Mit Blick auf die Wohnungsbau-Misere in Deutschland sagte Kubicki im Cash.-Interview (Video) am Rande der Jahreskonferenz des Pflegeimmobilien-Spezialisten Carestone: „Wir haben eine eigene Erfahrung, wie man marode Systeme sehr schnell wieder auf Vordermann bekommt. Nach der Herstellung der Deutschen Einheit gab es Riesen-Abschreibungsmöglichkeiten für Investoren gerade im Immobilienbereich. Und siehe da, innerhalb von 10, 15 Jahren ist aus einer maroden DDR, um mit Helmut Kohl zu sprechen, so etwas wie eine blühende Landschaft geworden, jedenfalls was den Immobilienbestand angeht.“
„Schwund ist leider überall“
Den Einwand, dass dies für die meisten Investoren nicht die allerbesten Ergebnisse gebracht hat, wischte er vom Tisch: „Schwund ist leider überall, aber Sie müssen sich entscheiden, was Sie wollen. Wenn Sie schnell etwas bewirken wollen, dann geht es nur so und dann müssen sie eben (…) sowas im Zweifel auch in Kauf nehmen.“
Zur Erinnerung: Nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 gewährte die damalige Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) hohe Steuervorteile für Immobilien-Investitionen in den damals neuen Bundesländern und (ganz) Berlin – eine sofortige Sonderabschreibung von bis zu 50 Prozent (später 25 Prozent) der Investitionssumme.
Dadurch entstanden auf dem Papier zunächst hohe Verluste, die dem zu versteuernden Einkommen gegengerechnet werden konnten und zu entsprechenden Steuerersparnissen führten. Auch Fondsanleger konnten davon profitieren, weil ihnen die steuerlichen Verluste des betreffenden Fonds anteilig zugerechnet und in der persönlichen Steuererklärung angesetzt werden konnten.
Wundertüte „Verlustzuweisungen“
Durch Fremdkapital ließen sich diese Verlustzuweisungen leicht auf 100 Prozent der Beteiligung und bei erweiterter (persönlicher) Haftung der Investoren auch deutlich darüber hinaus hebeln – ein gewaltiger Anreiz, der seine Wirkung nicht verfehlte. So strömten Milliarden D-Mark für Bauvorhaben ins „Fördergebiet“.
Doch vielfach geriet durch die Wundertüte „Verlustzuweisungen“ die Wirtschaftlichkeit der Projekte aus dem Blick. So wurde am Ende zu viel, zu teuer und an den falschen Orten gebaut. Zudem blieben die von Kohl versprochenen „blühenden Landschaften“ zumindest in Bezug auf die Gesamtwirtschaft aus. Weder die Zahl der Unternehmen noch die Kaufkraft der Menschen reichte aus, um die erforderlichen Mieten zu bezahlen. Folge: Leerstand, Pleitewelle, riesige Vermögensverluste der Anleger. „Gier frisst Hirn“ schrieb der „Spiegel“, „Legt der Staat uns rein?“, titelte Cash. und warnte schon 1993 vor den Gefahren des hohes Steuerbonus (siehe Ausgabe 1/1993).
Aus Sicht des Staates durchaus ein Erfolg
Und doch hat Wolfgang Kubicki insofern recht: Aus Sicht des Staates war die Sonder-Afa-Ost durchaus ein Erfolg und erreichte das gewünschte Ziel. Allerorten waren in kurzer Zeit moderne Wohnungen, Büros, Einkaufszentren, Hotels und vieles mehr entstanden. Zudem trug die Bauwirtschaft über Jahre die gesamte Ost-Konjunktur.
Die meisten Investoren werden das wohl anders sehen. Für sie war es ein Fiasko. Und auch für das Gros der Finanzdienstleister, die damals schon aktiv waren. Im besten Fall verloren sie nur ihre Kunden, im schlechteren wurden sie von ihnen auf Schadenersatz verklagt. So wird der erste Reflex wahrscheinlich meistens sein: „Eine neue Sonder-Afa? Oh nein, bloß das nicht!“ Und die gewaltige Vernichtung von privaten Vermögen wie Kubicki einfach als unvermeidlichen „Schwund“ abzutun, wird auch nicht jedem gefallen.
Und doch lohnt es sich trotz aller Vorbehalte, den Vorschlag nicht sofort vom Tisch zu wischen. Schließlich heißt Sonder-Afa nicht automatisch, die früheren Fehler zu wiederholen. Man kann auch daraus lernen und Schwund ist keineswegs unvermeidlich, jedenfalls in dem damaligen Ausmaß. Insofern irrt Kubicki. Aber was ist eigentlich falsch gelaufen?
Branche damals komplett unreguliert
Vor allem zwei Punkte: Zum ersten waren die Steuervorteile viel zu hoch. Sie vernebelten in der Tat vielfach den Blick für die Wirtschaftlichkeit und ließen auch unsinnige oder überdimensionierte Projekte entstehen, die den Markt kaputt machten und so auch ursprünglich solide kalkulierte Objekte in Mitleidenschaft zogen. Zum zweiten lockten sie neben professionellen Anbietern auch Heerscharen von Dilettanten und Hassadeuren an, die nur auf das schnelle Geld aus waren.
Und das ist der wesentliche Unterschied zu heute: Die Branche war damals komplett unreguliert. Weder für die Anbieter noch für den Vertrieb oder die Fonds gab es spezialgesetzliche Vorschriften, noch nicht einmal eine gesetzliche Prospektpflicht. Jeder konnte irgendwelche Projekte planen, das Blaue vom Himmel versprechen und dafür unkontrolliert Geld einsammeln.
Das ist heute auf allen Ebenen anders. Zwar schützt auch Regulierung nicht vollständig vor wirtschaftlichen Risiken, wie die Branche spätestens seit dem Zinsschock 2022 schmerzlich erfahren muss. Aber ein unkontrollierter Wildwuchs ist heute ebenso ausgeschlossen wie – jedenfalls bei Publikumsfonds – ein exorbitanter Fremdkapitalhebel oder eine Nachschusspflicht der Anleger. Und auch ein etwas moderaterer Steuervorteil als damals kann sicherlich einen kräftigen Impuls setzen, Kapital in die richtige Richtung zu lenken, ohne unkalkulierbare Risiken einzugehen. Einen Versuch, ohne Scheuklappen darüber nachzudenken, wäre es jedenfalls wert.
Stefan Löwer ist Leiter des Cash.-Ressorts „Immobilien & Sachwertanlagen“.
















