Langlebigkeit und Börse: Ein Zukunftsthema mit Potenzial?

Lisa Osada
Foto: Jana Haus
Lisa Osada

Die Zukunft der Medizin und Biotechnologie bietet spannende Chancen für Anleger, aber auch komplexe Herausforderungen für die Gesellschaft. Kolumne von Lisa Osada

In einer Zeit, in der die Grenzen zwischen Wissenschaft und Fiktion zunehmend verschwimmen, ist das Streben nach einem längeren und gesünderen Leben ein zentrales Thema, mit dem sich nicht nur Altersforscher und Hollywoodstars, sondern auch viele „normale“ Menschen beschäftigen. In seinem Buch „Das Ende des Alterns“ untersucht David A. Sinclair, renommierter Biologe und Leiter des Fachbereichs Genetik an der Harvard Medical School, die Möglichkeiten, das Altern zu verstehen und möglicherweise aufzuhalten. Seine Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass wir möglicherweise an der Schwelle zu einem Zeitalter stehen, in dem das Altern nicht mehr als unabwendbares Schicksal, sondern als behandelbare Krankheit angesehen wird. Sollte ein solches Szenario in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten eintreten, ergeben sich auch für uns als Anleger viele Chancen, über die es sich nachzudenken lohnt.

Die wegweisenden Entdeckungen von Sinclair und seinem Team haben bereits gezeigt, dass es möglich ist, den Alterungsprozess zu verlangsamen und sogar umzukehren. In verschiedenen Experimenten an Mäusen konnten durch gezielte Eingriffe Körperzellen der Nager regeneriert und sogar Körperfunktionen wie das Sehvermögen wiederhergestellt werden. Die Möglichkeit, solche Erkenntnisse auch auf den menschlichen Körper zu übertragen, ist so verblüffend, dass sie das Konzept des Alterns und damit viele Bereiche des täglichen Lebens grundlegend verändern könnten.

Ein zentraler Gedanke des Longevity-Trends (Langlebigkeit-Trend) ist nicht nur die Verlängerung der reinen Lebenszeit, sondern vor allem die Verlängerung der gesunden Lebenszeit, der sogenannten Health Span. Denn was nützt es, länger zu leben, wenn diese zusätzlichen Jahre von Krankheit und Leid geprägt sind? Die Vorstellung, dass wir nicht nur länger, sondern auch gesünder leben können, ist zweifellos verlockend.

Um diese Zukunft zu verwirklichen, bedarf es jedoch grundlegender Veränderungen in der Art und Weise, wie wir das Altern betrachten. Derzeit wird das Altern oft als unvermeidlicher Teil des Lebens angesehen, ohne dass viel darüber nachgedacht wird, wie es beeinflusst werden kann. Sinclair und einige seiner Mitstreiter schlagen vor, das Altern selbst als Krankheit zu betrachten, was es Ärzten ermöglichen würde, vorbeugende Maßnahmen und Behandlungen einzuleiten, bevor altersbedingte Krankheiten überhaupt auftreten.


Das könnte Sie auch interessieren:

Die Umsetzung solcher Ideen ist allerdings mit erheblichen Herausforderungen verbunden. In der heutigen medizinischen Praxis liegt der Schwerpunkt oftmals auf der Behandlung von Krankheiten, nachdem diese bereits ausgebrochen sind, und weniger auf präventiven Maßnahmen. Während bei der Behandlung von Erkrankungen in den letzten Jahrzehnten erhebliche Fortschritte erzielt wurden, wird die Prävention oft vernachlässigt. Insbesondere die Behandlung dieser Krankheiten mit verschiedenen Medikamenten und Behandlungsmethoden macht heute einen großen Teil der Umsätze und Gewinne der Pharmaunternehmen aus. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass ich nicht glaube, dass wir jemals auf die wichtige Erforschung und Behandlung von Krankheiten durch Pharmaunternehmen verzichten können oder sollten. Ich selbst bin in einigen Unternehmen dieser Branche investiert und betrachte sie als elementaren Bestandteil meines Depots.

Für Anleger bietet die Zukunft der Medizin und Biotechnologie interessante Möglichkeiten. Die Vielfalt der Behandlungsmethoden und die Komplexität des Sektors machen es jedoch schwierig, die aussichtsreichsten Unternehmen zu identifizieren. Eine Lösung könnte eine diversifizierte Anlagestrategie sein, die nicht nur auf wenige Einzelunternehmen, sondern beispielsweise auch auf Branchen-ETFs oder Branchenriesen setzt.

Zwei ETFs aus diesem Bereich, die ich bereits auf meinem Blog (www.aktiengram.de) vorgestellt habe, sind der Xtrackers MSCI World Health Care UCITS ETF und der iShares Nasdaq US Biotechnology UCITS ETF. Während der erste der beiden genannten ETFs auch einige klassische Pharmaunternehmen enthält und die gesamte Breite des Gesundheitsmarktes abdeckt, fokussiert sich der zweite ETF, wie der Name schon vermuten lässt, stärker auf den Bereich der Biotechnologie. Beide ETFs bieten aus meiner Perspektive spannende Möglichkeiten, am Longevity-Trend und der Zukunft der Medizin zu partizipieren, ohne sich extrem tief mit den einzelnen Akteuren der Branche auseinandersetzen und zu versuchen, die besten Aktien in diesem Bereich zu finden. Aber auch im Bereich der Einzelaktien gibt es spannende Akteure, auf die ich nun etwas näher eingehen möchte.

Ein Bereich, den man fast schon als „Schaufelverkäufer“ des medizinischen Fortschritts bezeichnen könnte und der zunehmend an Bedeutung gewinnen wird, ist die Diagnostik und Analytik. Unabhängig davon, ob Krankheiten frühzeitig behandelt werden können oder nicht, bleibt eine gründliche Diagnose unverzichtbar. Die Genomsequenzierung und andere Analyseverfahren werden voraussichtlich eine wichtige Rolle bei der Entwicklung personalisierter Therapien spielen. Die Sequenzierung von Genen ist eine fortgeschrittene Analysemethode, mit der das gesamte Genom eines Organismus entschlüsselt werden kann. Sie hat das Potenzial, das Verständnis und die Behandlung von Krankheiten grundlegend zu verändern. Durch die Entschlüsselung des Genoms könnte es möglich werden, genetisch bedingte Anfälligkeiten für bestimmte Krankheiten frühzeitig zu erkennen und vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen. Neben einigen Unternehmen, die sich speziell mit der Gensequenzierung beschäftigen, ist das Unternehmen Thermo Fisher Scientific führend auf diesem Gebiet. Daraus könnte sich eine personalisierte Medizin entwickeln, die individuell auf die genetischen Eigenschaften jedes Menschen zugeschnitten ist. Darüber hinaus könnte die Gensequenzierung neue Erkenntnisse über die genetischen Ursachen von Krankheiten liefern und die Entwicklung wirksamerer Behandlungsmethoden ermöglichen.

Neue Herausforderungen für das Renten- und Sozialsystem

Unternehmen wie Thermo Fisher Scientific und Danaher, die in der Entwicklung von diagnostischen Geräten und Analyseverfahren führend sind, könnten von der Entwicklung von der klassischen Schulmedizin hin zur personalisierten Medizin stark profitieren. Thermo Fisher gehört hier insbesondere zu einem kleinen Kreis von führenden Unternehmen im Bereich der angesprochenen Gensequenzierung.

Aber auch Technologieunternehmen wie Apple, Alphabet oder Garmin, die in den Bereich des Gesundheitsmonitorings einsteigen, könnten interessante Investitionsmöglichkeiten für zukünftige Entwicklungen bieten. Alle drei Unternehmen bieten Gesundheits- und Fitnesstracker, oft in Form der bekannten Smartwatch, an und sammeln damit wertvolle Gesundheitsdaten der Träger. Diese Daten können wiederum genutzt werden, um optimale Präventions- oder Behandlungsmethoden für diese Personen zu entwickeln und anzubieten.

Die Aussicht auf ein längeres und gesünderes Leben wirft jedoch auch ethische und soziale Fragen auf. Eine mögliche Verlängerung der Lebenserwartung auf 120 Jahre und darüber hinaus würde das Renten- und Sozialsystem vor neue Herausforderungen stellen. Schon heute zeigt sich, dass unser Rentensystem in Deutschland massiv überlastet ist und in vielen Bereichen eher einem Schneeballsystem als einer verlässlichen Alterssicherung gleicht. Längere Lebenszeiten ohne eine Anhebung des Renteneintrittsalters würden zu Fällen führen, in denen ein Mensch nur 50 oder 60 Prozent seines Lebens gearbeitet hat, um die restliche Zeit im Ruhestand zu verbringen. Gleichzeitig zögert die Politik verständlicherweise, das System zu ändern, da die Wählergruppe der Älteren, die von einer solchen Änderung am stärksten betroffen wäre, immer größer und einflussreicher wird. Es wäre nicht verwunderlich, wenn eine Partei, die es sich mit diesem Teil der Wählerschaft verscherzt, bei den nächsten Wahlen schlechtere Aussichten auf ein gutes Ergebnis hätte. Es bleibt abzuwarten, wie Politik und Gesellschaft auf diese Situation reagieren werden.

Fazit: Insgesamt bietet die Zukunft der Medizin und Biotechnologie spannende Chancen für Anleger, aber auch komplexe Herausforderungen für die Gesellschaft. Es bleibt zu hoffen, dass die Fortschritte in der medizinischen Forschung dazu beitragen, ein längeres und gesünderes Leben für alle zu ermöglichen. Unabhängig davon, wie erfolgreich die Forschung im Bereich Medizin und Langlebigkeit sein wird, versuche ich mein Depot möglichst breit diversifiziert im Gesundheitssektor zu positionieren.

Lisa Osada ist Finanzbuchautorin mit über 100.000 Followern bei Instagram.

Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments