
Akt II – Wahrheit auf Probe
Szene 4: Ein Ausrutscher in Richtung Wahrheit
Ort – Plenarsaal des Bundestags, laufende Debatte: Ein Abgeordneter sagt ins Mikrofon: „Die Rente mit 70 ist kein Allheilmittel. Ohne Eingriffe bei versicherungsfremden Leistungen und eine Stärkung der privaten und betrieblichen Vorsorge kommen wir nicht aus.“ Stille. Die Mikrofone funktionieren, der Satz bleibt im Protokoll. Im Pressebriefing wird von einem „bedauerlichen Ausrutscher in Richtung Wahrheit“ gesprochen.
Empfehlung an die Protagonisten: Solche Sätze bitte nur noch in Hintergrundrunden oder in internen Papieren verwenden.
Regieanweisung: Kurzer Hoffnungsschimmer auf der Leinwand. Dann schließt sich der Deckel wieder. Schnitt.
Szene 5: Mut im Konjunktiv
Eine Expertenkommission (welche eigentlich – es gibt mittlerweile so viele) legt einen Bericht vor: Empfehlung: Versicherungsfremde Leistungen schrittweise aus der gesetzlichen Rentenversicherung herauslösen und konsequent über Steuern finanzieren – oder besser noch: einstellen. Die Koalition begrüßt das „im Grundsatz“. Sie betont die „komplexe Haushaltslage“ und die „Notwendigkeit eines breiten gesellschaftlichen Konsenses“.
Off-Kommentar: Wer länger zuhört, versteht schnell: Die Idee ist richtig und genau deshalb politisch unerwünscht. Das Problem ist damit offiziell anerkannt, aber nicht gelöst. Es wird ausgelagert. In die nächste Legislaturperiode. Oder wahrscheinlich in die übernächste. Aber erst muss noch eine Expertenkommission eingesetzt werden.
Szene 6: bAV – Schlüsselrolle aus der zweiten Reihe
Regierungserklärung im Plenum, warme Worte, fester Blick in die Kamera: Die betriebliche Altersversorgung sei „Schlüssel zur Sicherung des Lebensstandards im Alter“. Der Ausbau solle „im Schulterschluss mit den Sozialpartnern“ erfolgen. Konkrete Schritte bleiben vage. Man kündigt „Dialogformate“, „Pilotprojekte“ und „weitere Prüfungen“ an – von einer Expertenkommission. Zwischenschnitt: „Wir würden ja gern mehr bAV anbieten, aber wir möchten unsere Personalabteilung nicht vollständig in Paragrafen auflösen“, sagt eine Personalverantwortliche im Mittelstand.
Die Politik antwortet mit Verständnis. Und einer Infobroschüre.
Fortsetzung folgt…AKT III












