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Nach Zinsanstieg und Immobilienkrise: Crowdinvesting vor dem Neustart?

Foto: Carolin Thiersch Photography
Simon Brunke, Exporo: „Es ist kritisch zu betrachten, dass Plattformen weiter ohne Lizenz aktiv sein dürfen.“

Zinsanstieg und Immobilienkrise haben vielen Crowdinvesting-Plattformen in den vergangenen drei Jahren mächtig zugesetzt. Zudem hinkt Deutschland in Sachen Regulierung hinterher. Doch langsam bessert sich die Lage und ein bestimmtes Segment startet durch.

Leicht hatten es die meisten Plattformen für Crowdinvestments, also für den digitalen Vertrieb von Anlageangeboten mit meist kleinen Mindest-Investitionssummen, in den vergangenen drei Jahren wirklich nicht. Vor allem die dominierende Assetklasse Immobilien trafen der Zinsanstieg und der anschließende Absturz der (durchsetzbaren) Verkaufspreise für die Objekte bei gleichzeitiger Explosion der Baukosten hart.


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Denn ein Großteil der Immobilien-Crowdfinanzierungen bezog sich auf die Vor- beziehungsweise Zwischenfinanzierung von Wohnungsbau-Projekten, vorzugsweise mit Mezzanine-Kapital. Das bedeutet: Das über die Crowd-Plattform eingesammelte Kapital füllt typischerweise die Lücke zwischen dem Eigenkapital des Projektentwicklers oder Bauträgers und der üblichen Bankfinanzierung während der Bauzeit. Abgelöst wird es dann aus dem Verkauf der fertigen Wohnungen, so der Plan. Dabei ist das Mezzanine-Kapital zwar in der Regel durch den Eigenkapitalanteil des Projektpartners und gegebenenfalls weitere Bürgschaften/Sicherheiten abgesichert, es ist aber nachrangig gegenüber dem Bankkredit. Das erlaubt eine deutlich höhere Verzinsung für die Crowd-Geldgeber.

Das funktionierte auch lange Zeit meistens gut. Dass eine hohe Verzinsung eben auch Ausdruck eines höheren Risikos ist, trat vielfach in den Hintergrund. Doch der Inflations- und Baukosten-Schub nach Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar 2022, die anschließenden Zinserhöhungen und der daraus resultierende Absturz der Immobilienpreise machten mache Kalkulation zur Makulatur und zogen nicht wenigen Projekten die Füße weg.

Untersuchung von „Finanztest“

So veröffentlichte die Zeitschrift „Finanztest“ bereits vor einem Jahr (Ausgabe 2/2024) eine Untersuchung aller 2.760 Schwarmfinanzierungen (behördendeutsch für Crowdinvesting oder auch Crowdfunding) nach dem Vermögenanlagengesetz seit 2015 bis 2022 und machte bis Ende Oktober 2023 insgesamt 255 Insolvenzen von Projektpartnern oder Projektgesellschaften aus. Fast alle der 16 größeren Plattformbetreiber (einschließlich vier Unternehmen aus Österreich) hatten demnach Insolvenzen in ihrem Portfolio zu verzeichnen. Bei gut 300 weiteren Projekten waren laut Finanztest Zahlungen überfällig. Insgesamt rund 20 Prozent aller Emissionen waren demnach notleidend oder zumindest gefährdet.

Auch wenn im Umkehrschluss 80 Prozent der Finanzierungen trotz der Marktverwerfungen zumindest im Wesentlichen noch plangemäß liefen, sich der Immobilienmarkt im Laufe des Jahres 2024 zunehmend stabilisiert hat und die Hypothekenzinsen gegenüber dem Peak Mitte 2023 spürbar zurückgegangen sind, dürften solche Nachrichten das Neugeschäft der Plattformen nicht eben beflügelt haben.

Platzierungsvolumen eingebrochen

Das schlägt sich auch in der Markterhebung für das Jahr 2024 nieder, die Cash. Anfang 2025 in Bezug auf Sachwertanlagen durchgeführt hat. So ist das Platzierungsvolumen der Crowdplattformen insgesamt, also inklusive weiterer Assetklassen, 2024 gegenüber dem Vorjahr nochmals um 45 Prozent eingebrochen (siehe Ausgabe 3/2025). Und das nach einem Absturz von schon fast 60 Prozent in 2023 gegenüber 2022. Innerhalb von zwei Jahren ist das gemeldete Marktvolumen damit um mehr als 75 Prozent zusammengeschrumpelt.

Allerdings: Der erfasste Rückgang resultiert auch daraus, dass eine Reihe von Plattformen die Auskunft verweigert beziehungsweise nicht auf die Cash.-Anfrage reagiert hat. Dazu zählten sowohl für 2024 als auch für 2023 Engel & Völkers Digital Invest, Dagobertinvest, Bergfürst und Finexity. Für den Vorjahresvergleich ergibt sich in Bezug auf diese Unternehmen also keine Konsequenz. Bei der diesjährigen Erhebung fehlen jedoch auch die Zahlen von Invesdor und One Crowd (Plattformen Econeers, Seedmatch), die in der 2023er Statistik noch mit insgesamt 18 Millionen Euro vermitteltem Kapital vertreten waren. 

Möglicherweise war der Absturz des Crowd-Marktvolumens 2024 also in Wirklichkeit etwas geringer. Es kann aber als sicher gelten, dass er schmerzhaft war, zumal die fehlende Auskunftsbereitschaft der Unternehmen wahrscheinlich in den wenigsten Fällen daraus resultiert, dass sie so überaus erfolgreich gewesen wären und der Erfolg ihnen nun peinlich ist. 

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