Wie bewerten Sie die aktuelle Lage im Technologiesektor – vor allem nach der starken Erholung der großen US-Tech-Werte?
Rommel: Nach den Turbulenzen ausgelöst durch Donald Trump rund um die Zoll-Diskussionen im Frühjahr ist die aktuelle Erholung im Technologiesektor vor allem getrieben durch den Mega-Trend Künstliche Intelligenz, der nicht nur neue Geschäftsmodelle ermöglicht, sondern auch bestehende Prozesse revolutioniert. Technologieaktien sind hier mit ihren Produkten bestens positioniert und bleiben attraktiv, da sie überdurchschnittliches Wachstumspotenzial bieten. Für den MSCI World Information Technology Index werden im Jahr 2025 und 2026 jeweils etwa 20 Prozent jährliches Gewinnwachstum erwartet, deutlich mehr als das durchschnittliche Gewinnwachstum des breiten Aktienmarkts. Zudem verfügen viele Tech-Unternehmen über solide Bilanzen und hohe Cashflows, was sie widerstandsfähig gegenüber makroökonomischen Unsicherheiten macht.
Inwieweit beeinflussen makroökonomische Faktoren wie Zinsen, Inflation oder geopolitische Spannungen Ihre Einschätzung des Tech-Marktes?
Rommel: Das Jahr 2022 hat gezeigt, dass Technologieaktien sich in einem Umfeld stark steigender Zinsen grundsätzlich schwertun. Im Vergleich zur damaligen Nullzinsphase gibt es heute jedoch weniger Übertreibungen im Markt, die Bewertung im Technologiesektor ist heute niedriger, die Unternehmen profitabler und auch sind weniger unprofitable Geschäftsmodelle in letzter Zeit an die Börse gegangen.
Die großen Technologiekonzerne mit ihren innovativen Produkten stehen im Zentrum des geopolitischen Konflikts zwischen den USA und China. In den letzten Jahren haben die Beschränkungen von Exporten hochtechnologischer Produkte (wie beispielsweise Halbleiter) aus den USA nach China kontinuierlich zugenommen. Das trifft diejenigen Technologieunternehmen, für die China nach wie vor ein wichtiger Absatzmarkt ist.
Gibt es innerhalb des Technologiesegments erkennbare Gewinner und Verlierer? Welche Sub-Sektoren zeigen momentan besondere Dynamik oder Schwäche?
Rommel: Für uns ist Künstliche Intelligenz weiterhin das spannendste Investmentthema im Technologiesektor. Die technologischen Fortschritte im Bereich der KI führen aktuell und unserer Einschätzung nach auch in Zukunft zu deutlichen Umsatz- und Gewinnsteigerungen bei den KI-Gewinnern. Die Verfügbarkeit von Daten und die Innovationen im Bereich der Rechenleistung sind die Haupttreiber für die weitere Entwicklungen. Wir unterscheiden drei investierbare Bereiche, in denen Unternehmen vom Thema KI profitieren: Die KI-Entwickler (Software-Hersteller), die Entwickler von Hardware für das Betreiben von KI (z.B. Halbleiter, Netzwerkkomponenten) und jene Unternehmen, die KI in ihren Produkten anwenden. In den letzten Jahren konnte man die beste Rendite mit den Hardware-Herstellern, also speziell mit den Komponentenherstellern für Datenzentren, generieren. Die Nachfrage nach Chips ist ungebrochen stark, weil die weiterhin wachsende Zahl an KI-Nutzern immer mehr Rechenleistung verlangt. Das größte Potential für die Zukunft sehen wir aber im Bereich der KI-Anwender. Hier haben wir es mit unterschiedlichsten Sektoren zu tun. Ob in der Industrie, im Gesundheitsbereich oder im Bildungswesen, verschiedenste Unternehmen können durch die Anwendung von KI ihre Produkte verbessern und Kosten sparen. Und selbstfahrende Autos oder humanoide Roboter werden gerade zur Realität.
Wie schätzen Sie die Rolle der Emerging Markets im Technologiebereich ein?
Rommel: Aus geografischer Sicht stehen die Vereinigten Staaten an der Spitze der KI-Entwicklung und -Anwendung, mit einem starken Ökosystem aus Technologieunternehmen und Forschungseinrichtungen. Andere Regionen wie Asien – insbesondere China – bieten jedoch ebenfalls attraktive Investitionsmöglichkeiten, um von der KI-Entwicklung und -Adoption zu profitieren. So verfolgt China eine langfristige Industriepolitik und strebt an bis 2030 führend in der KI-Entwicklung zu sein. Insbesondere DeepSeek hat gezeigt, dass ein chinesisches Unternehmen einen wettbewerbsfähigen KI-Algorithmus entwickeln kann, der sogar OpenAI Paroli bieten konnte. Dies zeigt, dass China beim Thema KI nicht zu unterschätzen ist – und dass trotz Exportrestriktionen bei Graphikkarten. In Bezug auf die Datenverfügbarkeit hat China zudem auf Grund begrenzter Datenschutzvorgaben und einer großen Zahl ständig aktiver Nutzer sicherlich einen Vorteil. In den vergangenen Jahren hat China bedeutende Fortschritte in der KI-Entwicklung gemacht, und chinesische Unternehmen investieren – unterstützt durch die Regierung – stark in KI-Forschung, -Entwicklung und -Implementierung.
Rechnen Sie mit einer Fortsetzung der Dominanz großer US-Tech-Konzerne – wenn ja, warum?
Rommel: Große Technologieunternehmen stehen zweifellos an der Spitze der KI-Entwicklung. Einige der größten Vorteile, die Big Tech gegenüber kleineren Wettbewerbern hat, sind der Zugang zu riesigen Datenmengen, umfangreichere finanzielle Ressourcen und eine größere potenzielle Nutzerbasis. KI-Algorithmen sind stark auf hochwertige Daten angewiesen, um ihre Leistung zu trainieren und zu verbessern. Darüber hinaus verfügen große Technologieunternehmen über erhebliche Mittel, um in die Entwicklung von KI zu investieren – darunter Talente, Software und Infrastruktur, um die KI-Entwicklung voranzutreiben.
Welche Kriterien sind für Sie bei der Titelauswahl entscheidend – eher fundamentale Bewertung, Wachstumsperspektiven oder technologische Führungsposition?
Rommel: Wir bewerten zunächst das KI-Produkt und Potenzial eines jeden Unternehmens, indem wir deren Produkt analysieren, den Wettbewerbsvorteil des Unternehmens herausarbeiten, die Wachstumsmöglichkeiten betrachten und den Einfluss von KI auf die Finanzkennzahlen des Unternehmens bewerten. Dabei führen wir eine tiefgehende Analyse durch und wenden zusätzlich zu unserer KI-Bewertung unseren fundamentalen Investmentprozess an. Bei der Fundamentalanalyse analysieren wir in erster Linie das Geschäftsmodell, die Wachstumsperspektiven, Management- und Bilanzqualität sowie die Bewertung des Unternehmens.
Wie balancieren Sie Ihr Portfolio zwischen etablierten Tech-Giganten und innovativen Small- oder Mid-Caps?
Rommel: Der DWS Invest Artificial Intelligence Fonds strebt eine Balance zwischen Megacap Tech-Unternehmen einerseits und innovativen kleineren Unternehmen andererseits an. Während die großen US-Technologieunternehmen aus den oben genannten Gründen ein Kernbestandteil des Portfolios sind, haben wir unter den etwa 70 Portfolio-Unternehmen auch einige vielversprechende Small und Mid Caps. Diese kleineren Unternehmen können Innovationen vorantreiben, indem sie sich auf bestimmte Branchen spezialisieren oder maßgeschneiderte Lösungen anbieten, welche große Technologieunternehmen nicht leisten können.
Was unterscheidet Ihre Fondsstrategie von anderen Technologiefonds am Markt?
Rommel: Im Vergleich zu einem breit aufgestellten Technologiefonds weist der DWS Invest Artificial Intelligence eine deutlich höhere Gewichtung asiatischer Unternehmen auf – insbesondere aus China, da China in Bezug auf das Thema KI bei der Datenverfügbarkeit und einer großen Zahl ständig aktiver Nutzer eindeutig einen Vorteil hat. Zudem investiert der Fonds in die gesamte KI-Wertschöpfungskette, von Anwendungsfällen der KI, über Daten, bis hin zu der Rechenleistung. Das Thema Künstliche Intelligenz betrifft zudem nicht nur den Technologiesektor, sondern revolutioniert auch andere Sektoren, da die Anwendungsfälle sehr divers ausfallen können. Der DWS Invest Artificial Intelligence investiert daher nicht nur geographisch diversifiziert, sondern auch sektorübergreifend, was ihn von anderen Technologiefonds unterscheidet.
Interview: Frank O. Milewski, Cash.