Die Halver-Kolumne: Staatsschuldenkrise in den USA? Nicht mit Donald Trump!

Robert Halver
Foto: Dirk Beichert
Robert Halver, Baader Bank

Setzt eine tickende Schuldenbombe Amerika langfristig der Gefahr einer fatalen Schuldenkrise aus? Unter anderem die Verdopplung der Staatsschulden seit 10 Jahren von gut 18 auf aktuell über 36 Billionen US-Dollar macht die internationalen Kapitalmärkte bereits nervös. Zur Risikoabwehr hat Trump neue unorthodoxe Werkzeuge auf den Weg gebracht. Werden sie wirken?

Bis zum Ende der Amtszeit Donald Trumps 2028 drohen den USA – u.a. über das neue Haushaltsgesetz – Staatsschulden von über 43 Bill. Dollar. Jede Sekunde kommen 60.000 Dollar hinzu. Betrug der Schuldenstand zur Wirtschaftsleistung bei Ronald Reagan noch 35 Prozent, sind es aktuell 122. Bei Fortsetzung des Schuldenmarschs könnte er in 10 Jahren sogar bei 170 liegen.

40 Jahre lang bis Anfang der 2020er-Jahre war der Zuwachs an Staatsverschuldung zu verkraften, da die Zinsen im gleichen Zeitraum stark gefallen sind. Seitdem steigen sie allerdings deutlich, was Zinsleistungen zu einem nicht mehr ignorierbaren Teil der Staatsausgaben macht.

Die US-Regierung muss jedes Quartal US-Staatspapiere für über 500 Mrd. Dollar verkaufen. Doch nimmt die Nachfrage internationaler Anleger ab, da die Schwellenländer ihre Währungsreserven „dedollarisieren“.


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Steigen vor diesem Hintergrund die Renditen von US-Anleihen und/oder suchen sich Anleger alternative Anlageklassen wie Gold oder Kryptos, könnte der US-Schuldendienst längerfristig zu einer echten Herkulesaufgabe mit Potenzial zum Scheitern werden.

Die unkonventionellen Methoden Trumps, um die Schulden-Kuh vom Eis zu holen

Könnte Amerika seine Ausgaben strikter an den Einnahmen orientieren? Das ist so absurd wie Badeurlaub im Winter. Amerika hat Austerität längst verlernt und sie wirkt konjunkturrezessiv. Und würde Trump zur finanziellen Gesundung die Steuern umfänglich erhöhen, erlebte er bei den Zwischenwahlen 2026 sein blaues demokratisches Wunder.

Mit einem markanten Anstieg der Produktivität über Künstliche Intelligenz würden das Wirtschaftswachstum und damit die Steuereinnahmen sicherlich steigen und das Haushaltsdefizit sinken lassen. Diese Prozesse sind bereits angestoßen, doch wirken sie erst mit Verzögerung. 

Daher greift Trump in die unorthodoxe Instrumentenkiste. Zunächst hat die amerikanische Bankenaufsicht die Kapitalvorschriften der Banken gelockert, die es ihnen zukünftig ermöglichen, deutlich mehr US-Staatsanleihen in ihren Bilanzen zu halten.

Ebenso soll der kürzlich verabschiedete GENIUS Act die Nachfrage nach Bonds erhöhen. So sind die Emittenten von amerikanischen Stablecoins verpflichtet, ihre digitalen Coins zu 100 Prozent mit US-Anleihen zu unterlegen. US-Finanzminister Bessent träumt bereits davon, dass bis 2028 deutlich über eine Bill. Dollar an Bonds zur Absicherung nötig sind. Emittenten von Stablecoins würden mehr US-Anleihen halten als Großbritannien oder China. Eine dann größere Unabhängigkeit von Auslandsinvestoren würde die US-Finanzstabilität durchaus festigen.

Um diesen spezifischen Bedarf zu decken, müsste jedoch das Angebot an kurzfristigen Anleihen zulasten längerer Laufzeiten ausgeweitet werden. Das spricht für niedrigere Anleihezinsen. Bei einer inversen Zinskurve würde sich die Refinanzierung Amerikas aber sehr verteuern.

Hier kommt die US-Notenbank ins Spiel. Sie hat doch schon früher segensreich gewirkt. Machs noch einmal Fed. Amtsinhaber Powell weigert sich zwar, die Leitzinsen wie von Trump gewünscht taubenhaft zu senken. Doch bohrt der Präsident unaufhörlich weiter. Spätestens im Frühjahr 2026 wird der Amtsnachfolger den unorthodox zinspolitischen Herzenswünschen Trumps gerne entsprechen.

Allerdings könnte eine laxe Zinspolitik für erhöhten Inflationsdruck sorgen. Diesen würden sich Anleger normalerweise mit erhöhten Risikoaufschlägen bei länger laufenden Anleihen entschädigen lassen, was dem großen amerikanischen Hypothekenmarkt zusetzte.     

Wenn aber A bereits überlockere Leitzinspolitik betrieben wird, hat man dann B wirklich Scheu, auch langlaufende Anleihen unter die Fittiche zu nehmen, um die allgemeine Schuldentragfähigkeit Amerikas zu sichern? So könnte die Fed erneut umfangreich US-Staatsanleihen aufkaufen oder die Renditekurve anderweitig kontrollieren. Und ganz wichtig: Mit Kreditzinsen, die unterhalb der Preissteigerung liegen, d.h. mit negativen Realzinsen, lassen sich sogar Staatsschulden weginflationieren.

Diese den Rentenmarkt disziplinierende Geldpolitik mindert auch die Folgen eines schwächeren US-Dollars, der ansonsten über Währungsrisiken auch zu kompensierend höheren Zinsen führte. Tatsächlich wird regierungsseitig alles zur Dollarabwertung unternommen werden, um die US-Industrie im Außenhandel zu befeuern.

Nicht zuletzt sind Zölle eine bedeutende Maßnahme für Trump, um „Amerika wieder groß und reich zu machen“. Basierend auf den bislang getroffenen Handelsvereinbarungen könnten die USA – unter sonst gleichen Bedingungen – ca. 700 Mrd. Dollar jährlich an Zollgebühren einnehmen.

Es ist erschreckend, wie erfolgreich Trumps Handelsstrategie ist. Auf seinem eigenen schottischen Golfplatz hat EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen einen für die EU unfairen Deal im braven Tête-à-Tête zugestimmt, obwohl dieser uns u.a. 15 Prozent Zölle abverlangt, Amerika aber fast nichts. Auch weitere Giftpillen hat sie geschluckt. Die europäischen Wirtschaftsstandorte liegen in puncto Wettbewerbsfähigkeit schon aktuell hinter Amerika zurück. Zur Zollvermeidung wird jetzt „Go West“ für unsere Unternehmen noch attraktiver. Die USA werden vieles an Industrie-Know-how bekommen, was sie noch nicht haben.

Der geringe Widerstand der amerikanischen Handelspartner hat den Trump Blut lecken lassen. Wild schlägt er mit weiteren Zollforderungen zu, auch sektorspezifisch wie bei Pharmaprodukten und Halbleitern oder auch bei Kupfer und Gold. Und ich vermute, dass man ihm wieder auf den Leim gehen wird. Der US-Markt ist einfach zu reizvoll.

Grundsätzlich könnte die Welt ex USA dagegenhalten und sich sogar verbünden. Doch ist der Zusammenhalt der BRICS+-Staaten abseits wohl formulierter Schwüre brüchig. Und nicht jedes Schwellenland akzeptiert die chinesische Führungsrolle. Zudem schwächelt China wirtschaftlich.

Sicherlich sind Trumps Husarenstücke keine risikofreien Selbstläufer. Sie fordern über importierten Inflationsdruck, Kaufkraftverlust und verringertes Potenzialwachstum ihren Tribut. Doch sehen die US-Börsen die Umwälzungen entspannt und für Amerika offensichtlich längerfristig positiv und einer Schuldenkrise entgegenwirkend. Und Märkte haben immer recht.  

Trump betreibt Politik „Against All Odds“. Darf er das? Er macht es einfach. Und wir? Wir werden in Handelskonflikten nur ernstgenommen, wenn Europa geopolitisches Gewicht auf die Waage bringt. Und das geht vor allem über Wirtschaftskraft. Leider hat sich bislang auch die neue Bundesregierung nicht mit marktwirtschaftlichem und Reform-Ruhm bekleckert. Noch leibt und lebt die deutsche Staatswirtschaft weiter, obwohl sie als Bleiweste das Wachstum hemmt. Bei einem „Weiter so“ nähert sich nicht Amerika, sondern Europa einer fatalen Schuldenkrise.  

Europäische Hypermoral und eine mittlerweile hochprofessionelle Empörungskultur allein machen nicht satt, sondern führen zu gefährlichem Frust.

Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator. Er ist aus Funk und Fernsehen bekannt und schreibt regelmäßig für Cash. 

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.roberthalver.de/Newsletter-Disclaimer-725Formularbeginn

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