Gold hat in den vergangenen Monaten eine beeindruckende Rally hingelegt. Seit Jahresbeginn ist der Preis von knapp über 2.600 US-Dollar auf erstmals über 4.000 US-Dollar pro Unze gestiegen. Im frühen europäischen Handel am Montag kletterte der Kurs sogar auf über 4.070 US-Dollar – deutlich über unserer zuletzt revidierten Prognose. Dieser Anstieg ist jedoch weit mehr als ein kurzfristiger Hype: Er ist Ausdruck tiefgreifender struktureller Veränderungen auf dem globalen Finanzmarkt. Wir rechnen aktuell mit einem weiteren Anstieg auf 4.600 US-Dollar bis Ende 2026, mit der Möglichkeit, dass dieses Ziel deutlich früher erreicht wird.
Die Dynamik hinter dem Goldpreisanstieg lässt sich in drei Phasen unterteilen. In der ersten Phase, von Januar bis April, begannen Anleger in den USA, physisches Gold zu horten – als Reaktion auf die bevorstehenden Handelszölle. Diese Erwartung führte zu einer sprunghaften Nachfrage nach physischen Beständen. In der zweiten Phase sorgte die tatsächliche Einführung der Zölle für ein stagflationäres Marktumfeld, in dem Edelmetalle traditionell als Gewinner gelten. Die dritte Phase wurde durch politische Eingriffe in die US-Notenbank ausgelöst: Der Versuch von Präsident Trump, Fed-Mitglied Lisa Cook zu entlassen, schürte Unsicherheit und nährte Erwartungen an einen vorgezogenen Zinssenkungszyklus. Diese Entwicklungen führten im September zu einem aggressiven Preisanstieg auf knapp unter 3.900 US-Dollar pro Unze.
Doch die eigentliche Triebkraft hinter dem Goldboom liegt tiefer. Zentralbanken haben sich seit 2022 als dominante Käufer etabliert. Ihre Käufe haben sich mehr als verdoppelt und sie erwerben mittlerweile rund 30 % des jährlichen weltweiten Minenangebots. Besonders Schwellenländer wie China und Indien reagieren damit auf geopolitische Risiken, etwa die Sanktionen gegen die russische Zentralbank, und diversifizieren ihre Währungsreserven weg vom US-Dollar. Diese Käufe sind nicht preissensitiv und könnten über Jahre hinweg anhalten, was dem Goldmarkt eine stabile Nachfragebasis verleiht.
Aktuelle politische Entwicklungen verstärken diesen Trend zusätzlich. Der anhaltende US-Regierungsstillstand führt dazu, dass keine Wirtschaftsdaten veröffentlicht werden – insbesondere fehlen die Arbeitsmarktdaten für September. Anekdotische Hinweise deuten auf eine Stagnation des Arbeitsmarkts hin. In einem solchen Umfeld agieren Märkte vorsichtig, was Gold als sicheren Hafen weiter stärkt.
Hinzu kommt, dass Präsident Trump kürzlich die Möglichkeit höherer Zölle auf chinesische Waren ins Spiel gebracht hat. Diese Maßnahme würde die Inflation weiter anheizen und andere Anlageklassen unter Druck setzen – während Gold davon profitiert. Der jüngste Kursanstieg zeigt deutlich, wie stark Gold derzeit als Schutzmechanismus wahrgenommen wird, teils sogar stärker als Staatsanleihen entwickelter Volkswirtschaften.
Auch institutionelle Investoren reagieren auf diese Entwicklungen. Die aktuellen CFTC-Daten zeigen trotz bereits hoher Netto-Long-Positionen einen weiteren Anstieg. Das spricht für ein anhaltendes Vertrauen in die Goldstory und eine strategische Neuausrichtung vieler Portfolios.
Und auch kurzfristig sind keine bedeutenden Ereignisrisiken zu erwarten, die den Goldpreis belasten könnten. Der US-Regierungsstillstand dürfte anhalten, und ohne neue Arbeitsmarkt- oder Inflationsdaten fehlt dem Markt die Grundlage für eine Korrektur. Bemerkenswert ist, dass Gold seit über drei Jahren keinen signifikanten Rückgang erlebt hat – ein klares Indiz für die Stärke der zugrunde liegenden Nachfrage und die sich wandelnde geldpolitische Landschaft.
Autor Peter Kinsella ist Global Head of FX bei der Schweizer Privatbank Union Bancaire Privée.