Elektromobilität verschärft Abhängigkeit von China und Russland

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Katja Filzek, Union Investment

Die Rolle von China und Russland für den Bereich der Elektromobilität ist besonders groß. Was das für das Segment bedeutet und wo Chancen, aber auch Herausforderungen für Investoren liegen. Ein Gastbeitrag von Katja Filzek, Union Investment.

Die Dekarbonisierung des Transportbereichs ist ein entscheidender Faktor, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Dafür stellt der Wechsel von Verbrennungsmotoren auf strombasierte Antriebssysteme einen wichtigen Baustein dar. In Europa, aber auch in Ländern wie China, hat sich die Nachfrage nach Electric Vehicles (EVs) in den letzten Jahren bereits spürbar erhöht. Im Mittelpunkt des weiteren Ausbaus der Elektromobilität steht die Batterieproduktion. Durch den Ukraine-Krieg hat sich die Diskussion über die problematischen strategischen Abhängigkeiten verschärft, die es hier unter anderem zu China und Russland gibt. Die Bedeutung des Reichs der Mitte bei der Hochvoltbatterieherstellung war schon vor dem 24. Februar 2022 ein Thema, allerdings lag der Fokus eher auf ökologischen als auf geopolitischen Aspekten. Denn der chinesische Strommix ist noch immer durch einen hohen Anteil an fossilen Energieträgern wie etwa Kohle gekennzeichnet. Zwar hat Europa in den letzten Monaten den Grundstein zum Aufbau einer eigenen, CO2-ärmeren Batterieproduktion gelegt – vor allem in Spanien sowie in Ungarn und Polen. Auch die USA stehen in den Startlöchern. Die starke Abhängigkeit von China beendet dies vorerst aber noch nicht – die produzierte Menge ist schlicht zu gering. Schätzungen zufolge werden noch im Jahr 2025 rund 88 Prozent der in Europa verbauten Hochvoltbatterien aus dem Ausland stammen werden – und zwar vor allem aus China.

Die Abhängigkeit von chinesischen Batterien wurde von Politikern – und auch von Konsumenten – zugunsten des weltweiten Ausbaus und Erfolgs der Elektromobilität notgedrungen akzeptiert. Durch den Ukraine-Krieg rücken nun weitere Problemfelder in den Mittelpunkt öffentlicher Debatten – und die haben nicht zuletzt mit Russland zu tun.

Russische Metalle sind ein Schlüsselfaktor

Fachleuten war schon länger bewusst, dass Rohstoffe aus Russland vor allem Nickel wichtige Inputfaktoren für die chinesische Batterieproduktion sind. Inzwischen aber ist die Verwendung auch von nicht sanktionierten Gütern, die aus Russland kommen, ein Politikum – wie die Diskussion über russisches Gas gezeigt hat. Mit anderen Worten entsteht hier ein Zielkonflikt zwischen der Ächtung Russlands und klimapolitischen Zielen. Denn die Nachfrage nach Rohstoffen für die Batterieproduktion wächst und hat bereits zu deutlichen Preissteigerungen geführt. Gerade bei der Produktion leistungsstarker NMC-Batterien (einer Technologie auf Basis von Lithium-Nickel-Mangan-Cobalt-Oxiden) sind Batteriehersteller auf russische Importe angewiesen. Europäische Automobilproduzenten nutzen rund 20 Prozent russischen Nickels in ihren NMC-Batterien. Ein Verzicht auf russische Rohstoffe hätte weitreichende Folgen: zunächst weitere Preisanstiege für Batterien und schlussendlich auch höhere Preise für EVs insgesamt. Zudem könnten Knappheiten bei der Batterieproduktion das Wachstum und den Erfolg der Elektromobilität kurzfristig bremsen. Alternative Importquellen wie zum Beispiel aus Kanada und Indonesien existieren zwar, aber die russischen Mengen sind nicht einfach zu kompensieren – vor allem nicht zu akzeptablen Preisen.

Schnelle Lösungen nicht in Sicht

Der Erfolg der Elektromobilität verstärkt also ungewollte Abhängigkeiten: beim Bezug der Batteriematerialien aus China und den wiederum dafür notwendigen, russischen Rohstoffen. Für die europäischen Autobauer stellen die kritischen Lieferbeziehungen ein Risiko für die Versorgungssicherheit dar.

Größere Erfolge auf dem Weg in Richtung Autarkie und einer gleichzeitig besseren Klimabilanz sind erst mittel- bis langfristig zu erwarten. Umso wichtiger ist es, schnell und entschlossen zu handeln – auf nationaler und europäischer Ebene. Die wichtigsten Initiativen sind:

  • Der massive Ausbau erneuerbarer Energiequellen, um Produktion und Betrieb von EVs wirklich nachhaltig zu gestalten.
  • Die Förderung und der Ausbau der lokalen Batterieproduktion, um Lieferabhängigkeiten aus dem Ausland zu verringern. Die Produktion vor Ort ermöglicht dann den intensiveren und transparenten Einsatz erneuerbarer Energien und stärkeren Einfluss auf die Auswahl von Ländern, aus denen die Rohstoffe kommen.
  • Batterie-Recycling verbindlich vorschreiben und technologische Umsetzung kontrollieren, um schonender mit wertvollen Ressourcen umzugehen.
  • Forcierte Forschungsanstrengungen für alternative Batteriekonzepte, die weniger kritische Rohstoffe einsetzen.
  • EV-Batterien könnten zukünftig auch als Speicherplatz für überschüssigen, grünen Strom genutzt werden. Dies gelingt aber nur, wenn sie bi-direktionales Laden ermöglichen, was bislang nur wenige EVs können. Auch eine intelligente Anbindung von EVs an das lokale Stromnetz und eine parallele Ertüchtigung der bestehenden Strominfrastruktur sind dafür erforderlich.

Europäischer Strommix als Belastungsfaktor

Abseits dieser veränderten Rahmenbedingungen in der Batteriewertschöpfungskette hat der Ukraine-Krieg auch negative Auswirkungen auf die Klimabilanz der europäischen Stromerzeugung, die für die Elektromobilität relevant sind. Denn zur Sicherung der Energieversorgung erhöhen viele Länder Europas den Einsatz von Kohle, Flüssiggas (LNG) und Erdöl zumindest vorübergehend wieder, um russisches Erdgas zu ersetzen. Dies hat zur Folge, dass sich die CO2-Bilanz des Strommix deutlich verschlechtert. Diese Entwicklung trifft den Bereich der EVs gleich doppelt: Zum einen beeinträchtigt dies in einigen Ländern Europas die Klimabilanz der anlaufenden Batterieproduktion – wie zum Beispiel in Deutschland. Zum anderen sind die Elektrofahrzeuge während der eigentlichen Nutzungsphase weniger CO2-effizient als zuvor, denn der zu tankende Strom ist schlicht dreckiger. 

Elektromobilität: Ja, aber bitte sauber und bezahlbar

Perspektivisch muss für die Elektromobilität gelten: nur mit sauberem Strom und sauberen Batterien! Sie kann langfristig nur dann einen entscheidenden Beitrag zur Dekarbonisierung der Wirtschaft und zum Klimaschutz leisten, wenn Produktion und Betrieb der EVs emissionsfrei sind. Schon jetzt sind Staaten durch individuelle und ausgewogene Förderpro-gramme gefordert, den Grundstein dafür zu legen, dass die Klimaziele im Bereich Elektromobilität berücksichtigt und erreicht werden. Ansatzpunkte können differenzierende Förderprogramme sein, zum Beispiel für bestimmte Automobiltypen (für bezahlbare Kleinwagen und nicht für zwei Tonnen schwere EVs) und Verwendungsgebiete (stärker im Nahverkehr), aber auch eine zeitlich begrenzte Technologieoffenheit – vor allem in Ländern mit einem CO2-intensiven Strommix.

Kurzfristig jedoch steht der EV-Bereich vor der Quadratur des Kreises: Neben der Erreichung ökologischer Ziele müssen – gerade in Zeiten erhöhter Inflation – EVs auch bezahlbar sein, um eine zügige und breite Akzeptanz zu erreichen. Aber: günstige EVs basieren auf chinesischen Batterien und russischem Nickel. Ein Kappen dieser Beziehungen hätte ein geringeres Batterieangebot und steigende Preise für Stromer zur Folge. Die Alternativen für den EV-Markt lauten deshalb: Entweder mehr Wachstum um den Preis kritischer Abhängigkeiten. Oder mehr Autarkie in der Elektromobilität zu höheren Preisen und vermutlich deutlich gebremstes Wachstum. Dieses Spannungsfeld ist unbefriedigend, aber kurzfristig wohl nicht zu ändern.

Ein weiterer herber Rückschlag für die Wachstumsaussichten der europäischen Batterieproduktion ist der im August in den USA verabschiedete ‚Inflation Reduction Act 2022‘. Das Gesetzespaket im Volumen von 430 Milliarden US-Dollar soll unter anderem die grüne Transformation der US-Wirtschaft fördern, inklusive der Elektromobilität. Die Unterstützung greift aber nur, wenn die EVs in den USA gebaut werden. Ab 2025 sollen auch zunehmend die Rohstoffe für die Batterien in den Vereinigten Staaten gewonnen und die Batterien dort gefertigt werden. Der Vorstoß benachteiligt die Produktion in der Europäischen Union deutlich. Gleichzeitig werden Rohstoff- und Batterieinvestitionen an US-Standorte umgelenkt. Neben Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten wird zunehmend der Ruf nach einer entsprechenden europäischen Initiative laut, die auch dazu beitragen könnte, die beschriebenen Abhängigkeiten künftig zu reduzieren.  

Autorin ist Katja Filzek ist Senior ESG-Strategin bei Union Investment.

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