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Warum Aktien mehr sind als Zahlen im Depot

Lisa Osada
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Lisa Osada

Sobald wir vom Sparer zum Anleger werden, verändert sich unsere Haltung zum Leben. Kolumne von Lisa Osada, Aktiengram

Heutzutage geht in einer von Konsum und kurzfristigen Sorgen geprägten Welt der grundlegende Gedanke des Werts von Eigentum oft verloren. Wir sind häufig darauf konditioniert, Geld als reines Tauschmittel zu betrachten. Als Mittel, um Dienstleistungen, Miete, das neueste iPhone oder den nächsten Urlaub zu bezahlen. Im besten Fall legt der typische deutsche Verbraucher es auf ein Sparkonto, wo es „ruht“. Doch dieses Ruhen ist trügerisch, denn es ist ein langsames, aber stetiges Entwerten durch die unsichtbare Kraft der Inflation.

Gleich hier beginnt die Begeisterung für Aktien: als eines der zugänglichsten und wirkungsvollsten Instrumente, um vom Zuschauen ins aktive Gestalten der eigenen finanziellen Zukunft zu wechseln. Denn: Anders als leider zu oft in den Medien oder im Elternhaus vermittelt wird, ist eine Aktie kein Lottoschein. Sie ist auch kein abstraktes Spekulationsobjekt, das an digitalen Börsen flackert. In ihrem Kern ist sie etwas Greifbares: verbrieftes Miteigentum. Wer eine Apple-Aktie kauft, erwirbt nicht nur einige Zahlen im Depot, sondern einen Anteil an einer Idee, an einem Unternehmen, an der Schaffenskraft Tausender Menschen. Er wird Miteigentümer der Marke, der Patente und der Innovationskraft, die unser Leben verändert haben.

Dieser simple Fakt hat erhebliche philosophische Konsequenzen. Denn sobald wir vom Sparer zum Anleger oder Investor, also zum Miteigentümer werden, verändert sich unsere Haltung zum Leben. Die Börse ist allgegenwärtig: im Alltag, im Denken, im Handeln. Wir übernehmen Eigenverantwortung. Wir hören auf, uns ausschließlich auf die immer brüchiger werdenden staatlichen Rentenversprechen zu verlassen. Wir nehmen die Gestaltung unseres Lebensstandards selbst in die Hand. Finanzielle Unabhängigkeit ist die Basis für viele andere Formen der Freiheit. Wer über Kapital verfügt, kann selbstbestimmt entscheiden, wo das Leben stattfindet, welchen Beruf man ausübt, wann der Ruhestand beginnt oder ob man ein Unternehmen gründet. Kapitalbesitz schützt vor Abhängigkeit, von wirtschaftlichen Zyklen ebenso wie von politischen Launen.


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Und das Beste daran: Die Teilhabe am Kapitalmarkt ist heute kein exklusives Privileg mehr, sondern ein demokratisches Instrument. Noch nie zuvor war es für Einzelpersonen so unkompliziert, sich an den produktivsten und innovativsten Unternehmen der Welt zu beteiligen. Ein ETF-Sparplan mag unscheinbar wirken, doch er ist im Kern eine regelmäßige Entscheidung für ökonomische Selbstbestimmung. Ein stilles, wiederkehrendes Bekenntnis zur eigenen finanziellen Unabhängigkeit.

Aktien stehen in diesem Zusammenhang stellvertretend für den Erwerb von Sachwerten. Sie bilden das Gegenstück zu reinen Geldforderungen. Während Bargeld und klassische Sparformen schleichend an Kaufkraft verlieren, besitzen Sachwerte einen realen, oft emotionalen Wert. Ein Kunstwerk etwa ist nicht nur Leinwand und Farbe; es trägt Erinnerungen, Geschichten, Bedeutung und ist für seinen Besitzer ungleich wertvoller als für jede außenstehende Person.

Immobilien, das klassische „Betongold“, bieten nicht nur Schutz vor steigenden Mieten, sondern auch Stabilität und Lebensqualität. Gold wiederum ist seit Jahrtausenden ein Wertspeicher und Krisenanker und bleibt die ultimative Versicherung gegen das Versagen von Währungen. Es zahlt zwar keine Zinsen, aber es bleibt bestehen. Bitcoin schließlich, die digitale, dezentrale Antwort auf Gold, ist das knappste Gut, das die Menschheit je geschaffen hat: fälschungssicher, unabhängig und mit einer radikalen Idee von Eigenverantwortung. Ob und wie diese Werte Teil des eigenen Portfolios werden, bleibt jedem selbst überlassen, denn auch darin besteht die Freiheit.

Kein Ausdruck von Gier

Ein umsichtig aufgebautes Portfolio versteht die Stärken verschiedener Anlageklassen und nutzt sie im Zusammenspiel. Es geht nicht darum, sich für nur einen Weg zu entscheiden. Gold und Bitcoin etwa können als Absicherung dienen und eine Art Versicherung gegen Währungs- und Systemrisiken bieten. Immobilien schaffen Stabilität und Verankerung im Alltag. Doch Aktien bleiben das produktive Herz eines Vermögensaufbaus: Sie sind der direkte Weg, am Erfindergeist und der Wertschöpfung unserer Wirtschaft teilzuhaben. Während manche Werte vor allem bewahren, ermöglichen Unternehmensbeteiligungen Fortschritt: neue Technologien, Arbeitsplätze, Lösungen.

Warum also nicht selbst am Kapitalmarkt teilnehmen und Sachwerte besitzen? Weil eine Gesellschaft, in der Menschen Eigentum aufbauen, widerstandsfähiger und langfristiger denkt. Wer Miteigentümer ist, blickt automatisch tiefer: auf wirtschaftliche Zusammenhänge, auf Zukunft und Nachhaltigkeit statt auf bloßen Konsum.

Der eigene Vermögensaufbau ist kein Ausdruck von Gier, sondern von Weitsicht und von Selbstbestimmung statt Abhängigkeit. Eine Aktie ist in diesem Sinne kein bloßes Finanzinstrument. Sie ist eine Einladung, nicht nur Beobachter, sondern Gestalter zu sein. Und ein Schritt hin zu einer Freiheit, die entsteht, wenn man die Verantwortung für seine finanzielle Zukunft selbst übernimmt.

Lisa Osada ist Finanzbuchautorin mit über 100.000 Followern bei Instagram unter dem Namen Aktiengram.

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