auch hierzulande Fragen auf: Wie gut sind Unternehmen auf ähnliche Szenarien vorbereitet? Und was genau bedeutet Resilienz bei einem vollständigen Stromausfall?
Nach Einschätzung von Volker Reimann, Risiko-Ingenieur bei HDI Risk Consulting, sind Stromausfälle keine theoretischen Extremereignisse mehr, sondern konkrete Geschäftsrisiken. Technische Defekte, Cyberangriffe, Extremwetter oder eine Überlastung der Netze können jederzeit zu flächendeckenden Ausfällen führen. Die Folgen reichen vom Produktionsstopp über Schäden an Anlagen bis hin zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten.
Schwachstellen erkennen, Informationen sichern
Als ersten Schritt empfiehlt Reimann eine gründliche Analyse der betrieblichen Abläufe: Welche Prozesse sind auf Strom angewiesen? Welche Systeme laufen im Hintergrund mit – etwa Pumpen, Steuerungen oder Server? Und wie sicherheitsrelevant sind diese Funktionen?
Besonders bei vernetzten Prozessen ist es entscheidend, Abhängigkeiten systematisch zu erfassen, um Kettenreaktionen zu vermeiden. Auch die Informationsversorgung spielt eine zentrale Rolle: Unternehmen sollten wissen, wo sie im Notfall belastbare Lageeinschätzungen erhalten – beispielsweise über sogenannte Leuchtturmstellen, die mit Notstrom, Funkverbindungen oder behördlicher Anbindung ausgestattet sind.
Infrastruktur absichern – mit realistischem Zeithorizont
Viele Unternehmen verfügen inzwischen über Notstromaggregate, unterbrechungsfreie Stromversorgungen oder mobile Ersatzsysteme. Doch laut Reimann sei häufig unklar, wie lange diese Anlagen tatsächlich durchhalten und ob sie im Ernstfall auch zuverlässig funktionieren. Wartungsintervalle, Treibstoffvorräte und die technische Steuerung der Systeme sind dabei ebenso relevant wie die Frage, welche Prozesse bei einem Stromausfall weiterbetrieben oder gezielt heruntergefahren werden sollten.
Organisation ist oft die größte Schwachstelle
Technische Lösungen allein reichen in Krisenlagen selten aus. Ohne klar geregelte Zuständigkeiten, definierte Abläufe und funktionierende Kommunikationswege droht schnell der Kontrollverlust.
Hinzu kommt die menschliche Komponente: Bei länger andauernden Stromausfällen kümmern sich viele Mitarbeitende zuerst um ihre Familien – ein verständlicher Reflex, der aber organisatorisch berücksichtigt werden sollte. Unternehmen tun gut daran, auch private Notfallvorsorge in ihre Planungen einzubeziehen und auf Krisenfälle vorbereitete Fürsorgekonzepte vorzuhalten.
Strategien für Ausfall und Wiederanlauf
Schließlich gilt es, über mögliche Szenarien konkret nachzudenken. Ein grober Notfallplan reicht nicht aus. Unternehmen sollten sich etwa fragen: Wie lange ist ein sicherer Betrieb ohne Energie möglich? Ab wann drohen Schäden durch fehlende Kühlung oder Steuerung? Welche Prozesse – etwa in Chemie-, Stahl- oder Lebensmittelbetrieben – reagieren besonders empfindlich auf Stromausfälle? Und wie lässt sich ein kontrollierter Wiederanlauf sicherstellen, wenn IT-Systeme und Energieversorgung gleichzeitig betroffen sind?
Die Erfahrungen aus Südeuropa zeigen, dass umfassende Vorbereitung auf Stromausfälle heute ein fester Bestandteil moderner Risikomanagement-Strategien sein sollte – nicht nur auf dem Papier, sondern mit konkreten Maßnahmen in Technik, Organisation und Kommunikation.