Ein Jahr neue Grundsteuer: Was hat die Reform gebracht? Das sind die 10 Learnings

Grundsteuer Grundsteuer oder Grundsteuer im Taschenrechner mit Euro-Scheinen und Münzen im Hintergrund
Foto: Bildagentur PantherMedia/chris77ho
Symbolbild.

Am 1. Januar 2025 trat in Deutschland die Grundsteuerreform in Kraft. Das Softwarehaus Fino Taxtech, das mehrheitlich zur DATEV gehört, fasst die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Umgang mit den neuen Regelungen zusammen und Geschäftsführerin Inga Krämer kommentiert zehn "Learnings":

1. Frage der Verfassungsmäßigkeit noch nicht geklärt

Das Bundesverfassungsgericht hatte die alte Grundsteuerregelung im Jahr 2018 für verfassungswidrig erklärt. Die Verfassungskonformität der neuen Grundsteuer zweifeln allerdings viele Grundstückeigentümer ebenfalls an. Sie beklagen, dass ihr Eigentum mit der Umsetzung der Grundsteuerreform zu hoch bewertet werde und sie entsprechend zu viel Grundsteuer aufbringen müssten. „Klagen von Betroffenen aus NRW, Sachsen und Berlin gegen das sogenannte Bundesmodell sind zwar gerade erst durch ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) in München abgewiesen worden“, erklärt Inga Krämer. Sie räumt aber ein: „Mit einer endgültigen Entscheidung wird sich wohl das Bundesverfassungsgericht beschäftigen müssen, bei dem die besagten Betroffenen Verfassungsklage einreichen wollen. Das bedeutet nichts anderes, als dass sich die letztendliche Entscheidung über die Frage der Verfassungskonformität noch lange hinziehen kann – und dass das aktuelle Grundsteuergesetz mindestens so lange Gültigkeit hat.“


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2. Erfolg der Grundsteuer auch eine Frage der Digitalisierung

„Da die Zahlenbasis der alten Grundsteuer aus nicht-digitalen Zeiten stammt, ist die Vergleichbarkeit zwischen neuer und alter Grundsteuer nicht immer trivial“, erläutert Inga Krämer. Insofern habe die Grundsteuerreform auch etwas Gutes: „Die digitale Erfassung von Daten ermöglicht konkrete Berechnungen und macht es für die Zukunft leichter Vergleiche anzustellen – unabhängig davon wie der BFH oder das Bundesverfassungsgericht entscheiden werden und ob es eine Reform der Grundsteuerreform gibt.“ Überhaupt ist das Massendatenmanagement eine Herausforderung speziell für Steuerberatungskanzleien: Große Immobilienbestände erforderten automatisierte Lösungen, da eine manuelle Bearbeitung großer Mandantenbestände nicht umsetzbar ist.

3. Die neue Grundsteuer erfordert neue Maßnahmen

Wie lange es mit der Entscheidung über die Vereinbarkeit der Grundsteuer mit dem Grundgesetz auch dauern wird – solange die Reform Gültigkeit hat, müssen sich Grundstückseigentümer vor allem einer Neuerung in der Grundsteuerregelung bewusst sein: Änderungsanzeigen bzw. neue Erklärungen bei Umbaumaßnahmen etc. sind Pflicht. „Wer etwas an seinem Grundstück ändert, ist seit 1. Januar dieses Jahres verpflichtet, dieses dem Finanzamt mitzuteilen, da sich mit der jeweiligen Maßnahme unter Umständen der Wert des Grundstücks ändert und damit auch die Steuerbelastung. Wer dies nicht tut, riskiert ein Bußgeld“, erklärt Inga Krämer.

4. Modellvielfalt erschwert Überblick

Andere (Bundes-)Länder, andere (Grundsteuer-)Sitten: Die Grundsteuer wird in Deutschland nach Modellen berechnet. Es kommen insgesamt sechs unterschiedliche Modelle zur Anwendung: Elf Bundesländer haben sich für das sogenannte Bundesmodell entschieden, teils mit landesspezifischen Anpassungen, während die übrigen Länder von den Öffnungsklauseln Gebrauch machten und eigene Modelle entwickelten. Das macht die Vergleichbarkeit von Fällen aus Bundesländern, die die Grundsteuer nach unterschiedlichen Modellen bewerten, schwierig. „Die Grundsteuerreform in Deutschland stellt auch deshalb eine große Herausforderung für alle Beteiligten dar, da sie einem Flickenteppich gleicht“, so Inga Krämer. Fläche sei nicht gleich Fläche. „Die Unterschiede zwischen den Modellen sowie ihre Komplexität lassen die Bewertungsregeln für Steuerzahlerinnen und -zahler oftmals nicht plausibel erscheinen.“

5. Reform sorgt für negative Überraschungen …

Die neue Grundsteuer wird von vielen Eigentümern kritisch gesehen. Das liegt vor allem daran, dass in vielen Kommunen eine Anpassung der Hebesätze vorgenommen worden ist – und das mit einer Erhöhung der Belastung für eine Vielzahl an Eigentümern einhergegangen ist. „Die Änderungen, die sich durch die neue Grundsteuer, sind von vielen unterschätzt wurden, war schließlich von Anfang an stets von einer Aufkommensneutralität die Rede“, erklärt Inga Krämer.

6. … speziell in Tübingen

Baden-Württemberg sorgt dabei für Negativrekorde. So gilt Tübingen unter den 100 größten Städten als die teuerste. „Das wertorientierte Modell in Baden-Württemberg ist für die überdurchschnittlich hohe Belastung der dortigen Eigentümer verantwortlich“, kommentiert Inga Krämer.

7. Reform sorgt aber auch für positive Überraschungen

Auf der anderen Seite konnte die Grundsteuerreform im Verlauf ihres ersten Jahres in manchen Fällen durchaus auch positiv überraschen. So hat es in einigen Kommunen eine Senkung des Hebesatzes etwa für landwirtschaftlich genutzte Flächen gegeben, um eine Entlastung von Landwirtschaftsbetrieben zu ermöglichen.

    8. Die Grundsteuerreform ist ein lebendiger Prozess …

    Dass grundsätzlich nicht alles bereits in Stein gemeißelt ist, was am 1. Januar mit der Grundsteuerreform in Kraft getreten ist, zeigen diverse Beispiele. So wird etwa in Thüringen überlegt, ob das Bundesland nicht auch eine Änderungs-Anzeige einführen soll – in anderen Ländern vielleicht auch.

    9. … und mitunter sehr kleinteilig

    „Sonderregelungen sind weniger die Ausnahme, sondern vielmehr die Regel“, sagt Inga Krämer. So gibt es besondere Regelungen etwa für übergroße Flächen wie Golfplätze in den Modellen von Bayern, Niedersachsen und Hamburg. Oder nehmen wir das Beispiel Garage: In Hessen wird ein Garagengrundstück anders bewertet als in NRW.

    10. Optimierungsmöglichkeiten gibt es einige, auch für Betroffene

    Frühzeitige Vorbereitung kann Prozesse vereinfachen. So sollten private Eigentümer und Unternehmen bereits ab 2026 mit der Datenprüfung beginnen, um spätere Engpässe zu vermeiden. „Damit sich im Jahr 2029, in dem es in vielen Bundesländern eine neue Hauptfeststellung geben wird, nicht wieder alles wie in einem Flaschenhals staut, sollten diese Daten regelmäßig gepflegt werden“, sagt die Steuerexpertin Inga Krämer.

    Fino Taxtech gehört zur Fino Group und hat sich nach eigenen Angaben auf digitale Steuerprozesse spezialisiert. Die DATEV ist mit 51 Prozent an dem Softwarehaus aus Kassel beteiligt.

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