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Guido Bader: Warum die nächste Rentenreform mutiger sein muss



Dr. Guido Bader, Vorstandsvorsitzender der Stuttgarter
Foto: Die Stuttgarter
Dr. Guido Bader ist Vorstandsvorsitzender der Stuttgarter Lebensversicherung.

Die Rentenkasse gerät unter Druck, der demografische Wandel ist Realität, das Umlagesystem am Limit, doch politische Reformen bleiben aus. Wer jetzt nicht handelt, riskiert die Altersarmut kommender Generationen. Es braucht Mut zur echten Reform. Kapitaldeckung bietet eine nachhaltige Lösung, wird aber ignoriert. Die Cash.-Kolumne von Dr. Guido Bader.


Der demografische Wandel ist keine Zukunftsmusik mehr, sondern längst Realität. Immer weniger Erwerbstätige finanzieren die Renten von immer mehr Ruheständlern. Doch statt diese Entwicklung ehrlich anzusprechen und daraus Konsequenzen zu ziehen, herrscht in Rentenpolitik weiter Stillstand. Oder sogar Rückschritt. Die Altersvorsorge droht zum Spielball des Populismus zu werden. Wer aber heute nicht handelt, riskiert nicht weniger als die Altersarmut kommender Generationen.

Das Umlagesystem ist ein Auslaufmodell – und wir wissen es alle

Das deutsche Rentensystem wurde in einer Zeit geschaffen, als auf einen Rentner noch rund sechs Beitragszahler kamen. Dieses Verhältnis hat sich drastisch verschlechtert. Heute sind es nur noch etwa zwei. Und Prognosen zeigen: Die Schere wird sich weiter öffnen. Ein System, das auf Verteilung basiert, kann aber nur funktionieren, wenn es ausreichend Einzahler gibt. Dieses Gleichgewicht kippt unausweichlich.


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Ein Umlagesystem ist in dieser Form nicht robust gegenüber demografischen Verschiebungen. Kapitaldeckung dagegen schon. Sie erlaubt individuelle Vorsorge, stärkt Eigenverantwortung und schafft finanzielle Puffer, die unabhängig vom Arbeitsmarkt funktionieren. Wer das ignoriert, verwechselt Tradition mit Tragfähigkeit.

Kapitaldeckung ist kein Dogma – sondern generationengerechte Vernunft

Kapitaldeckung ist keine Ideologie. Sie ist ein Gebot der Fairness gegenüber den jungen Generationen. Rücklagenbildung entlastet nicht nur zukünftige Beitragszahler. Sie schafft auch Stabilität in Krisenzeiten und fördert unternehmerisches Denken. Und ja: Es ist nie zu spät, damit zu beginnen. Die nächste Reform sollte deshalb ein klares Signal setzen: Mehr Eigenverantwortung wagen.

Das wird nicht jedem gefallen. In einer Zeit, in der viele – gerade auch junge Menschen – den Staat als umfassenden Versorger sehen, ist Eigenverantwortung nicht der bequemste Weg. Aber es ist der einzig nachhaltige. Die Politik muss diesen Mentalitätswandel aktiv anstoßen: durch Aufklärung, durch Anreize, aber auch durch das Eingeständnis, dass sich staatliche Leistungen künftig reduzieren werden.

Altersvorsorge entfesseln – statt durch Komplexität lähmen

Die Chancen für mehr Kapitaldeckung liegen direkt vor uns. Wir haben mit der betrieblichen Altersvorsorge, Riester und privaten Lösungen längst gute Instrumente. Doch wir setzen sie nicht ein. Warum? Weil die Regulierung sie überkomplex macht, weil der Staat selbst sie schlechtredet. Und weil die Vertriebspartner durch neue Vorschriften vom eigentlichen Ziel abgehalten werden: den Menschen Sicherheit im Alter zu ermöglichen.

Wir brauchen keine neuen Produkte, sondern bessere Rahmenbedingungen. Weniger Bürokratie, klare Regeln und eine öffentliche Kommunikation, die Vertrauen statt Zweifel säht. Nur so können Schicht 2 und 3 endlich das leisten, was sie könnten: ein starkes kapitalgedecktes Fundament der Altersvorsorge.

Populäre Geschenke, die uns teuer zu stehen kommen

Was stattdessen passiert, ist das Gegenteil: Die Politik verteilt kurzfristige Wohltaten, die strukturell zerstörerisch wirken. Die abschlagsfreie Rente mit 63, die Haltelinien beim Rentenniveau, der Versuch, durch das Einbeziehen neuer Zahlergruppen das Problem in die Zukunft zu verschieben – all das klingt erst einmal gut. Und ist doch brandgefährlich.

Denn jeder Euro, der heute ohne Gegenfinanzierung ausgegeben wird, fehlt morgen. Die steigenden Steuerzuschüsse für die Rente engen den Handlungsspielraum des Staates massiv ein. Höhere Beitragssätze belasten Unternehmen, fördern die Inflation und gefährden Wachstum. Und das Einbeziehen von Selbständigen oder Beamten löst das Problem nicht. Es verschiebt es nur auf die nächste Generation. Ein Schlag ins Gesicht unserer Kinder.

Jetzt ist der Moment für echte Reformen – nicht für kosmetische Korrekturen

Wer es mit der Altersvorsorge ernst meint, muss jetzt mutig sein. Drei Maßnahmen sind überfällig:

  1. Radikale Vereinfachung der geförderten Vorsorgeprodukte, insbesondere von Riester und der bAV.
  2. Positive politische Kommunikation: Altersvorsorge ist nicht nur Pflicht, sondern Chance – und Eigenverantwortung verdient Rückenwind statt Misstrauen.
  3. Ehrliche Eingriffe in die gesetzliche Rente: Anhebung des Renteneintrittsalters, Abschaffung von Haltelinien und überholten Frühverrentungen – ohne diese Schritte ist langfristige Stabilität nicht erreichbar.

Weg mit der Legislaturlogik – her mit echter Verantwortung

Das Grundproblem ist politisch: Rentenpolitik wird nach Wahlzyklen gemacht und nicht nach dem, was langfristig richtig wäre. Wenn die Regierung den Mut nicht aufbringt, muss sie die Verantwortung an unabhängige Expertengremien übergeben, die wissenschaftlich fundierte Vorschläge erarbeiten und mit einem echten Mandat ausstatten.

Andere Länder zeigen, dass es geht. Schweden hat mit dem staatlich organisierten Pensionsfonds und dem verpflichtenden Kapitalstock-Modell ein stabiles und breit akzeptiertes System etabliert. Auch die Niederlande setzen erfolgreich auf kapitalgedeckte Betriebsrenten, die den Lebensstandard im Alter spürbar sichern. Selbst in Norwegen sorgt der staatliche Ölfonds dafür, dass künftige Generationen von heute aufgebautem Vermögen profitieren. Jetzt muss auch Deutschland den nächsten Schritt machen. Nicht aus ideologischer Überzeugung. Sondern aus Verantwortung für alle, die nach uns kommen.

Dr. Guido Bader ist Vorstandsvorsitzender der Stuttgarter Lebensversicherung und Cash. Kolumnist

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