Buchrezension von Celine Nadolny: „Der Wolf der Wall Street“

Foto: Celine Nadolny
Celine Nadeln alias Book of Finance

★★★★☆ "Der Wolf der Wall Street" von Jordan Belfort ist die weltbekannte Geschichte der Wall-Street-Ikone. Vermutlich hat so ziemlich jeder von euch den dazugehörigen Film von Martin Scorsese mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle gesehen. Oder zumindest schon mal darüber nachgedacht, ihn sich anzuschauen. Dies ist nun das Buch zum Film. Es stimmt zwar nicht zu 100 %, aber doch in weiten Teilen mit dem Film überein.

Wie schon der Film ist auch dieses Buch nichts für Kinder. Und erst recht nichts für Personen, die mit den annähernd realitätsgetreuen Schilderungen nicht klarkommen. Denn die Handlungen sind zutiefst verachtenswert, sexistisch, frauenfeindlich, asozial und kriminell. Aber es sind eben Schilderungen, die auf wahren Begebenheiten beruhen. Deshalb werde ich dafür sicherlich keinen Punkt abziehen. Es war nun einmal so. Und in einigen Bereichen ist das Geschilderte bis heute noch – wenn auch etwas abgespeckt – gang und gäbe. Davor kann man die Augen verschließen oder es einfach nur akzeptieren.

„Dieses Buch enthält meine Lebenserinnerungen. Es ist eine wahre Geschichte und basiert auf meinen besten Erinnerungen an verschiedene Ereignisse in meinem Leben. Wo es angegeben ist, wurden die Namen und charakteristischen Eigenschaften von Personen geändert, damit ihre Anonymität gewahrt bleibt. In manchen Fällen habe ich Ereignisse und Zeitabschnitte im Interesse des Erzählflusses umgestellt und/oder verkürzt und ich habe Dialoge erfunden, die meiner Erinnerung an die betreffenden Unterhaltungen am besten entsprechen.“ Jordan Belfort

Geld ist eine Lupe für den Charakter

Erst kürzlich sind mir wieder Insider-Geschichten zu Ohren gekommen. Dabei habe ich mich allen Ernstes gefragt, ob die Leute eigentlich noch bei Trost sind. Aber Geld wirkt eben wie eine Lupe auf die Charakterzüge der Menschen. Und Gier ist nicht ohne Grund eine der sieben Todsünden.

In den 1990er Jahren war Jordan Belfort die Ikone der Wall Street. Er war ein knallharter Börsenhai, eiskalter Betrüger und feierwütiger Junkie. Mit 26 Jahren wurde er bereits zum Multimillionär und ließ das auch alle um sich herum wissen. Sowohl sein überdimensioniertes Ego wie auch sein Vermögen trug er mehr als deutlich zur Schau.

Belfort schildert seine Erfahrungen auf eine offene und ehrliche Art und Weise. Als Leser können wir sowohl seine Höhen als auch seine Tiefen miterleben. Er beschreibt, wie er seine eigene Aktienfirma gegründet hat. Und wie er es schaffte, seine Kunden dazu zu bringen, in Aktien zu investieren, die er entweder selbst manipuliert hatte oder die nicht viel mehr als minderwertige Pennystocks waren. Es ist beeindruckend, wie er es geschafft hat, so erfolgreich zu sein. Denn er hat sich immer wieder selbst – ob durch Alkohol, Drogen oder sonstige Eskapaden – in schwierige Situationen manövriert.

Wie so häufig, hat der reine wirtschaftlich Erfolg nicht mehr ausgereicht, um den nötigen Kick zu bekommen. Er wollte immer mehr Geld und Macht und wurde schließlich von seinem eigenen Erfolg überwältigt. Und so war sein Alltag in der Folge von Prostituierten, Drogen, Partys, teuren Autos, Villen, Booten und Helikopter-Flügen geprägt. Sowohl im Buch wie auch im Film sehen wir das Bild eines Möchtegern-Rockstars. In dekadenter Art und Weise wirft er mit Geld um sich und zieht skrupellos anderen das Geld aus der Tasche. 

Die logische Folge ließ dann aber auch nicht lang auf sich warten: Mit 36 Jahren landete Jordan Belfort im Gefängnis. Sein Leben wirkt wie die Autobiografie des echten Gordon Gekko. Ein Bild von dieser Branche hätte man kaum verdorbener zeichnen können.

„Du bist noch geringer als Abschaum“

„‚Du bist noch geringer als Abschaum‘, sagte mein neuer Chef, als er mich zum ersten Mal durch den sogenannten Board Room, die Managementetage von LF Rothschild, führte. ‚Hast du ein Problem damit, Jordan?‘ ‚Nein‘, gab ich zurück, ‚kein Problem‘. ‚Gut‘, schnappte er und ging einfach weiter.

Wir durchquerten ein Labyrinth aus braunen Mahagonischreibtischen und schwarzen Telefonkabeln im 23. Stock eines Glas- und Aluminiumturms, der sich 41 Stockwerke hoch über die legendäre New Yorker Fifth Avenue erhob. Der Board Room war weitläufig und maß vielleicht 15 mal 2 Meter. Es war ein bedrückender Raum, vollgestopft mit Schreibtischen, Telefonen, Computerbildschirmen und einer Menge richtig widerlicher Yuppies, insgesamt 70 an der Zahl. Sie hatten ihre Jacketts ausgezogen und um diese Uhrzeit – 9:20 Uhr morgens – lehnten sie sich in ihren Stühlen zurück, lasen das Wall Street Journal und beglückwünschten sich selbst dazu, dass sie die Herren der Welt waren.

Zu den Herren der Welt zu gehören schien mir ein nobles Ziel, und als ich in meinem billigen blauen Anzug und meinen klobigen Tretern an den Herren vorbeiging, da wünschte ich, ich wäre einer von ihnen. Aber mein neuer Chef erinnerte mich schnell daran, dass dem nicht so war. ‚Dein Job‘ – er schaute auf das Plastiknamensschild auf meinem Revers – ‚Jordan Belfort, ist der eines Vermittlers, und das heißt, dass du 500 Telefonnummern am Tag wählst‘.“ Jordan Belfort

An dieser Stelle ein paar Worte zum Autor:

Jordan Belfort wurde 1962 im Stadtteil Queens in New York geboren. Er studierte an der American University und verdiente bereits mit 26 Jahren an der Wall Street als Broker Millionen. Mit 36 wurde er für seine kriminellen Machenschaften verhaftet und verbrachte Jahre im Gefängnis. Heute lebt er als erfolgreicher Motivationsredner in Los Angeles.

In gewisser Weise erinnert mich diese Geschichte an so viele Menschen in der Branche. Meiner Meinung nach verzeiht diese viel zu schnell und setzt im Grunde auch kein hohes Wertegerüst voraus. Wie kann es bitte sein, dass ein Mensch mit so widerwärtigen Charakterzügen heute noch derart gefeiert wird? Man kann sicherlich von jedem Menschen etwas lernen, aber feiern muss man ihn deswegen noch lange nicht.

Der Andrang für Tickets zu seinen Seminaren nach dem Film war einfach nicht zu fassen. Die Interessenten rannten ihm die Bude ein. Selbst wenn er von seinem damaligen Reichtum alles abgegeben haben sollte, wird er auch jetzt wieder ausgesorgt haben.

Eine unglaubliche Geschichte. Man muss nicht mit allem einverstanden sein, was der Autor und seine Weggefährten gemacht haben. Die Geschichte ist sicherlich sexistisch, frauenfeindlich, Drogen verherrlichend und in weiten Teilen widerwärtig und niederträchtig. Aber sie spiegelt zumindest ansatzweise die Realität wider. Das ist Alltag in einem vergiften Sumpf von gierigen Personen ohne allzu großes Wertegerüst.

Die Schattenseiten des Glanz und Glamour der Wall Street

Das Buch bietet einen faszinierenden Einblick in die Welt der Finanzmärkte. Und es zeigt, dass hinter dem Glanz und Glamour auch viel Dunkelheit und Skandal stecken kann. Es ist eine inspirierende Lektüre für jeden, der mehr über das Leben in der Wall Street erfahren möchte. Eine klare Empfehlung für Fans von Business-Autobiografien und für alle, die eine unterhaltsame und lehrreiche Lektüre suchen.

In Teilen würde ich persönlich – und das will schon was heißen – eher den Film vorziehen als das Buch. Das kann ich aber auch generell zu beinahe allen Büchern sagen, die erst verfilmt und dann verlegt wurden. Die Handlung ist zwar nicht identisch zum Film, aber wer diesen gesehen hat, wird so ziemlich alles wiedererkennen. Deswegen muss man das Buch nicht unbedingt lesen, wenn man den Film bereits gesehen hat.

Celine Nadolny veröffentlicht ihre Buchrezensionen auf ihrer Website Book of Finance.

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