EXKLUSIV

Neues Urteil zum Notwegrecht

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Dr. Tim Wistokat, von Poll Immobilien

Obwohl das Notwegrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) seit langem verankert ist, gibt es bei der praktischen Ausgestaltung immer wieder Herausforderungen. Ein neues Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) schafft mehr Klarheit. Eine Einordnung von Dr. Tim Wistokat, von Poll Immobilien

Eine häufige Frage: Darf ein Eigentümer eines sogenannten „gefangenen“ Grundstücks – also eines Grundstücks ohne direkte Anbindung an eine öffentliche Straße – das Nachbargrundstück auch nutzen, um mit dem Auto zum eigenen Grundstück zu gelangen und dort zu parken? Hierzu hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 14. März 2025 unter dem Aktenzeichen V ZR 79/24 eine wegweisende Entscheidung getroffen.

Das Urteil sorgt für mehr Klarheit: Das Notwegerecht umfasst grundsätzlich auch die Zufahrt mit dem Auto zum eigenen Grundstück zum Zwecke des Parkens. Dies führt zu größerer Rechtssicherheit und verhindert künftige Konflikte zwischen Nachbarn.


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Worum ging es konkret?

In dem Fall, der bis zum BGH ging, sind die Parteien Grundstücksnachbarn in Schleswig-Holstein. Das vordere Grundstück der Kläger liegt an der Straße, das hintere – das sogenannte „gefangene“ Grundstück – ist nur über das Nachbargrundstück erreichbar. Dieses hintere Grundstück ist mit einem Doppelhaus bebaut und in Wohneigentum aufgeteilt. Die Beklagte, Sondereigentümerin einer der Doppelhaushälften, vermietet ihre Einheit. Sie und ihre Mieter durften das vordere Grundstück als Zufahrt nutzen, allerdings wollten die Kläger das Befahren nur zur Anfahrt, nicht aber zum Parken auf dem hinteren Grundstück erlauben.

Daraus entwickelte sich ein Rechtsstreit. Die Kläger verlangten unter anderem eine eingeschränkte Notwegrente in Höhe von 267 Euro, die ein Verbot der Nutzung zu Parkzwecken beinhaltet – oder hilfsweise die Zahlung einer Notwegrente in Höhe von 313 Euro, die das Befahren zum Zwecke des Parkens umfasst. Während das Landgericht Kiel die Nutzung einschließlich Parken erlaubte, gab das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig den Klägern teilweise recht und untersagte die Zufahrt zum Parken. Diese Entscheidung wurde nun vom BGH aufgehoben.

Notwegrecht umfasst grundsätzlich auch das Parken

Der BGH stellt klar, dass das Notwegrecht eines Eigentümers eines gefangenen Grundstücks grundsätzlich auch die Zufahrt mit dem Auto zum Parken auf dem eigenen Grundstück umfasst.

Es spielt keine Rolle, ob die Zufahrt primär zum Entladen oder zum Abstellen des Fahrzeugs genutzt wird. Entscheidend ist: Das Grundstück ist ohne den Notweg nicht ordnungsgemäß nutzbar.

Keine unnötigen Abgrenzungsschwierigkeiten

Ein solches Parkverbot wäre schwer kontrollierbar und würde zu rechtlicher Unsicherheit führen. Ist ein Wasserkasten schon schwer genug? Oder erst die Waschmaschine? Interessant ist auch der Hinweis des BGH, dass bei Grundstücken, die ohnehin direkt an eine Straße grenzen, ein Notwegrecht für die Erreichbarkeit von Garagen oder Stellplätzen im hinteren Bereich nicht besteht.

Fazit

Mit dieser Entscheidung stärkt der BGH die Rechte der Eigentümer von verbindungslosen Grundstücken und sorgt für praxisnahe Rechtssicherheit. Für Eigentümer bedeutet dieses Urteil: Wer ein verbindungsloses Grundstück besitzt, kann das Nachbargrundstück grundsätzlich auch nutzen, um mit dem Auto auf das eigene Grundstück zu fahren und dort zu parken. Das reduziert Konfliktpotenzial erheblich.

Damit ist klar: Das Parken auf dem eigenen Grundstück bleibt im Rahmen des Notwegrechts erlaubt – auch wenn der Weg dorthin über das Grundstück eines Nachbarn führt.

Dr. Tim Wistokat, LL.M. ist Rechtsanwalt und Head of Legal Department bei von Poll Immobilien

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